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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2005

Zwei Sätze für die Wirtin

Andrew Stevenson wanderte vier Monate lang in Neuseeland, und natürlich mußte daraus ein Reisebuch gestrickt werden. Nach der ersten Seite ist schon alles klar: sage und schreibe zehnmal ist dort "ich" zu lesen, begleitet von diversen mir, mich und mein. Nicht Neuseeland soll uns nahe gebracht werden, sondern der Autor in Neuseeland. Andrew Stevenson hat eine interessante Biografie: Geboren in Kanada, wuchs er in Indien, Kenia und Schottland auf, arbeitete in Hongkong, Kanada, Norwegen und Afrika, als, wie es sein Verlag formuliert, Banker, Wirtschaftsspezialist und Entwicklungshelfer und leitet nun ein norwegisches Reiseunternehmen für Ökotourismus, ein Schriftsteller ist er nicht. Stevenson kommt nicht auf den Punkt, erzählt umständlich und ausführlich etwa eine mißglückte Buchung für eine Wandertour. Passanten am Wegesrand, jeder Autofahrer, der den Tramper mitnimmt, jede Wirtin, jeder Zimmergenosse, jeder Wanderer und jede Mitfahrerin, alle tauchen in dem Buch zwei Sätze oder zwei Seiten lang auf und verschwinden wieder in der endlosen Welt der Backpacker. Wer soll sich dafür interessieren? Jeder, der nach Neuseeland (oder Bali oder Norwegen oder Peru) reisen würde, könnte solche Begegnungen erleben und niederschreiben. Wo ist das Außergewöhnliche, wo ist die eine Begegnung, die eine Stunde, die die Reise unvergeßlich machte? Die Fülle der Geschichten wird zum Gleichmacher aller. Zwar gibt es durchaus interessante Episoden, an denen man sich festlesen kann, manchmal gelingt Stevenson auch ein lakonischer Tonfall, vor allem wenn er beschreibt, wie er seinem Herzschmerz davonlaufen möchte, ein probates Antriebsmittel für lange Wanderungen, aber in der schieren Aufzählung geht jedes spannendere Stück unter. Denn wer will etwa lesen: "Ich schalte den Backofengrill an, schiebe mehrere Scheiben Brot, belegt mit Cheddarkäse und Tomatenscheiben, auf den obersten Rost und packe dann schnell zusammen." So lernen wir bei Stevenson nicht viel über Neuseeland, gewinnen aber an Erkenntnis: Nicht jeder, der eine Reise tut, hat auch etwas zu erzählen.

bär

"Trekking in Neuseeland. Auf dem Milford Track und anderen Routen unterwegs" von Andrew Stevenson. National Geographic im Frederking & Thaler Verlag, München 2004. 272 Seiten, einige Farbabbildungen. Broschiert, elf Euro. ISBN 3-9405-236-8

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der "bär" zeichnende Rezensent ist 'not amused'. "Wo ist das Außergewöhnliche?" fragt er genervt angesichts einer Fülle von Geschichten, die ihm nichts erzählten, außer dass der Autor jede Menge uninteressanter persönlicher Eindrücke geschildert hat. Umständlich und ausführlich werde da beispielsweise eine missglückte Buchung geschildert oder von Wirten, Zimmergenossen und mitnehmenden Autofahrern erzählt. Nichts konnte "bär" genauer erfahren. Zwei, drei Sätze oder Seiten und er sieht Menschen und Geschichten wieder in der endlos öden Welt der Backpacker verschwinden. Da kann auch die ein oder andere interessante Episode nicht mehr viel retten.

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