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Hetären, Kurtisanen, Mätressen - sie beflügeln die Phantasie und die erotische Imagination. Allein als Kurtisane konnten alleinstehende Frauen im 16. Jahrhundert in Rom zu Wohlstand und Unabhängigkeit gelangen, ohne aus der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden. Die Details des wirklichen Lebens dieser Frauen, das hier erstmals rekonstruiert wird, überraschen uns durch die unvermutete Selbständigkeit der "cortigiane" und durch die ungezwungene Verbindung der Geschlechter in einer stets neuen Mischung aus Liebe und Geschäft.

Produktbeschreibung
Hetären, Kurtisanen, Mätressen - sie beflügeln die Phantasie und die erotische Imagination. Allein als Kurtisane konnten alleinstehende Frauen im 16. Jahrhundert in Rom zu Wohlstand und Unabhängigkeit gelangen, ohne aus der Gesellschaft ausgegrenzt zu werden. Die Details des wirklichen Lebens dieser Frauen, das hier erstmals rekonstruiert wird, überraschen uns durch die unvermutete Selbständigkeit der "cortigiane" und durch die ungezwungene Verbindung der Geschlechter in einer stets neuen Mischung aus Liebe und Geschäft.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.1995

Zeitweise vornehme Dame
Zeitweise auch nicht: Glanz und Elend der römischen Kurtisanen

In der "Kultur der Renaissance in Italien" schildert Jacob Burckhardt einen bemerkenswerten Sonderfall der Antikenrezeption: "Auch der Umgang mit Buhlerinnen nimmt bisweilen einen scheinbaren Aufschwung, als wollte sich das Verhältnis der alten Athener zu ihren Hetären erneuern. Aus allem geht hervor, daß die berühmten und geistreichen Leute, welche diese Damen besuchten und zeitweise mit ihnen lebten, auch geistige Ansprüche an sie stellten und daß man den berühmteren Buhlerinnen mit der größten Rücksicht begegnete; auch nach Auflösung des Verhältnisses suchte man sich ihre gute Meinung zu bewahren, weil die vergangene Leidenschaft doch einen bedeutenden Eindruck für immer zurückgelassen hatte."

Soweit die männliche Perspektive auf das Phänomen "Kurtisanenwesen in der Renaissance". Die Wiener Lektorin für Frauengeschichte, Monica Kurzel-Runtscheiner, versucht jetzt in ihrem Buch "Töchter der Venus" die Chronique scandaleuse der Renaissancekurtisane aus den unseriösen Höhen der Männerphantasien auf den festen Boden wirtschafts- und sozialhistorischer Forschung zurückzuführen. Schon Burckhardt hatte nämlich richtig erkannt, daß die zeitgenössischen Autoren - allen voran Aretino - wohl mehr ihr eigenes Inneres zeichneten "als das jener unglücklichen Klasse, wie sie wirklich war".

Wie es in den Boudoirs der römischen Kurtisanen wirklich gewesen, wie sich die Töchter der Venus ins oft so unheilige Treiben der Ewigen Stadt einfügten, soll erstmals anhand von "authentischem" Quellenmaterial aus römischen Archiven und Bibliotheken dargestellt werden. In fast vierjähriger Forschungstätigkeit hat Kurzel-Runtscheiner Gerichtsakten, Steuerlisten, Testamente und Geschäftsbücher ausgewertet. Diese Quellengattungen stellt sie als "lebensweltliches" Korrektiv Reiseberichten und literarischen Zeugnissen gegenüber, die bisher der Kurtisanenforschung vorwiegend als Quellenbasis gedient hatten. Leider konzentriert sich aber der quellenkritische Impetus der Autorin zu sehr auf einen "Zur Forschungssituation" betitelten Abschnitt im Anhang ihres Buches, wo ein methodisch differenzierter Umgang mit den Quellen gefordert wird, der sich in ihrer eigenen Darstellung nicht immer in ausreichendem Maße finden läßt. Ein ernstzunehmender feministischer Ansatz dürfte sich nicht damit zufriedengeben, die als übertrieben erkannten Stellen bei Aretino sozusagen buchhalterisch um einen gewissen Prozentsatz zu reduzieren. Er müßte dann auch reflektieren, daß "ungefilterte" Verhörprotokolle immer von Männern niedergeschrieben wurden, und müßte generell den Wahrheitsgehalt von Vernehmungsaussagen stärker problematisieren.

Das Buch untersucht die "Glanzzeit der römischen Kurtisanen" Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts, eine Blütezeit des gehobenen horizontalen Gewerbes, die erst durch ein Papsttum beendet wurde, das sich zunehmend der Moralkritik durch den Protestantismus ausgesetzt sah. 1520 wurde als erste Gegenmaßnahme das Konvertitenkloster "Santa Maria Maddalena" für reuige Kurtisanen eingerichtet, und im folgenden wurden dann stärkere Repressalien gegen die Unmoral auf römischem Pflaster eingesetzt: Einschränkung der Freiheit von Testamenten durch die Auflage, ein Fünftel des Vermögens dem genannten Kloster zu hinterlassen, Kleiderordnungen, Verbot des Gebrauchs von Kutschen; harte Strafen gegen Kuppelei, schließlich Ghettoisierung und Ausweisung von Kurtisanen.

