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Spannend und gruselig, humorvoll und traurig - das sind die Geschichten des Waisenjungen Tom Sawyer und des jungen Landstreichers Huckleberry Finn. Im tiefsten amerikanischen Süden, an den Ufern des Mississippi, hecken sie ihre Streiche aus, bahnt sich die erste Liebe an und bringt sie ihre ungestüme Abenteuerlust in manch eine gefährliche Situation. Doch die gemeinsamen Erlebnisse finden ein Ende, als Huck vor seinem gewalttätigen Vater fliehen muss. Mit dem entlaufenen Sklaven Jim begibt er sich auf eine waghalsige Floßfahrt den Mississippi hinunter... Die beiden Romane Mark Twains (183...
Spannend und gruselig, humorvoll und traurig - das sind die Geschichten des Waisenjungen Tom Sawyer und des jungen Landstreichers Huckleberry Finn. Im tiefsten amerikanischen Süden, an den Ufern des Mississippi, hecken sie ihre Streiche aus, bahnt sich die erste Liebe an und bringt sie ihre ungestüme Abenteuerlust in manch eine gefährliche Situation. Doch die gemeinsamen Erlebnisse finden ein Ende, als Huck vor seinem gewalttätigen Vater fliehen muss. Mit dem entlaufenen Sklaven Jim begibt er sich auf eine waghalsige Floßfahrt den Mississippi hinunter... Die beiden Romane Mark Twains (1835-1910), die in kritisch-satirischer Weise die amerikanische Gesellschaft seiner Zeit beschreiben, sind Klassiker der Jugendliteratur. Doch wollte Mark Twain auch "die Erwachsenen auf unterhaltsame Weise an ihre eigene Kindheit erinnern".
Produktdetails
- Verlag: Bassermann
- 4. Aufl. Sonderausg.
- Seitenzahl: 591
- Altersempfehlung: 10 bis 12 Jahre
- Erscheinungstermin: 3. Dezember 2009
- Abmessung: 215mm x 155mm
- Gewicht: 780g
- ISBN-13: 9783809425731
- ISBN-10: 3809425737
- Artikelnr.: 26924816
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Sein oder Nichtsein, das ist des Pudels Kern
Die Nachricht von seinem Ableben ist auch zu seinem hundertsten Todestag noch verfrüht: Eine Neuübersetzung von Mark Twains "Tom Sawyer" und "Huckleberry Finn" gibt Lesern allen Alters die schönste literarische Frühprägung zurück.
Von Markus Gasser
Für ihn log keiner: Noch am Schluss seines langen Lebens sollte sich Mark Twain genau an jenen Tag erinnern, da Livy ihm beteuert hatte, sie würde ihn niemals lieben, doch zu einem guten Christen erziehen können - nur weil keiner für ihn lügen wollte.
Verwildert und faul, nikotinsüchtig und gottlos: Als Vater Langdon dem Verlöbnis seiner Lieblingstochter Livy mit dem nicht mehr ganz jungen Samuel Clemens aus
Die Nachricht von seinem Ableben ist auch zu seinem hundertsten Todestag noch verfrüht: Eine Neuübersetzung von Mark Twains "Tom Sawyer" und "Huckleberry Finn" gibt Lesern allen Alters die schönste literarische Frühprägung zurück.
Von Markus Gasser
Für ihn log keiner: Noch am Schluss seines langen Lebens sollte sich Mark Twain genau an jenen Tag erinnern, da Livy ihm beteuert hatte, sie würde ihn niemals lieben, doch zu einem guten Christen erziehen können - nur weil keiner für ihn lügen wollte.
Verwildert und faul, nikotinsüchtig und gottlos: Als Vater Langdon dem Verlöbnis seiner Lieblingstochter Livy mit dem nicht mehr ganz jungen Samuel Clemens aus
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Hannibal, Missouri, nur dann zustimmen wollte, wenn dieser die denkbar günstigsten Referenzen vorzuweisen hatte, wussten sich die Verfasser der sechs eingeholten Leumundszeugnisse vor Enthusiasmus ob Sams Lasterhaftigkeit kaum zu fassen. Ein ehemaliger Sonntagsschullehrer wunderte sich gar, dass dieser Clemens nicht Dorfsäufer geworden und längst unter der Erde sei - obwohl der, unter dem bald berühmtesten Pseudonym der Welt, mit seinen Vortragstourneen bereits zu einer Art Buffalo Bill der Stegreifkomik geworden war. "Haben Sie denn gar keine Freunde, die für Sie lügen können?", fragte Vater Langdon, den bereits der Krebs zerfraß: "Niemand, der Zeugnis ablegt für Sie? Dann will ich es tun."
