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Eine Villa am Comer See, ein Palazzo in Venedig, die exklusiven Salons in London und Paris hier gibt sich die High Society der goldenen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Stelldichein. Mittendrin das frisch verheiratete, aber mittellose Paar Susy und Nick Lansing, die sich fröhlich von einer Sommerfrische zur nächsten schmarotzen und mit Esprit ihre Gönner unterhalten. Doch für ihr Luxusleben zahlen sie einen hohen Preis, denn die Abhängigkeit von ihren reichen Freunden hat ungeahnte Folgen für das junge Paar ...

Produktbeschreibung
Eine Villa am Comer See, ein Palazzo in Venedig, die exklusiven Salons in London und Paris hier gibt sich die High Society der goldenen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ein Stelldichein. Mittendrin das frisch verheiratete, aber mittellose Paar Susy und Nick Lansing, die sich fröhlich von einer Sommerfrische zur nächsten schmarotzen und mit Esprit ihre Gönner unterhalten. Doch für ihr Luxusleben zahlen sie einen hohen Preis, denn die Abhängigkeit von ihren reichen Freunden hat ungeahnte Folgen für das junge Paar ...
Autorenporträt
Edith Wharton (1862 - 1937) entstammte der New Yorker Patrizierschicht. Als Kind verbrachte sie längere Zeit in Frankreich, Deutschland und Italien, so dass sie, wie sie später meinte, Europa "unausrottbar im Blut" hatte. Sie genoss eine sorgfältige Erziehung, ihre frühen literarischen Neigungen wurden jedoch kaum gefördert; schriftstellerische Ambitionen ziemten sich für Töchter aus ihren Kreisen nicht. Edith Wharton übersiedelte nach einer schwierigen Ehe 1906 nach Paris. Sie widmete sich nun ganz ihrer dichterischen Aufgabe, schrieb Romane, Erzählungen, Reiseberichte, kulturhistorische Essays. Ihre Vielseitigkeit und ihr Erzähltalent wurden mehrfach geehrt: 1921 erhielt sie den Pulitzerpreis, 1923 verlieh ihr die Yale University als erster Frau die Ehrendoktorwürde; es folgten die Goldene Medaille des National Institute of Arts and Letters und die Aufnahme in die American Academy of Arts and Letters. Edith Wharton gehört zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen Amerikas.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.08.2012

Der dionysische Durchbruch bleibt amerikanischen Puritanern leider versagt

Alt genug für Realismus, aber zu jung, um ohne Traum zu sein: In ihrem neu übersetzten Roman "Die Traumtänzer" schickt Edith Wharton ein aufstiegswilliges Pärchen auf eine Bildungsreise durch die besseren Kreise.

Von Mondsüchtigen sagt man, dass sie niemals stolpern oder stürzen, solange keiner sie von außen anspricht und aus ihren Träumen reißt. Was aber, wenn zwei Schlafwandler zugleich unterwegs sind, sich begegnen und umkreisen, vielleicht sogar unterhaken oder an die Hand nehmen und jedenfalls den weiteren Weg durch die Nacht gemeinsam gehen: Muss einer so den anderen behüten oder stören? Wie finden sie sich überhaupt zu zweit zurecht? Und wer kann ein solches Traumpaar vor dem wechselseitigen Aufwecken schützen?

In ihrem hinreißenden Roman "The Glimpses of the Moon" von 1922, der jetzt unter dem Titel "Traumtänzer" abermals bei uns herauskommt, unternimmt die amerikanische Autorin Edith Wharton genau dieses Experiment. Sie schickt zwei selbstgewisse und charmante Menschen aus dem sonnigen Neuengland - nicht mehr so jung, um ohne Realismus, noch nicht so alt, um ohne Traum zu sein - durch die monddurchfluteten Kulturlandschaften Alteuropas und sieht zu, wie sie sich dort tanzend oder strauchelnd in der Welt der Reichen, Schönen und Gelangweilten bewähren. Nick Lansing ist ein feinsinniger, hoffnungsvoller Schriftsteller mit Hang zur griechischen Antike und naturgemäß ohne jeglichen Erfolg, Susy Branch ist eine unerschrockene Frau von ausgeprägtem, wenngleich unbestimmtem Talent. Beide sind aus gutem Hause, nur leider total mittellos und daher gänzlich darauf angewiesen, ihren bevorzugten Lebensstil des Fernreisens und kultivierten Müßiggangs mittelfristig durch eine passende Partie zu sichern. Die kosmopolitische Luxuswelt, der sie mit ihrer geistreichen Gesellschaft gern zu Diensten sind, wird ihnen so zugleich zum Jagdrevier.

Zu zweit jedoch jagt es sich besser. Im Grunde mangelt es ihnen an Flirtbekanntschaften so wenig wie an interessanten Heiratskandidaten, denn in den Kreisen des neuenglischen Geldadels wie auch der englischen Aristokratie sind beide höchst beliebt und können sich vor Einladungen in deren exklusive Sommerhäuser, venezianische Palazzi oder Jagdschlösser kaum retten. Zur Steigerung ihres Marktwerts aber - wie wohl aus halbbewussten Gründen wechselseitiger Stimulation - gehen Nick und Susy eine Ehe ein, wohl wissend, dass verheiratete Partner die Eroberungslust selbstbewusster Banker und reicher Erbinnen erst richtig reizen. Zugleich nämlich schließen Nick und Susy einen Pakt mit dem Versprechen, den anderen sofort freizugeben, sobald sich eine Chance zu lukrativerer Verbindung auftut. Zudem können sie ihr längst gewohntes Dasein als Lebenskünstler und Pläsierpärchen der vermögenden Gesellschaft durch Heiratsschecks einstweilen finanzieren.