Was unterscheidet die Kurtisane von der "normalen" Prostituierten? Und welche Sonderstellung nahm wiederum die römische Kurtisane gegenüber ihren restitalienischen Kolleginnen ein? Immerhin machten in Rom die Kurtisanen und ihre Angehörigen circa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung aus und ließen den Sitz der Kurie so gleichzeitig zur "Welthauptstadt der Prostitution" werden. Selbst Beda Venerabilis' "Stat et Roma" bekommt dadurch einen neuen Beigeschmack, der ähnlich lasziv anmutet wie die Metamorphose der "Roma caput mundi" zur "Roma cauda mundi". Bei ihrer Erklärung dieses Phänomens hebt die Autorin besonders auf die soziale Funktion der Kurtisanen in einer Stadt mit notorischem Männerüberschuß ab: Ob an der Kurie, in den Botschaften der anderen europäischen Staaten, bei Reisenden, Kaufleuten oder Pilgern - überall war akuter Frauenmangel zu verspüren. Die Rolle, die die adlige Dame an den italienischen Renaissancehöfen spielte, wurde in Rom in idealer Weise durch die Kurtisane übernommen. Das "Anforderungsprofil" für die "Cortigiana" erstreckte sich hierbei von der gebildeten Gesellschafterin bis zur raffinierten Bettgesellin - sie mußte nach Aretino "so sehr Hure im Bett, wie überall sonst eine vornehme Dame" sein. Hieraus resultierte die erstaunlich hohe soziale Stellung der Kurtisane, die im Gegensatz zur niederen Prostituierten eben nicht einer Randschicht angehörte, sondern als "ehrbare" Frau behandelt wurde.

Das Kurtisanengewerbe konnte eine ernstzunehmende Alternative für die emanzipierte Frau der Renaissance neben Eheleben und Klosterdasein darstellen. Denn nur hier konnte eine alleinstehende Frau aus der Unterschicht der soziale Aufstieg über das Niveau einer niederen Angestellten hinaus gelingen. Allerdings wurde diese "Berufsentscheidung" nicht immer ganz freiwillig getroffen, sondern häufig von geldgierigen Eltern forciert, die im Verkauf der "hidden treasures" ihrer Töchter eine bequeme Einnahmequelle sahen. Oft stiegen auch Mütter als Kupplerinnen hauptberuflich in das Geschäft ihrer Töchter ein.

Kurzel-Runtscheiner verschweigt aber auch nicht, wie gefährdet die Stellung einer Kurtisane war, definierte sie sich doch bei allem Ansehen immer von Gnaden ihres jeweiligen Liebhabers. Dieser aber genoß häufig gerade den "My-fair-Lady-Effekt", den ihm eine zwischen ordinärer "puttana" und kultivierter "galantdonna" vagierende Kurtisane bot. Der oftmals übertrieben luxuriöse Lebenswandel und die Wertschätzung von Statussymbolen kennzeichnen die Kurtisanen als eine Schicht sozialer Aufsteigerinnen: Die Hure muß mit Macht auch äußerlich zur Dame werden.

Interessant ist auch ein Blick auf die finanzielle Situation der Kurtisanen. Da sie oftmals im Laufe ihres Lebens große Kapitalmengen ansammeln konnten, wurden sie hierdurch nicht nur zu beliebten Opfern von Sondersteuern, sondern es gelang ihnen auch, ihre prekäre Altersversorgung zu sichern - lebensnotwendig für den Moment, an dem sie altersbedingt ihren "Höhepunkt" überschritten hatten.

Geschildert werden uns diese Details aus dem römischen Kurtisanenleben in einer Eloquenz, die selbst Scheherazade zu neidvollem Schweigen verurteilt hätte. "Die Töchter der Venus" sind immer dann lesenswert, wenn Kurzel-Runtscheiner Fallbeispiele und Einzelschicksale aus den Quellen nacherzählend rekonstruiert. Doch wenn der Leser dann aus diesem unmittelbaren Miterleben erzählter Geschichte(n) auftaucht, bemerkt er, daß die Autorin stellenweise zu sehr der Faszination einer Epoche erliegt, die schon den Renaissancismus des 19. Jahrhunderts zum Abfassen farbenfroher historischer Romane verführt hatte. "Der" Renaissancemensch betritt die Bühne "dieser zugleich feinsinnigen, rastlosen und gewalttätigen Zeit". "Paolo Orsini war ein Mensch, der in allem maßlos war: in seiner Verschwendungs- und Genußsucht ebenso wie in seinem Jähzorn, seiner Gewalttätigkeit und seinen Liebesleidenschaften. Als echter Renaissancemensch war er allen leiblichen Genüssen, besonders dem Essen und Trinken, zugetan, so daß er noch als relativ junger Mann für seine unglaubliche Leibesfülle berühmt wurde." Hier weht uns der Geist des Grafen Gobineau an - den Romantikern unter uns werden die "Töchter der Venus" viel gelehrtes Vergnügen bereiten. CHRISTINE TAUBER

Monica Kurzel-Runtscheiner: "Töchter der Venus". Die Kurtisanen Roms im 16. Jahrhundert. C. H. Beck Verlag, München 1995. 320 S., 28 Abb., geb., 58,- DM.

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