Die Empfehlungsschreiben wären für Tom Sawyer und Huckleberry Finn kaum löblicher ausgefallen: Als Tom in seinen "Abenteuern", sieben Jahre nach Sams Verlobung mit Livy verfasst, an einem Montagmorgen vor einem prügelfreudigen Lehrer wagt, seine Verspätung damit zu legitimieren, er habe Huck Finn, Sohn des Dorfsäufers, getroffen, kommt dies einer Gotteslästerung gleich, die nur mit gründlichen Gertenschlägen gesühnt werden kann. Dafür aber darf Tom neben Becky Thatcher sitzen, die ihn von fern bereits betörte: in einer zielgenauen Parodie auf alle Werther-Gefühligkeit.
Und doch hat es Mark Twain in Sachen Erotik selten so hintergründig ernst gemeint wie in jener Szene, da sich Becky und Tom Sawyer abwechselnd an einem Kaugummi gütlich tun: Lediglich der drohende Hungertod und Indianer Joe verhindern verhohlen, dass Tom und Becky später - wie ein etwas grober Interpret einmal meinte - "im Höhlenlabyrinth übereinander herfallen". Unter den vielen Besuchern im gotischen Dampfschiffschloss der Familie Twain in Connecticut war es ein running gag, dass Becky Livy war. Sam hatte sie sich mit seinen Briefen erobert, und die beiden liebten einander bis ins Alter so sehr, dass sie von Zimmer zu Zimmer Depeschen schickten, als ein Arzt - "ein Medizinmann" laut Twain - ihm die Besuche bei der herzkranken Livy verbot; die Vögel draußen im Garten bat er darum, behutsamer zu singen, um Livys Bettruhe nicht zu stören. Gemeinsam mit seinen drei Töchtern war sie seine erste Lektorin: Er ahnte voraus, was sie ihm streichen würde, und versetzte seine Manuskripte - zum endlosen Hörgenuss seiner Töchter - mit den ausgefeiltesten Scheußlichkeiten, damit sie das, was er "drinhaben" wollte, unbeanstandet beließ. Sie war das fehlbare Jüngste Gericht seiner Meisterschaft: "Manchmal strich sie zu wenig weg, und ich strich es selbst. Es hatte seine Schuldigkeit getan: Meine Töchter hatten gelacht (und Livy auch)." Zu einem guten Christen - gottesinnig, alkohol- und zigarrenfrei - erzog sie ihn nie. Kaum dass sie verheiratet waren, ging das Gezerre um seine Laster los, das er, ein Meister in der Kunst, mit dem Rauchen nicht aufzuhören, immer zu seinen Gunsten entschied: "Wenn Du es wirklich wünschst, schwöre ich den Zigarren ab - Du würdest Deine Kirchenbesuche ja auch einstellen, wenn ich Dich darum bäte." Deshalb auch schlägt in "Huckleberry Finns Abenteuern" dessen "Sivilisierung" durch die Witwe Douglas so glücklich fehl, die Huck im "Tom Sawyer" vor der Verstümmelung durch Indianer Joe gerettet hat. Livy liebte das Buch.
Bei der Witwe hat Huck gerade genug Orthographie eingepaukt bekommen, um seine Memoiren überhaupt schreiben zu können - wenn auch in einer Haltung, die gegen alles verstößt, was in den Vereinigten Staaten des neunzehnten Jahrhunderts als "Zivilisation" herhalten musste: gegen den Glauben, "Neger" seien eine zur Versklavung bestimmte "Rasse"; gegen das verbriefte Recht, jeder dürfe eine Waffe mit sich führen, gegen religiöse Erweckungshysterie, Gebote zur richtigen Lebensführung und - mit Shakespeares Werken als Himmelsleiter - das "schöne Schreiben", um das sich Huck so wenig schert wie um den biblischen Moses. "Denn Tote interessieren mich nicht die Bohne."
