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In The Flame Alphabet, the most maniacally gifted writer of our generation delivers a novel about how far we will go in order to protect our loved ones. The sound of children's speech has become lethal. In the park, adults wither beneath the powerful screams of their offspring. For young parents Sam and Claire, it seems their only means of survival is to flee from their daughter, Esther. But they find it isn't so easy to leave someone you love, even as they waste away from her malevolent speech. On the eve of their departure, Claire mysteriously disappears, and Sam, determined to find a cure…mehr

Produktbeschreibung
In The Flame Alphabet, the most maniacally gifted writer of our generation delivers a novel about how far we will go in order to protect our loved ones. The sound of children's speech has become lethal. In the park, adults wither beneath the powerful screams of their offspring. For young parents Sam and Claire, it seems their only means of survival is to flee from their daughter, Esther. But they find it isn't so easy to leave someone you love, even as they waste away from her malevolent speech. On the eve of their departure, Claire mysteriously disappears, and Sam, determined to find a cure for this new toxic language, presses on alone into a foreign world to try to save his family.
Autorenporträt
Ben Marcus is the author of three books of fiction: The Age of Wire and String, Notable American Women, and The Flame Alphabet, and he is the editor of The Anchor Book of New American Short Stories. His stories have appeared in Harper’s, The New Yorker, Granta, Electric Literature, The Paris Review, McSweeney’s, Tin House, and Conjunctions. He has received the Berlin Prize, a Guggenheim Fellowship, a Whiting Writers’ Award, a National Endowment for the Arts Fellowship in fiction, three Pushcart Prizes, and the Morton Dauwen Zabel Award from the American Academy of Arts and Letters. He lives in New York with his wife and children.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2012

Wenn die Zunge brennt
Furiose Sprachkritik: Im „Flammenalphabet“ des amerikanischen Romanautors Ben Marcus
sind „tödliche Worte“ keine Redewendung – sondern eine Infektionskrankheit
VON JENS-CHRISTIAN RABE
Es war wieder mal so, wie es ist, wenn, sagen wir, Thomas Gottschalk in irgendeiner Fernsehshow irrsinnig schlechte Witze macht und dreist Schauspielerinnen betatscht – man hat es nicht anders erwartet und ist doch verblüfft von der Selbstverständlichkeit, mit der es immer wieder passiert. Es saß also Josef Ackermann in der Talkshow von Günther Jauch am vorvergangenen Sonntag und sollte büßen für die Rolle der Banken in der Finanzkrise. Auf offener Bühne.
  Ackermann war schließlich bis vor kurzem Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank, wo er mitten in der Krise gigantische Rendite-Erwartungen propagierte und daher vielen als Sinnbild des gewissenlosen Finanzmanagers gilt. Bei Jauch kam dann aber auch Daniel Cohn-Bendit, europäischer Supergrüner und einst wortgewaltiger Anführer der französischen und deutschen Studentenrevolten, nicht gegen ihn an. Mit dem Killerinstinkt des Spitzenmanagers schien der Banker zu spüren, dass niemand so gut vorbereitet war wie er. Er lächelte dementsprechend entwaffnend freundlich und gab Cohn-Bendit und Jauch erst mal überall da recht, wo es nicht weh tat: Ja, Steinbrück ist ein guter Kanzlerkandidat, sicher, Manipulationen am Libor-Zinssatz sind nicht in Ordnung, klar – und natürlich sind die Banken an der Krise mitschuldig. Überall da jedoch, wo es hätte brenzlig werden können, hatte er Sätze parat, die cleverer nicht sein konnten. Zum Problem etwa, dass die Banken an Finanzanlagen verdienten, die niemand verstand, bevor er sein Geld verloren hatte, fand er die schöne – und klaglos hingenommene – Formulierung: „Es ist absolut richtig, dass bis 2007 auch Produkte generiert wurden, die teilweise zu komplex waren.“
  Es war ein Fest der Sprache und der Kommunikation – und wieder einmal eine echte Katastrophe. Der konziliante Ton und der stumpfe Sinn des Vorgebrachten wollten einfach nicht zusammenfinden, aber alle fanden sich am Schluss sympathisch. Ein Wunder ist das nicht, längst verdienen Armeen von Kommunikationsberatern und Spin-Doktoren auf der ganzen Welt viel Geld damit, Geschichten zu erfinden, die die Sache ihrer Kunden gut und den Gegner schlecht aussehen lassen. Die an der Sprache so virtuos herumschrauben, bis am Ende das wahr ist, was den meisten am wahrsten erscheint. Und sei es reine Erfindung.
