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Burkhard Spinnen, "Epiker des Supermarkts in der deutschen Literatur" (FAZ), kämpft sich durch unsere tückenhafte Konsumwelt. Detailgenau beobachtet er die Marotten stinknormal wirkender Mittelstandsexistenzen und schildert mit leiser Ironie deren grotesken Kampf um die Banalitäten des Lebens. Vom Glanz und Elend des bundesdeutschen Alltags bleibt für Spinnen und seine Leser dabei nur noch eines übrig: Staunen.

Produktbeschreibung
Burkhard Spinnen, "Epiker des Supermarkts in der deutschen Literatur" (FAZ), kämpft sich durch unsere tückenhafte Konsumwelt. Detailgenau beobachtet er die Marotten stinknormal wirkender Mittelstandsexistenzen und schildert mit leiser Ironie deren grotesken Kampf um die Banalitäten des Lebens. Vom Glanz und Elend des bundesdeutschen Alltags bleibt für Spinnen und seine Leser dabei nur noch eines übrig: Staunen.
Autorenporträt
Burkhard Spinnen, geboren 1956 in Mönchengladbach, Studium der Germanistik, Publizistik und Soziologie in Münster, 1989 Promotion. Wissenschaftlicher Assistent am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, seit 1996 freier Autor in Münster. Preise und Auszeichnungen: u. a. 1991 aspekte-Literaturpreis, 1996 Kranichsteiner Literaturpreis, 1999 Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und 2004 den Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt Krefeld für sein bisheriges Gesamtwerk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.10.1996

Vermischtes aus aller Welt
In 59 Teilen: Burkhard Spinnens Prosaband "Trost und Reserve"

Fürwahr eine Falle: da wird ein Autor mit der Diagnose "Baldiges Ableben durch Hirntumor" konfrontiert, sämtliche möglichen Reaktionsweisen auf diese Eröffnung aber hat er schon in seinem eigenen Romanschaffen durchdekliniert. Und hält er seine Romane auch für "weniger als mittelmäßig", so möchte er doch nicht mittelmäßig abtreten, epigonal, als Selbstzitat. Und er vermutet: "Es muß Sätze geben,. . . die noch nie gesagt worden sind", ist sich aber sicher, daß er keinen davon vor seinem Ableben finden wird.

Fast noch tragischer ist die Geschichte jenes Amerikaners, der sich bereithält, berühmt zu werden, aber jede Festlegung darauf, in welcher Disziplin, strikt meidet. Als sich ihm die Chance bietet, bei einem Kaufhausbrand als Lebensretter hervorzutreten, bleibt er lieber passiv, weil ihm die Haltbarkeit dieser Art von Ruhm zu kurz ist. Und dieses Nichthandeln führt zu seinem eigenen Feuertod.

Zwei gravierende Schicksale, mitgeteilt in Burkhard Spinnens neuem Buch "Trost und Reserve", wobei dem tumorkranken Autor ja vielleicht noch durch den Hinweis auf Robert Gernhardts "Wege zum Ruhm" zu helfen wäre, da dort ab Seite 88 das richtige Sterben von Autoren erwogen wird, für den Amerikaner in Ruhmerwartung aber ist alles zu spät. So sind wir hier im definitiv schweren Bereich von Spinnens 59 hier versammelten - ja was?

"Geschichten" war der Gattungshinweis bei zwei früheren Büchern, "Dicker Mann im Meer" und "Kalte Ente". "Langer Samstag", sein Roman von 1995, trug konsequenterweise die Bezeichnung "Roman". In diesem Fall fehlt uns eine solche Erläuterung, aber außer "kurze Texte" gäbe es wohl auch nichts, was das hier Versammelte zutreffend verklammerte. Diese nun sind in elf Abteilungen unterschiedlicher thematischer Nähe untergebracht. Die erste etwa versammelt Mitteilungen, die, ins Agenturdeutsch zurückübersetzt, ihren Platz in Zeitungsrubriken wie "Vermischtes aus aller Welt" finden würden, in der Abteilung "Serientäter" bewegen wir uns im juristischen Milieu, bei "Öffentlicher Nahverkehr" dann im Reich des Eros, und bei "Grasende Kühe" geht's um Mensch und Kreatur.