Für Twain war das Englisch der Briten eine tote Sprache wie Latein; Hawthorne, Melville und Henry James, obschon gebürtige Amerikaner, gaben sich europäischer als jeder Europäer und ließen ihr Publikum bald hinter sich. Mark Twain indes, "immer auf der Jagd nach dem größeren Wild, den Massen", setzte - auch wider die Europa blind nacheifernden Vereinigten Staaten - mit seinem "Huckleberry Finn" die Unabhängigkeitserklärung für die Literatur Amerikas auf. Würde er dort heute erstmals erscheinen, wären die Kritiker trotz aller Begeisterung über "the Great American Novel" irritiert davon, wie fleißig er dafür in den Wäldern Kiplings, Faulkners, Hemingways, Kerouacs, Bellows, Mailers, Salingers, Vonneguts, Bob Dylans, Toni Morrisons und García Márquez' gewildert hat. Kein anderes Werk sollte Clemens derart ausgiebig Gelegenheit geben, Mark Twain zu sein, da er sich fast sieben Jahre in die Rolle Huck Finns verschloss. Sein Roman wurde auch deshalb zum Mythos, weil wir während der Lektüre wie unter Zauberbann Huck Finn sind und damit Mark Twain: ein Erwachsener in Teenagergestalt. Und dabei fiel ihm nichts schwerer als dieses Buch.
Verzweifelt war er mehrmals nahe daran, das Manuskript zu verbrennen. Erst als er seinen Mississippi erneut bereist hatte, um erleben zu müssen, dass nach dem Bürgerkrieg die Sklavenbefreiung im Süden missraten war, wuchs sich die geplante Fortsetzung des "Tom Sawyer" zu dessen hell-düsterem Gegenstück aus. Wie er dafür täglich seinen Federhalter "im Höllenfeuer gehärtet" hatte, blieb lange unbemerkt: Gleich Swift mit seinem "Gulliver" wollte auch Twain die Menschheit verurteilen - und hinterließ wider Willen in aberhundert gesäuberten Ausgaben ein Jugendbuch. So meint auch ein jeder, er wüsste, was drinsteht: Ebenso wenig wie die "Odyssee" davon handelt, dass einer übers Meer nach Hause fährt, um die Freier seiner Frau zu massakrieren, sind im "Huckleberry Finn" ein vierzehnjähriger Zuckerfassbewohner und "Nigger Jim" einfach nur ein paar leichtfertige Abenteuer lang den Mississippi stromabwärts in Richtung Freiheit unterwegs. Denn wo auch immer sie ihr Floß vertäuen, geraten sie in verschlafene Höllen, die sich als Dorfidyllen tarnen, an lynchfröhliche Mobs und sinnlos verfehdete Sippen, die den abendländischen Rosenkriegsadel imitieren, und an zwei Halunken, die sich als "König" und "Herzog" ausgeben und - in einer paradoxen Volte gegen Europa und amerikanischen Europa-Enthusiasmus - Shakespeare-Monologe mit Hilfe Goethes verunstaltend neu arrangieren: "Sein oder Nichtsein, das ist des Pudels Kern."
In einer solchen Welt kommt man ohnehin nur mit Lügen durch, und so wie Huck den Autor von "Tom Sawyer" anfangs der Flunkerei bezichtigt hat, so lügt er für Jim, den entlaufenen Sklaven. Der ist immerhin seine dreihundert Dollar wert, und es hat in der Literatur selten einen berührenderen Moment gegeben als den, da Huck hin- und hergerissen ist zwischen dem ihm angetrimmten Gewissen, das darin, Jim nicht zu verraten, eine Todsünde sieht, und seinem Mitleidsinstinkt: Er entscheidet sich zugunsten Jims und glaubt, nun zur Hölle fahren zu müssen: "All right, then, I'll go to hell." Im Gegensatz zu Tom Sawyers angelesenem Pathos, das Walter Scott nachahmt und Alexandre Dumas, ist Hucks Gemüt existentiell von Grund auf: Tom spielt Angst, Huck hat sie, und nichts peinigt den Leser mehr als jene grotesken Schlusskapitel, in denen Tom den vom "König" verkauften Jim zu befreien plant. Sie lösen bis heute schärfste Polemiken aus und sind prekär doch nur auf den ersten Blick.