Mit dieser Versuchsanordnung bewegt Wharton sich auf ureigenstem Terrain. Luxushotels in Paris, romantische Palazzi in Venedig, Yachthafen am Mittelmeer und Villen am Comer See: das sind so ungefähr die Schauplätze, die ihr durch Anschauung bestens bekannt waren und die sie uns hier wiederum durch herrlich teilnahmslose Beobachtung der eigenen Lebenswelten vorführt. Wie so oft gewinnt ihre Erzählweise vor allem daraus Witz und Schärfe, dass es ihr gelingt, Lust und Leid der beiden Hauptfiguren mit vielen feinen Ausschlägen aller Erregungskurven nachzuzeichnen und sie uns doch entschieden auf Distanz zu halten. Wir nehmen echten Anteil an dem Schicksal, in das sie sich so hoffnungslos verstricken, und wissen durchweg, dass jemand hier im Hintergrund die Fäden zieht und sie daran nur allzu gerne zappeln sieht. Und dem reichen Personal an Nebendarstellern, zumeist Whartons eigener Klasse der Ostküstenbonzen entstammend, widmet die Erzählerin ohnehin nur ihre allerfeinste Intimboshaftigkeit.

Denn natürlich schlägt der Pakt von Nick und Susy fehl. So abgebrüht, wie sie sich gerne sähen, können sie im Stellungs- und Intrigenspiel der Luxusfreunde nicht mithalten. Nach einem traumhaften Gondelsommer in Venedig, bei dem sämtliche romantische Bezauberung allein durch Lug und Trug aufrechtzuhalten war, versagen Nick die Nerven; er reist ab und gibt damit den fatalen Stoß, der Schlafwandler ins Wanken bringt. Alle weiteren Verwicklungen, die sich daraus ergeben, sind eine Serie unerwarteter Gefühlsaufwallungen und schönster Missverständnisse, denen die Erzählung, zwischen den Erlebnisperspektiven beider Betroffenen beständig pendelnd, lustvoll folgt und uns damit bis hin zur dröhnend glücklichen Versöhnung in Atem hält. Denn bis zum Happy End müssen wir rätseln, ob Leute, die so lange ohne rechte Bodenhaftung leben können, wirklich schweben oder letztlich fallen.

Als der Roman - ihr dreizehnter - erschien, war die Autorin sechzigjährig, auf dem Zenit ihres Ruhms und sollte in den folgenden fünfzehn Jahren noch fast die Hälfte ihres OEuvres schreiben. Im Jahr zuvor war sie für "Zeit der Unschuld" mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden, als erste Frau überhaupt, im Jahr darauf erhielt sie in Yale, wiederum als erste Frau, die Ehrendoktorwürde. Und als wolle sie der Welt mitteilen, wie unbeeindruckt eine wahre Könnerin von solcherlei Triumphen bleibt, schrieb sie dazwischen gleich noch einen weiteren Roman, so souverän wie routiniert, der selbstverständlich ebenfalls zum Bestseller wurde.

Dabei sollten wir uns von der leichten Hand, die hier am Werke scheint, nicht täuschen lassen. Wharton beherrscht nicht nur ihr Handwerk, sondern versteht sich glänzend auch darauf, ihre berühmten Schriftstellerkollegen wie Thomas Mann und Henry James gleichermaßen zu ehren wie zu parodieren. Nick Lansing ist, selbst wenn er keine Knaben liebt, so etwas wie der ferne Vetter Gustav Aschenbachs, dem im entscheidenden Moment sein Puritanismus in die Quere kommt und ihn vom dionysischen Durchbruch abhält. Und gleich im Eröffnungssatz, der mit dem nachgestellten Subjekt erkennbar eine Stilmarotte übernimmt, zollt Wharton ihrem unlängst verstorbenen Freund Henry James Tribut, dessen große Venedig-Phantasie und wahrhaft erschütternde Gefühlsseismographie "Die Flügel der Taube" von 1902 sie hier kurzerhand ins Komische verkehrt. In beiden Fällen geht es darum zu erkunden, auf welche Weise sich Affekte zu unseren Gunsten kalkulieren und um welchen Preis sie sich je kontrollieren lassen. Was bei James zu Tod und Trennung führt, rettet Wharton durch beherzten Zugriff vor der Katastrophe.

So ist es zweifellos erfreulich, dass wir nun durch einen engagierten Kleinverlag zur Wiederbegegnung mit "The Glimpses of the Moon" geladen sind (Inge Leipolds alte Übersetzung, unter anderem Titel bereits 1995 erschienen, hätte aber besser neu bearbeitet werden sollen). Doch wenn man bedenkt, dass von Edith Whartons vielen Büchern nicht annähernd die Hälfte bislang übersetzt, an sehr verstreuten Orten publiziert und noch weniger überhaupt lieferbar sind, wünschen wir uns endlich einen mutigen Verlag, der dieser Meisterin der Moderne eine deutsche Werkausgabe widmet. Denn auch für Lesesüchtige gilt die Maxime, dass man sie niemals stören oder wecken darf, solange sie sich ihren Traumtexten hingeben.

TOBIAS DÖRING

Edith Wharton: "Traumtänzer". Roman.

Aus dem Englischen von Inge Leipold. Edition Ebersbach, Berlin 2012. 422 S., geb., 24,80 [Euro].

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