  Im Englischen gibt es dafür schon ein eigenes Wort: truthiness – Wahrheitlichkeit, die Tatsache, dass die Wahrheit einer Botschaft für wahrscheinlich gehalten wird. Um etwa das Image des vielen als zu risikofreudig geltenden neuen Deutsche-Bank-Chefs Anshu Jain zu verbessern, lancierte, wie die FAZ berichtete, der in der Branche hoch angesehene PR-Berater Alexander Geiser vor dessen Amtsantritt im Juni vergangenen Jahres die vielgedruckte Meldung, dass Jains Risikovorstand „ein besonders vorsichtiger Banker aus protestantischem Pfarrhaus“ werden solle, der „intern“ den Spitznamen „Dr. No“ trage. Der Spitzname war eine Idee Geisers.  
  So sieht es aus, und man muss das noch einmal so ausführlich erzählen, weil mit Ben Marcus‘ „Flammenalphabet“ nun auch auf Deutsch ein Buch erschienen ist, dem man sein ausgestelltes Unbehagen an Sprache und Kommunikation allzu leicht als etwas zu selbstreferenziellen und abgestandenen Spleen eines literarisch allzu gebildeten und ambitionierten Schriftstellers vorwerfen kann. Spätestens seit der Jahrhundertwende, seit Hugo von Hofmannsthals Chandos-Brief und Proust hat die Sprachskepsis in der modernen Literatur einen festen Platz. Die Unzuverlässigkeit der Sprache ist aber wie nur wenige andere Motive der anspruchsvollen Literatur ins Alltagsbewusstseins zumindest unseres immer vernetzteren, kommunikativeren Teils der Welt eingegangen.
  So fern und konstruiert, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag, ist die zentrale Idee der großen Parabel also nicht, die Ben Marcus in „Flammenalphabet“ erzählt: dass nämlich die Menschen furchtbar krank werden, wenn sie andere Menschen reden hören, dass die Sprache sie vergiftet. Marcus muss die Sache nur ein bisschen weiterspinnen, gerade bis es zu schmerzen beginnt: „Unsere Symptome waren (. . .) zunächst dem Zustand, wie wir uns sonst auch immer fühlten, zu ähnlich: ein wenig Schlick in unseren Systemen, sodass wir uns durchs Haus schleppten und lange schliefen (. . .). Und uns dabei erwischten, wie wir ins All starrten, während uns der Speichel aus dem Mund tropfte.“
  Samuel berichtet das, der Protagonist und Erzähler dieses Buchs, den es mit seiner Frau Claire früh erwischt: „Unsere Gelenke verhärteten, und unsere Muskeln waren fest, und wenn ich mich bückte, fiel mir das Atmen schwer. (. . .) Dann folgte der Verfall unseres Erscheinungsbildes. Claires Haar sah bald wie eine Perücke aus, als ob ihr Körper es als Ganzes abstoßen wollte. Ihre Hände hatten den porigen Plastikschimmer einer Puppe, ihr Körper sah aus, als wäre er mit etwas Künstlichem bestrichen und dann gekocht worden. Sie hatte nie viel Make-up getragen, doch jetzt spachtelte sie ihr Gesicht damit zu, und sie streunte mit den clownesken Zügen durch das Haus, die ein Bestatter seinen Leichen aufschmiert.“ – „She had never worn much makeup before, but now she was pasting her face with with it and she shuffled through the house with the clownish features an undertaker smears on his bodies."