Und die hier nur angedeutete thematische Breite findet sich auch in der Art der Darstellung, da geht es von der Conférence ("Jetzt mal was für angehende Juristen") über den erweiterten Notizzettel (Exposé) und die - wirklich schöne - Groteske (in der Geschichte vom Basketballer im Rollstuhl, der nicht an der Behinderten-Weltmeisterschaft teilnehmen darf, weil die ausreichende Schwere seiner Behinderung nicht zweifelsfrei belegt ist) und den biographischen Schnipsel (Gestreifte Krawatte) bis zu einer Betrachtung über grasende Kühe von solch seltsamer Harmlosigkeit, daß der Belang nicht mehr erkennbar ist - wenn Sie verstehen, was ich meine.

Was das Disparate nun wieder eint, ist die Spinnen - in seinem Aggregatzustand als praktizierender Literat - eigene schnörkellose Sprache, die der Arabeske sich enthält wie des postponierten Reflexivums. Es dominieren die Lakonie und das Präsens, aber es findet kaum Entwicklung innerhalb der Texte statt, die Dramaturgie ist eher die der Waschanleitung, die ja mit der Temperatur des Waschwassers beginnt und bei der Trocknungsmethode endet.

So enumerativ und pointenlos ist das Mitgeteilte, wobei nun, wie beim behinderten Rollstuhlfahrer, die Geschichte schon die Pointe sein kann. Aber Entwicklung ist wohl auch sicher zu haben bei Texten von maximal gut drei Druckseiten in großzügigem Layout. Nun hat der Literatur-Theoretiker Spinnen im vergangenen Jahr die Literatur vor der Zumutung verteidigt, das, was er die medial vermittelte "Farce verschiedener kleingehackter Ereignisse" nennt, erzählend sinn- und bedeutungsstiftend zu ummanteln. Sie habe sich vielmehr gegen dieses Ansinnen zu konstituieren, müsse sich deshalb "mit Vorsatz diskontinuierlich, antinarrativ, collagenhaft und montiert geben".

Sollte das das verbindliche Programm sein, so hat es der Literatur-Praktiker Spinnen mit "Trost und Reserve" Punkt für Punkt eingelöst, die elf Abteilungen wären also jeweils als Fernsehmagazin zu betrachten, bei dem man sich zwischen den einzelnen Texten die Zwischenansage "And now for something completely different" hinzuzudenken hat. Versuch macht klug: Tut man's auf diese Art, läßt einen das Buch so leer und unzufrieden wie die Fernsehmagazine, bei denen man das Gefühl nicht los wird, es sei den Machern mal wieder schwergefallen, die Sendestrecke zu füllen.

Der Germanist Spinnen hat seit seinem ersten Geschichtenband von 1990, "Dicker Mann im Meer", einen guten Ruf als Literat. Den hat er mit "Trost und Reserve" nicht gleich verloren, aber auch nicht gerade bestätigt. Nehmen wir's als Zwischentief. Und hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang ja auch auf die unterschiedliche Leseerfahrung von Leser und Rezensent. Leser wie Leserin widmen sich einem Buch im Regelfall einmalig, und da betritt man "Trost und Reserve" dann doch wie den Verkaufsraum eines besseren Geschäftes, die dortigen 59 Exponate sind ordentlich gearbeitet und erwecken, dank ihrer Unterschiedlichkeit, jeweils ein Anfangsinteresse, und ehe der Zweifel am Gebrauchswert überhandnimmt, ist man ja auch schon weiter. Und so kommt man im ersten Durchgang auch durch dieses Buch, erst in weiteren Runden drängt ich zunehmend der Verdacht auf, daß sich hinter der gefälligen Form eher wenig verbirgt. Es wäre das Experiment wert, auszuprobieren, wie oft man "Trost und Reserve" lesen muß, bis der Text ganz verschwindet; wenn überhaupt. BURKHARD SCHERER

Burkhard Spinnen: "Trost und Reserve". Verlag Schöffling & Co., Frankfurt 1996. 166 S., geb., 34,- DM.

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