Andreas Nohls gepflegte Neuübersetzung beweist, dass der Roman noch schwerer ins Deutsche zu übersetzen sein dürfte als ins Englische die österreichische Simon-Brenner-Suada von Wolf Haas. Sein Verlag verspricht, Nohl hätte im Nachwort eine Neuinterpretation dieser Schlusskapitel zu bieten - mit der sich 1950 allerdings schon T. S. Eliot behalf: Twain hätte versucht, am Schluss den Kreis zu "Tom Sawyer" zu schließen. Das ist, wenn man Twains Gesamtwerk und Romannotizen kennt, so ungenau wie irrelevant: Dass Tom Jim einem Fluchtplan unterjocht, obwohl der längst frei ist, nur um seine aus abendländischer Literatur, aus Casanova, Scott und Dumas zusammengekleisterten Phantasien befriedigen zu können, ist die finale Kritik an einem Europa, das gerne vergisst, wer mit der Versklavung der afrikanischstämmigen Menschheit begonnen hat. Da Tom Jim für seine literarischen Spielchen ein weiteres Mal zum "Nigger" erniedrigt, beendet Huck sein Buch mit der Absage an alle Literatur, auch an die eigene: Hätte er gewusst, wie schwer es sei, "ein Buch zu machen", hätte er es erst gar nicht versucht, und "ich tu's bestimmt nicht noch einmal". Der letzte Ausweg, der ihm bleibt, die Flucht vor dieser "Sivilisation" gen Westen, steht im langen Schatten von Jims Prophezeiung, Huck werde am Galgen enden: Twain hatte zehnjährig dem langsamen Galgentod des "Niggerfreunds" Robert Hardy zusehen müssen, "die lieben Leute kamen von weit her und machten mit Kind und Kegel, Apfelwein und Kuchen ein Picknick daraus". Für solcherlei werde, erboste sich der "huckophile" Faulkner, der ganze Süden bis zum Weltenende büßen müssen.
So empfindet nicht erst der calvinistische Moral-Erblasten tragende Calvin Burden aus Faulkners "Licht im August" die Sklaverei als Fluch, den die weiße Rasse über sich brachte - Twain dehnte ihn zunächst auf seine Familie, die von Sklavenhaltern abstammte, und zuletzt auf die ganze Menschheit aus: "Ich kann mir nicht helfen", gestand er, "ich bin von Adam und Eva enttäuscht." Ein Jahr vor seinem Tod war er vor lauter Bitterkeit nicht imstande, der Beerdigung seiner Tochter Jean beizuwohnen, die ihm bei einem epileptischen Anfall am Weihnachtstag in der Badewanne ertrunken war. "Jedes Haus, das ich bewohne, weihen die Geister meiner Toten für mich ein."
Seine Frau und zwei seiner Töchter hatte er überlebt, und im letzten Jahrzehnt kleidete er sich nurmehr in weißen Flanell: wie ein Kind, das sich vorm Dunkel fürchtet und seine Eltern bittet, über Nacht das Licht brennen zu lassen. Einmal erreichte die Nachricht von seinem Ableben die betrübte Öffentlichkeit, und prompt konterte Twain telegraphisch, die Nachricht sei grob übertrieben. Ins Grab hetzen ließ er sich nicht; zuallerletzt erwartete er sich davon "eine erste ruhige Nacht". Das Wort "Unsterblichkeit", zu oft geringeren Autoren angemessen, versteht sich hier ganz von selbst.
"Haben Sie denn gar keine Freunde, die für Sie lügen und Zeugnis ablegen können?" Wer würde da nicht mit Vater Langdon sagen: "Ich will es tun"?
Mark Twain: "Tom Sawyer & Huckleberry Finn". Herausgegeben und neu übersetzt von Andreas Nohl. Hanser Verlag, München 2010. 711 S., geb., 34,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Empfehlungsschreiben wären für Tom Sawyer und Huckleberry Finn kaum löblicher ausgefallen: Als Tom in seinen "Abenteuern", sieben Jahre nach Sams Verlobung mit Livy verfasst, an einem Montagmorgen vor einem prügelfreudigen Lehrer wagt, seine Verspätung damit zu legitimieren, er habe Huck Finn, Sohn des Dorfsäufers, getroffen, kommt dies einer Gotteslästerung gleich, die nur mit gründlichen Gertenschlägen gesühnt werden kann. Dafür aber darf Tom neben Becky Thatcher sitzen, die ihn von fern bereits betörte: in einer zielgenauen Parodie auf alle Werther-Gefühligkeit.