  Thomas Melle, mit dem Erzählungsband „Raumforderung“ (2007) und dem Roman „Sickster“ (2011) selbst als Autor bekannt geworden, hat den Sound dieses Buches so geschickt übertragen, wie das im Deutschen möglich ist. Es läuft hier und da nicht ganz so rund wie im Original, aber dessen irritierend gemeine, niedere, stilistisch eindrucksvolle Lust am Schauer spürt man auch in der deutschen Ausgabe fast körperlich. Und den kalkulierten Kontrast zum abstrakten Ausgangspunkt des Buches. So wie Lord Chandos die hergebrachte Unterscheidung des Hohen und des Niedrige plötzlich fragwürdig erscheint, so verlaufen hier im besten Sinn unmerklich die literarischen Muster. Sprachkritik im Gewand eines schwarzen Science-Fiction-Thrillers.
  Wäre das schon alles, würde der 45-jährige Ben Marcus, der an der New Yorker Columbia Universität Creative Writing lehrt, von seinen Schülern wohl kaum wie ein Guru verehrt. Mit seinen beiden ersten, bislang noch nicht übersetzten Büchern „The Age of Wire and String“ (1995) und „Notable American Women“ (2002) hat er sich einen Ruf als hochtalentierter experimenteller Prosa-Autor erschrieben, der 2005 in in Harper‘s Magazine Jonathan Franzen und das gesamte amerikanische literarische Establishment als feige, anspruchslos und gefallsüchtig attackierte: „Es ist leider nicht besonders verbreitet, darauf hinzuweisen, dass beim Lesen auch das Gehirn eine Rolle spielen kann.“
  Der Fall der tödlichen Sprache liegt auch im „Flammenalphabet“ dann natürlich doch komplizierter. Tödlich ist zunächst nämlich nicht alle Sprache, sondern nur die der jüdischen Kinder. Weshalb Samuel und Claire, die einer Sekte die sich „Waldjuden“ nennt, angehören, ihre Tochter Esther, einen Teenager, auch bald schweren Herzens im Haus in Upstate New York zurücklassen müssen, „jeden Tag wurden wir steifer, kranker, blasser, erschöpfter von dem, was Esther nicht lassen konnte“.
  Claire stirbt und Sam macht sich allein auf die Suche nach einer Medizin. Er begegnet dabei irren rothaarigen Wissenschaftlern, Untergrund-Rabbis und den merkwürdigsten Gerätschaften, „Verständnis-Blockern“ etwa, „Dräger-Aerotest-Atemsets“ und Halsboxen, die Zischlaute von sich geben, um Kinder abzuschrecken. Irgendwann arbeitet er in einem Forschungszentrum verzweifelt an einer Sprache, die die Menschen verwenden können, ohne krank zu werden. Und es gibt einen Schurken namens LeBov, der überzeugt ist, dass die Waldjuden der Schlüssel zum Gegengift sind.
  Das alles ist sehr anspielungsreich, rätselhaft, surreal und düster, und am Ende hat man sicher kein Buch für die hellen Tage in der Hand gehabt. Aber zweifellos eines, dessen Deutungsfährten mitten in die tiefsten Untiefen des Seins und Bewusstseins der Gegenwart führen, in der die Sprache und Verständigung alles sind – und uns doch nicht viel bedeuten.
Längst ist die Sprachskepsis
der modernen Literatur in unser
Alltagsbewusstsein eingewandert
Tödlich ist hier zunächst
nicht alle Sprache, sondern nur
die der jüdischen Kinder
„Jeden Tag wurden wir steifer, kranker, blasser, erschöpfter von dem, was Esther nicht lassen konnte.“ – Buchstaben aus dem Figurenalphabet von Giovannino de Grassi.
FOTO: BRIDGEMANART.COM
    
  
   
Ben Marcus: Flammen alphabet. Roman. Aus dem Englischen von Thomas Melle. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2012.
430 Seiten, 22,99 Euro.
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