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Edda Ziegler sieht in ihrer Biographie Theodor Fontane mit neuem, kritischem Blick und enthüllt bisher unbekannte Zusammenhänge zwischen Leben und Werk. Von Gotthard Erler stammen die Kapitel über Fontanes Ehe, über den märkischen Wanderer, den Theaterkritiker und den Plauderer. Aus der unterschiedlichen Perspektive beider Autoren ergibt sich ein facettenreiches Bild von Fontanes Leben und Werk.

Produktbeschreibung
Edda Ziegler sieht in ihrer Biographie Theodor Fontane mit neuem, kritischem Blick und enthüllt bisher unbekannte Zusammenhänge zwischen Leben und Werk. Von Gotthard Erler stammen die Kapitel über Fontanes Ehe, über den märkischen Wanderer, den Theaterkritiker und den Plauderer. Aus der unterschiedlichen Perspektive beider Autoren ergibt sich ein facettenreiches Bild von Fontanes Leben und Werk.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.10.1996

Der Schwefelgelbe wird vermißt
Anbiederungen in der Mark Brandenburg: Eine Biographie Fontanes

Fontane ohne Bismarck ist wie Goethe ohne Carl August. Der Aufbau Verlag Berlin präsentiert ihn derart beraubt in einer Fontane-Biographie, die zwar zur Hälfte aus Bildern besteht, aber den Fürsten ausläßt. Bismarcks Kopf kommt nicht vor, und nicht einmal das charakteristische Bismarcksche Stiefelpaar mit den Stulpen bis übers Knie ist zu sehen. Gleich dem Kanzler werden Könige, Kaiser und Kriege, die Reichseinigung und das Reich mit Nacht und Nebel bedeckt. Das Büchlein kehrt der Politik den Rücken. Seine Illustration kennt kein Deutschland, kein Österreich und Frankreich, ganz zu schweigen von Schleswig-Holstein und Dänemark. Die Mark Brandenburg ist das höchste der Gefühle.

Die Verfasser der Biographie, Edda Ziegler und Gotthard Erler, stimmen offenbar mit Effi Briest überein, die sich von den goldgerahmten Schlachtenbildern über dem Sofa in ihrem Elternhaus peinlich berührt fühlt. "König Wilhelm und Graf Bismarck auf der Anhöhe von Lipa" ist nicht nach ihrem Geschmack. Sie könne, sagt Effie, in Gedanken verloren, "so was Militärisches nicht leiden". Der Autor jedoch, zu dessen Personal sie gehört, war ein Homo politicus, der zwölf Lebensjahre mit der Aufarbeitung der Kriege verbracht hat. Die Jahre 1864, 1866 und 1870/71 sind aus seiner Karriere ebenso wenig wegzudenken wie die Bismarck-Figur aus seinem literarischen Schaffen. Der Schwefelgelbe gehe permanent darin um, stellte er im Rückblick fest: "und wenn ihn das Gespräch auch nur flüchtig berührt, ist doch immer von ihm die Rede". Das Bekenntnis steht in Verbindung mit der Arbeit, in die Fontane damals, im Frühjahr 1894, vertieft war, als er "Effi Briest" für den Vorabdruck fertig machte. So unbedingt sind hier die Romanfiguren auf den Fürsten bezogen, daß man folgern kann, ihr Erlöschen sei die Konsequenz seiner ablebenden Epoche und die Vita der Heldin eine Retrospektive auf das preußische Deutschland vor Wilhelm II.

Als Ersatz für die Politik bieten Ziegler und Erler ein häusliches und familiäres Spektrum an. Sie nennen es Innerlichkeit, Psychographie oder das Reich der Seele. In Fontanes interner Beschaffenheit finden sie sich blind zurecht. Sie sind Connaisseure der bedürftigen Konstitution, aus der sich das Talent allmählich zu seiner Höhe aufgerappelt hat, und beschreiben den Vorgang mit einer Herablassung, als müßte man den werdenden Romancier ständig bemuttern und väterlich über ihn wachen.

Das Biographen-Team übernimmt dergestalt die Rolle des rückblickenden Schicksalslenkers, der seinem Schutzbefohlenen zwar im Großen und Ganzen ein gutes Zeugnis ausstellt, aber im Detail manches aussetzt. Man braucht sich nur zu vergegenwärtigen, welche Fragwürdigkeiten dem Anfänger unterlaufen sind: "Weihnachten 1849 liegen Fontanes erste Buchpublikationen vor mit so unfontanesch-pathetischen Titeln wie ,Männer und Helden' und ,Die schöne Rosamunde'". Ein gewisses Kopfschütteln durchzieht die ganze Biographie, aber auch ein mildes Lächeln. Denn man weiß den Zögling ja trotz seiner Handicaps auf dem richtigen Weg: "Mit opportunistischer Lernbereitschaft, naiver Produktivität und enormem Fleiß wechselt er auf der Suche nach Anerkennung und eigenem literarischem Profil Stoffe, Stile und Genres."

Die Begutachter sind ihrem Gegenstand so gewogen wie der Chor der Engel dem auferstehenden Faust. Wer immer strebend sich bemüht, den können sie erlösen. Gleichzeitig spielt die Haltung, die Günter Grass gegenüber Fontanes Zerrbild etabliert hat, in den Kurs hinein. Theodor oder Theo, wie sie den Schriftsteller gelegentlich nennen, ist jedenfalls ein Mensch mit seinen Schwächen. Aber gerade die Fehlbarkeit macht ihn sympathisch. Am liebsten möchte man ihm das Du anbieten. Das anbiedernde Verfahren wird auch auf die Familienmitglieder angewendet und erreicht bei Martha Fontane seinen Gipfel. Die Tochter könne sich einfach deshalb für keinen Ehemann interessieren, "weil sie an die Idealgestalt des Vaters gebunden ist".

Vermutlich muß man diese Lebensbeschreibung vor allem als Verlagswerbung betrachten. Ihr Mitautor, der Verlagsleiter Gotthard Erler, der Fontane in der DDR mitbetreut hat, ist dabei, die editorischen Methoden und Ergebnisse der vergangenen Jahrzehnte in eine fünfzigbändige Werkausgabe zu überführen, die "Große Brandenburger Ausgabe des Aufbau Verlages", die sich in Etappen entwickeln soll. Sie wird nun von dem Büchlein als einem Douceur begleitet, das für den Schriftsteller Reklame macht, als wäre er wie Erwin Strittmatter ein hauseigener Genius. Tatsächlich würde sich das Produkt "Theodor Fontane - Lebensraum und Phantasiewelt - Eine Biographie" als Verlagsbroschüre eignen, kostenlos und bismarckfrei. Aber so hat der Hersteller es nicht kalkuliert. SIBYLLE WIRSING

Edda Ziegler/Gotthard Erler: "Theodor Fontane. Lebensraum und Phantasiewelt". Eine Biographie. Aufbau Verlag, Berlin 1996. 384 S., Abb., geb., 58,- DM.

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