Und doch hat es Mark Twain in Sachen Erotik selten so hintergründig ernst gemeint wie in jener Szene, da sich Becky und Tom Sawyer abwechselnd an einem Kaugummi gütlich tun: Lediglich der drohende Hungertod und Indianer Joe verhindern verhohlen, dass Tom und Becky später - wie ein etwas grober Interpret einmal meinte - "im Höhlenlabyrinth übereinander herfallen". Unter den vielen Besuchern im gotischen Dampfschiffschloss der Familie Twain in Connecticut war es ein running gag, dass Becky Livy war. Sam hatte sie sich mit seinen Briefen erobert, und die beiden liebten einander bis ins Alter so sehr, dass sie von Zimmer zu Zimmer Depeschen schickten, als ein Arzt - "ein Medizinmann" laut Twain - ihm die Besuche bei der herzkranken Livy verbot; die Vögel draußen im Garten bat er darum, behutsamer zu singen, um Livys Bettruhe nicht zu stören. Gemeinsam mit seinen drei Töchtern war sie seine erste Lektorin: Er ahnte voraus, was sie ihm streichen würde, und versetzte seine Manuskripte - zum endlosen Hörgenuss seiner Töchter - mit den ausgefeiltesten Scheußlichkeiten, damit sie das, was er "drinhaben" wollte, unbeanstandet beließ. Sie war das fehlbare Jüngste Gericht seiner Meisterschaft: "Manchmal strich sie zu wenig weg, und ich strich es selbst. Es hatte seine Schuldigkeit getan: Meine Töchter hatten gelacht (und Livy auch)." Zu einem guten Christen - gottesinnig, alkohol- und zigarrenfrei - erzog sie ihn nie. Kaum dass sie verheiratet waren, ging das Gezerre um seine Laster los, das er, ein Meister in der Kunst, mit dem Rauchen nicht aufzuhören, immer zu seinen Gunsten entschied: "Wenn Du es wirklich wünschst, schwöre ich den Zigarren ab - Du würdest Deine Kirchenbesuche ja auch einstellen, wenn ich Dich darum bäte." Deshalb auch schlägt in "Huckleberry Finns Abenteuern" dessen "Sivilisierung" durch die Witwe Douglas so glücklich fehl, die Huck im "Tom Sawyer" vor der Verstümmelung durch Indianer Joe gerettet hat. Livy liebte das Buch.
Bei der Witwe hat Huck gerade genug Orthographie eingepaukt bekommen, um seine Memoiren überhaupt schreiben zu können - wenn auch in einer Haltung, die gegen alles verstößt, was in den Vereinigten Staaten des neunzehnten Jahrhunderts als "Zivilisation" herhalten musste: gegen den Glauben, "Neger" seien eine zur Versklavung bestimmte "Rasse"; gegen das verbriefte Recht, jeder dürfe eine Waffe mit sich führen, gegen religiöse Erweckungshysterie, Gebote zur richtigen Lebensführung und - mit Shakespeares Werken als Himmelsleiter - das "schöne Schreiben", um das sich Huck so wenig schert wie um den biblischen Moses. "Denn Tote interessieren mich nicht die Bohne."
Für Twain war das Englisch der Briten eine tote Sprache wie Latein; Hawthorne, Melville und Henry James, obschon gebürtige Amerikaner, gaben sich europäischer als jeder Europäer und ließen ihr Publikum bald hinter sich. Mark Twain indes, "immer auf der Jagd nach dem größeren Wild, den Massen", setzte - auch wider die Europa blind nacheifernden Vereinigten Staaten - mit seinem "Huckleberry Finn" die Unabhängigkeitserklärung für die Literatur Amerikas auf. Würde er dort heute erstmals erscheinen, wären die Kritiker trotz aller Begeisterung über "the Great American Novel" irritiert davon, wie fleißig er dafür in den Wäldern Kiplings, Faulkners, Hemingways, Kerouacs, Bellows, Mailers, Salingers, Vonneguts, Bob Dylans, Toni Morrisons und García Márquez' gewildert hat. Kein anderes Werk sollte Clemens derart ausgiebig Gelegenheit geben, Mark Twain zu sein, da er sich fast sieben Jahre in die Rolle Huck Finns verschloss. Sein Roman wurde auch deshalb zum Mythos, weil wir während der Lektüre wie unter Zauberbann Huck Finn sind und damit Mark Twain: ein Erwachsener in Teenagergestalt. Und dabei fiel ihm nichts schwerer als dieses Buch.
