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Produktdetails
  • Verlag: comicplus+
  • Originaltitel: Le Decalogue - les conjures
  • Seitenzahl: 56
  • Abmessung: 295mm
  • Gewicht: 285g
  • ISBN-13: 9783894741297
  • Artikelnr.: 11633330
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2003

Zehn Gebote

Hätte der Prophet nicht ein wenig origineller sein können? Oder wollte Mohammed nur die natürliche Überlegenheit des Dezimalsystems beweisen, als er seine eigenen zehn Gebote aufstellte, die der Nachwelt auf dem Schulterknochen eines Kamels überliefert worden sind? Den fand Alain Desnouettes, Offizier in Napoleons Expeditionskorps nach Ägypten. Er zeichnete den Knochen ab, übersetzte die in Hidschasi, einer arabischen Schrift des siebten Jahrhunderts, geschriebenen Zeilen und arbeitete sie in sein 1823 publiziertes Buch mit dem Titel "Nahik" ein, das die Auffindung der zehn unbekannten mohammedanischen Gebote schildert.

Doch schon damals war der Gedanke einer vom Koran abweichenden Offenbarung (das fünfte Gebot etwa lautet "Vergib deinen Feinden", das zehnte "Verkünde Gott durch das gute Beispiel, nicht durch das Schwert") für muslimische Fundamentalisten untragbar, und so haben nur wenige Exemplare von "Nahik" überlebt, die unter Bibliophilen als Rarissima gelten. Allerdings ist auch das Manuskript Desnouettes' mit dessen Aquarellen erhalten geblieben, so daß mehrere Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts sich unabhängig voneinander dieser spektakulären Vorlage bedienen konnten. Der schottische Lektor Simon Broemecke publizierte 2000 seinen Bestseller "Das Zeichen des Propheten", wofür er auf das Manuskript zurückgreifen konnte, während der muslimische Schriftsteller Halid Riza in den Besitz eines Druckexemplars von "Nahik" gekommen war, auf dessen Grundlage er Anfang der neunziger Jahre sein Buch "Die letzte Sure" verfaßte, für das eine fatwa über ihn verhängt wurde. Beide Romanciers starben unter ungeklärten Umständen: Riza wurde auf der Fahrt nach Istanbul im Orientexpreß ermordet, Broemecke ertrank im Jahr 2001 kurz vor Erscheinen seines zweiten Romans "Das Manuskript".

Die Geschichte von "Nahik" liest sich selbst wie ein Roman. Und tatsächlich handelt es sich auch um eine Fiktion, die sich der französische Comic-Szenarist Frank Giroud hat einfallen lassen. Jedem der angeblichen zehn Gebote Mohammeds hat er ein Album gewidmet, und für jeden dieser Bände gewann er einen anderen Zeichner. Erzählt werden, chronologisch zurückgehend, die Geschichten der verschiedenen Eigentümer von "Nahik" seit 1823. "Zehn Gebote", wie der gesamte Zyklus betitelt ist, ist eines der spannendsten Comic-Experimente, und man kann sich kaum genug daran freuen, daß der Verlag Comicplus es gewagt hat, die französische Ausgabe übersetzen zu lassen, denn weder der Autor noch die Zeichner sind hierzulande bekannt. Fünf Bände wurden mittlerweile bereits auf deutsch veröffentlicht, und eins ist sicher: Wenn es um gefährliche Bücher geht, ist kaum ein schönerer Stoff denkbar.

Andreas Platthaus.

Frank Giroud: "Zehn Gebote". Comicplus. 56 beziehungsweise 48 Seiten pro Band. Jeweils 12 [Euro].

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