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Produktdetails
  • Verlag: Konkursbuch
  • 1994.
  • Seitenzahl: 205
  • Deutsch
  • Abmessung: 213mm x 141mm x 18mm
  • Gewicht: 392g
  • ISBN-13: 9783887690823
  • ISBN-10: 3887690826
  • Artikelnr.: 05516948
Autorenporträt
Yoko Tawada wurde 1960 in Tokyo geboren und lebt seit 1982 in Deutschland. Studium in Tokyo, Hamburg und Zürich; Promotion bei Sigrid Weigel. Reisen auf vier Kontinenten. Tawadas zweisprachiges Werk umfasst Lyrik und Prosa, Theater-, Hörspiel- und Operntexte; es wurde in Japan wie in Deutschland vielfach ausgezeichnet (u.a. Gunzô-Literaturpreis, 1991; Akutagawa-Preis, 1993; Chamisso-Preis, 1996; Goethe-Medaille, 2005). Zahlreiche Übersetzungen in weitere Sprachen. 2013 wurde Yoko Tawada mit dem "Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung" ausgezeichnet und 2016 mit dem Kleist-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.1995

In den Falten der Stadt
Yoko Tawada erzählt vom "Tintenfisch auf Reisen"

Die kleine Angestellte Mayuko hat gekündigt. Jetzt möchte sie endlich Tokio kennenlernen. In der Nacht zuvor hat sie das Bild ihrer Stadt im Traum als Greisengesicht gesehen: ". . . ein Gekräusel von feinen Falten, nur in Richtung des Meeres löste sich das Muster allmählich auf." Heute will sie "durch die kleineren Straßen der Stadt ins immer Kleinere und immer Kleinere eindringen" und "auf Straßen gehen, die so klein waren, daß sie die Wärme von Haut ausströmten". Die Erkundung der Stadt führt Mayuko in verrufene Gegenden. Dort dachten "die Frauen . . . nicht darüber nach, ob sie heiraten wollten oder etwa verliebt seien, nein, sie kamen hierher und bezahlten Geld, um in einer Art Experiment herauszufinden, ob ihnen die körperliche Liebe Spaß macht . . .". Später, als sie schließlich einem der Gelegenheitsstrichjungen für Damen gegenübersitzt, konstatiert Mayuko kühl den Mißerfolg ihrer Exkursion. Es bleibt ein Gefühl, "als würde man Zeitschriften lesen und sich langweilen".Das wahre Leben, so die nicht ganz neue, aber gut erzählte Botschaft des Textes, muß in seinen Reproduktionen verlorengegangen sein.

Im letzten Jahr hat Yoko Tawada, die seit über zehn Jahren in Hamburg lebt, mit dem Akutagawa-Sho den wichtigsten japanischen Literaturpreis erhalten. Sie schreibt auch auf deutsch, in der Sprache, in der Yoko Tawada zu publizieren begonnen hat. Daß sie in Deutschland immer noch so gut wie unbekannt ist, mag vielerlei Gründe haben; etwa, daß sie von einem kleinen Verlag betreut wird, oder, daß Kenzaburô Ôe, der den Vorsitz der Jury zur japanischen Preisverleihung innehatte, damals noch nicht Nobelpreisträger war.

Jetzt bringt der konkursbuch-Verlag zwei ältere Titel in Neuauflage. "Wo Europa anfängt", Yoko Tawadas bemerkenswerter Erstling in deutscher Sprache, schildert eine Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn vom äußersten Osten Rußlands nach Moskau. "Das Bad", ein aus dem Japanischen übersetzter "kurzer Roman", entwirft, ausgehend von der allmorgendlichen Verunsicherung durch ein verändertes Gesicht im Spiegel, die schwierige Beziehung einer Tochter zu ihrer durch den Atombombenabwurf über Hiroshima geprägten Mutter.

Die erste der drei Erzählungen des Bandes "Tintenfisch auf Reisen" beschreibt eine seltsame Ehe. Frau und Mann trennt eine stets verschlossene schwarze Tür. Jeden Morgen findet die junge Ehefrau unter einem Becher, neben der dazugehörigen dampfenden Teekanne, einen Geldschein mehr auf dem kleinen Tisch am Kopfende ihres Bettes. Doch den Geldgeber, der sie nur von ein paar Fotografien kennt, bekommt sie nie zu sehen.

Weil sie ihn nie sieht, verwandelt die Frau ihren Mann jeden Tag neu, "bis an die Grenzen ihrer Einbildungskraft". Beispielsweise stellt sie sich vor, er sei noch ein Junge und wolle in seinem verschlossenen Zimmer älter werden und sich bilden, um sie später als ganzer Mann kennenzulernen. Lange Zeit ist die Ich-Erzählerin zufrieden, denn lebten nicht viele Frauen so? Doch je länger der Mann in seinem Zimmer versteckt bleibt, desto neugieriger und ärgerlicher wird sie. Endlich läßt sie das Schloß aufbrechen. Was die Ich-Erzählerin sieht, soll hier nicht verraten werden.

HANS-PETER KUNISCH

Yoko Tawada: Tintenfisch auf Reisen. Drei Geschichten. Aus dem Japanischen übersetzt von Peter Pörtner. konkursbuch-Verlag, Tübingen 1994. 202 Seiten, geb., 29,80 Mark.

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