Verzweifelt war er mehrmals nahe daran, das Manuskript zu verbrennen. Erst als er seinen Mississippi erneut bereist hatte, um erleben zu müssen, dass nach dem Bürgerkrieg die Sklavenbefreiung im Süden missraten war, wuchs sich die geplante Fortsetzung des "Tom Sawyer" zu dessen hell-düsterem Gegenstück aus. Wie er dafür täglich seinen Federhalter "im Höllenfeuer gehärtet" hatte, blieb lange unbemerkt: Gleich Swift mit seinem "Gulliver" wollte auch Twain die Menschheit verurteilen - und hinterließ wider Willen in aberhundert gesäuberten Ausgaben ein Jugendbuch. So meint auch ein jeder, er wüsste, was drinsteht: Ebenso wenig wie die "Odyssee" davon handelt, dass einer übers Meer nach Hause fährt, um die Freier seiner Frau zu massakrieren, sind im "Huckleberry Finn" ein vierzehnjähriger Zuckerfassbewohner und "Nigger Jim" einfach nur ein paar leichtfertige Abenteuer lang den Mississippi stromabwärts in Richtung Freiheit unterwegs. Denn wo auch immer sie ihr Floß vertäuen, geraten sie in verschlafene Höllen, die sich als Dorfidyllen tarnen, an lynchfröhliche Mobs und sinnlos verfehdete Sippen, die den abendländischen Rosenkriegsadel imitieren, und an zwei Halunken, die sich als "König" und "Herzog" ausgeben und - in einer paradoxen Volte gegen Europa und amerikanischen Europa-Enthusiasmus - Shakespeare-Monologe mit Hilfe Goethes verunstaltend neu arrangieren: "Sein oder Nichtsein, das ist des Pudels Kern."
In einer solchen Welt kommt man ohnehin nur mit Lügen durch, und so wie Huck den Autor von "Tom Sawyer" anfangs der Flunkerei bezichtigt hat, so lügt er für Jim, den entlaufenen Sklaven. Der ist immerhin seine dreihundert Dollar wert, und es hat in der Literatur selten einen berührenderen Moment gegeben als den, da Huck hin- und hergerissen ist zwischen dem ihm angetrimmten Gewissen, das darin, Jim nicht zu verraten, eine Todsünde sieht, und seinem Mitleidsinstinkt: Er entscheidet sich zugunsten Jims und glaubt, nun zur Hölle fahren zu müssen: "All right, then, I'll go to hell." Im Gegensatz zu Tom Sawyers angelesenem Pathos, das Walter Scott nachahmt und Alexandre Dumas, ist Hucks Gemüt existentiell von Grund auf: Tom spielt Angst, Huck hat sie, und nichts peinigt den Leser mehr als jene grotesken Schlusskapitel, in denen Tom den vom "König" verkauften Jim zu befreien plant. Sie lösen bis heute schärfste Polemiken aus und sind prekär doch nur auf den ersten Blick.
Andreas Nohls gepflegte Neuübersetzung beweist, dass der Roman noch schwerer ins Deutsche zu übersetzen sein dürfte als ins Englische die österreichische Simon-Brenner-Suada von Wolf Haas. Sein Verlag verspricht, Nohl hätte im Nachwort eine Neuinterpretation dieser Schlusskapitel zu bieten - mit der sich 1950 allerdings schon T. S. Eliot behalf: Twain hätte versucht, am Schluss den Kreis zu "Tom Sawyer" zu schließen. Das ist, wenn man Twains Gesamtwerk und Romannotizen kennt, so ungenau wie irrelevant: Dass Tom Jim einem Fluchtplan unterjocht, obwohl der längst frei ist, nur um seine aus abendländischer Literatur, aus Casanova, Scott und Dumas zusammengekleisterten Phantasien befriedigen zu können, ist die finale Kritik an einem Europa, das gerne vergisst, wer mit der Versklavung der afrikanischstämmigen Menschheit begonnen hat. Da Tom Jim für seine literarischen Spielchen ein weiteres Mal zum "Nigger" erniedrigt, beendet Huck sein Buch mit der Absage an alle Literatur, auch an die eigene: Hätte er gewusst, wie schwer es sei, "ein Buch zu machen", hätte er es erst gar nicht versucht, und "ich tu's bestimmt nicht noch einmal". Der letzte Ausweg, der ihm bleibt, die Flucht vor dieser "Sivilisation" gen Westen, steht im langen Schatten von Jims Prophezeiung, Huck werde am Galgen enden: Twain hatte zehnjährig dem langsamen Galgentod des "Niggerfreunds" Robert Hardy zusehen müssen, "die lieben Leute kamen von weit her und machten mit Kind und Kegel, Apfelwein und Kuchen ein Picknick daraus". Für solcherlei werde, erboste sich der "huckophile" Faulkner, der ganze Süden bis zum Weltenende büßen müssen.
So empfindet nicht erst der calvinistische Moral-Erblasten tragende Calvin Burden aus Faulkners "Licht im August" die Sklaverei als Fluch, den die weiße Rasse über sich brachte - Twain dehnte ihn zunächst auf seine Familie, die von Sklavenhaltern abstammte, und zuletzt auf die ganze Menschheit aus: "Ich kann mir nicht helfen", gestand er, "ich bin von Adam und Eva enttäuscht." Ein Jahr vor seinem Tod war er vor lauter Bitterkeit nicht imstande, der Beerdigung seiner Tochter Jean beizuwohnen, die ihm bei einem epileptischen Anfall am Weihnachtstag in der Badewanne ertrunken war. "Jedes Haus, das ich bewohne, weihen die Geister meiner Toten für mich ein."
Seine Frau und zwei seiner Töchter hatte er überlebt, und im letzten Jahrzehnt kleidete er sich nurmehr in weißen Flanell: wie ein Kind, das sich vorm Dunkel fürchtet und seine Eltern bittet, über Nacht das Licht brennen zu lassen. Einmal erreichte die Nachricht von seinem Ableben die betrübte Öffentlichkeit, und prompt konterte Twain telegraphisch, die Nachricht sei grob übertrieben. Ins Grab hetzen ließ er sich nicht; zuallerletzt erwartete er sich davon "eine erste ruhige Nacht". Das Wort "Unsterblichkeit", zu oft geringeren Autoren angemessen, versteht sich hier ganz von selbst.
"Haben Sie denn gar keine Freunde, die für Sie lügen und Zeugnis ablegen können?" Wer würde da nicht mit Vater Langdon sagen: "Ich will es tun"?
Mark Twain: "Tom Sawyer & Huckleberry Finn". Herausgegeben und neu übersetzt von Andreas Nohl. Hanser Verlag, München 2010. 711 S., geb., 34,90 [Euro].
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Die Jungen Tom Saywer und Huckleberry Finn sind gut befreundet.Als sie Nachts auf dem Friedhof etwas ausprobieren wollen,werden beide Zeugen eines Mords.Da beginnt ihr großes Abenteuer.<br />Die Geschichte ist spannend und interessant,denn sie müssen vor dem Mörder flüchten.
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Die Jungen Tom Saywer und Huckleberry Finn sind gut befreundet.Als sie Nachts auf dem Friedhof etwas ausprobieren wollen,werden beide Zeugen eines Mords.Da beginnt ihr großes Abenteuer.<br />Die Geschichte ist spannend und interessant,denn sie müssen vor dem Mörder flüchten.
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Die Geschichte spielt zur Zeit der Raddampfer auf dem Mississippi.Es handelt von zwei abenteuerlustigen Jungen.Tom Sawyer, der sich weigert zur Schule zu gehen,ist am liebsten mit seinem Freund Huckleberry Finn zusammen,der im Wald lebt.Statt sich zu waschen, werden Flöße und …
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Die Geschichte spielt zur Zeit der Raddampfer auf dem Mississippi.Es handelt von zwei abenteuerlustigen Jungen.Tom Sawyer, der sich weigert zur Schule zu gehen,ist am liebsten mit seinem Freund Huckleberry Finn zusammen,der im Wald lebt.Statt sich zu waschen, werden Flöße und Baumhöhlen gebaut;statt Hausaufgaben zu machen, werden Streiche ausgeheckt.
Natürlich geht es in diesem Buch auch um ein Mädchen,denn Tom verliebt sich in Betty.
Huck macht sich noch nichts aus Mädchen,sondern raucht lieber Pfeife und sucht Goldschätze.Spannend wird es, als der Vater von Huck auftaucht und mit einem Messer auf ihn los geht.<br />Fast jedes Kind träumt von solchen Abenteuern ,wie Tom und Huck sie erleben.Außerdem ist dieses Buch so gut geschrieben,dass man nicht aufhören kann darin zu lesen.
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Kiddix bringt seit kurzem wieder die alten Kiosk Hörspiele auf CD heraus, darunter auch Tom Sawyer und Huckleberry Finn, die es in den 80er Jahren, der Zeit der Kassettenkinder, auf 6 Kassetten gab. Heute gibt es sie im Schuber auf CD, bzw. als Download.
Episode 1-6 umfassen dabei den ersten …
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Kiddix bringt seit kurzem wieder die alten Kiosk Hörspiele auf CD heraus, darunter auch Tom Sawyer und Huckleberry Finn, die es in den 80er Jahren, der Zeit der Kassettenkinder, auf 6 Kassetten gab. Heute gibt es sie im Schuber auf CD, bzw. als Download.
Episode 1-6 umfassen dabei den ersten Band, die Abenteuer des Tom Sawyer
Episode 1 - Das Abenteuer Auf Dem Kirchhof Und Noch Viel Mehr
Episode 2 - Die Abenteuerliche Floßfahrt & Der Mordprozess
Episode 3 - Die Abenteuer In Der Höhle & Die Schatztruhe
Episode 4-6 erzählen den zweiten Band, die Abenteuer des Huckleberry Finn
Episode 4 - Das Abenteuer Auf Dem Schiffswrack & Vagabundenleben
Episode 5 - Das Abenteuer Um Eine Gestohlene Erbschaft Und Noch Viel Mehr
Episode 6 - Das Aufregende Abenteuer Um Jims Befreiung
Nachdem ich bereits mehrere Hörspiele, die auf diesem berühmten Roman von Mark Twain beruhen, gehört habe, muss ich sagen, das ist das bisher erste, das sich wirklich an die Buchvorlage hält und kaum etwas auslässt. Natürlich wird teilweise minimal gekürzt, aber es hält sich soweit in Grenzen, nur bei Huckleberry Finn fällt dieser Erweckungspredigtenjahrmarkt weg und statt eines Schweins tötet er einige Hühner, um seinen Tod vorzutäuschen.
Es handelt sich bei dieser Produktion jedoch um ein typisches Kinderhörspiel der 80er Jahre, mit dem damals üblichen Erzählstil. Der Erzähler ist dabei aus heutiger Sicht sehr dominant. Was heutzutage eher durch Geräusche und Effekte erzählt wird, wird hier, wie im Buch, durch den Erzähler übernommen. Die Kinderrollen sind solide, aber nicht überragend besetzt. Die Kinder machen ihre Sache gut, klingen teilweise aber durchaus abgelesen und leblos bis gestellt. Jim ist für mich eine klare Fehlbesetzung. Mit keinem bis kaum Dialekt klingt er für mich nicht ansatzweise Schwarz, hier ist besonders die SWR Vertonung aus dem Jahr 2003 bisher ungeschlagen. Calvin Burke als Jim ist eben kaum zu toppen.
Erzähler: Claus Biederstaedt
Tom Sawyer: Viktor Schneider
Huckleberry Finn: Mathias Einert
Joe Harper: Joachim Götz
Becky: Claudia Marnitz
Tante Polly: Annaliese Würtz
Lehrer: Hans Bergmann
Doktor: Hans Bergmann
Indianer-Joe: Peter Thom
Muff Potter: Helmut Heyne
Buch: Ruth Scheerbarth, nach Mark Twain
Regie: Ruth Scheerbarth
Ton: Eberhard Sengpiel
Bearbeitung: MARAL
Gitarre: Detlef Wendtland
Produktion: Ruth Scheerbarth
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