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The editor of the "New Yorker" and bestselling author of "King of the World" turns his attention to Barack Obama and a defining moment in American history. 'I'm here because somebody marched. I'm here because you all sacrificed for me. I stand on the shoulders of giants. I thank the Moses generation; but we've got to remember, now, that Joshua still had a job to do...There are still battles that need to be fought; some rivers that need to be crossed...The previous generation, the Moses generation, pointed the way. They took us 90 per cent of the way there. We still got that 10 per cent in…mehr

Produktbeschreibung
The editor of the "New Yorker" and bestselling author of "King of the World" turns his attention to Barack Obama and a defining moment in American history. 'I'm here because somebody marched. I'm here because you all sacrificed for me. I stand on the shoulders of giants. I thank the Moses generation; but we've got to remember, now, that Joshua still had a job to do...There are still battles that need to be fought; some rivers that need to be crossed...The previous generation, the Moses generation, pointed the way. They took us 90 per cent of the way there. We still got that 10 per cent in order to cross over to the other side. So the question, I guess, that I have today is what's called of us in this Joshua generation? What do we do in order to fulfill that legacy; to fulfill the obligations and the debt that we owe to those who allowed us to be here today?' - (From Obama's speech in Selma, Alabama in March of 2007). This book, Remnick's first full length work of non-fiction since the bestselling "King of the World", will tell the story of race in the history of America through the prism of the country's first mixed-race president; a man elected against the odds, symbol of hope for many, inheritor of a nation in the throes of a catastrophic crisis of identity.
Autorenporträt
David Remnick ist seit 1998 Chefredakteur und Mitherausgeber des Kulturmagazins "The New Yorker". Für sein erstes Buch über den Zusammenbruch des politischen Systems der Sowjetunion: Lenin's Tomb. The Last Days of the Soviet Empire, erhielt er 1994 den Pulitzer Preis. David Remnick schreibt regelmäßig Kritiken für The New York Review of Books; seine Beiträge wurden u.a. in Zeitschriften publiziert. Er lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2010

Der große amerikanische Roman
Wie sich Barack Obama selbst erfand, das erzählt jetzt David Remnicks wunderbare Biographie

Am Abend vor seiner ersten, landesweit im Fernsehen übertragenen Rede musste Barack Obama schon Autogramme geben. Es war der 26. Juli 2004 in Boston, und Obama schlenderte mit seinem Freund Marty Nesbitt durch die Stadt. Die in jenem Jahr besonders zögerlichen Demokraten hatten sich etwas getraut: Obama, damals ein unbekannter Senator mit komischem Namen, den Wahlparteitag eröffnen zu lassen, der dann John Kerry zum Kandidaten nominieren sollte.

Die Parteiführung hatte aber lange gezögert, eine Art Video-Casting gab dann den Ausschlag für Obama. Und der hatte wochenlang an dieser Rede gefeilt. Die Autogramme gab er einigermaßen unbeeindruckt, was den Freund überraschte: "Das ist ja wie bei einem Rockstar!" Obama lachte kurz und sagte: "Das ist doch noch gar nichts. Warte erst morgen." Nesbitt schaute ihn fragend an, bis Obama es ihm erklärte: "Meine Rede. Sie ist ziemlich gut."

In diesem an Irrsinn grenzenden Vertrauen in die eigene Arbeitskraft, Inspiration und das Gelingen eines Vorhabens, wenn es nur gerecht und ambitioniert genug ist, darin erkennen wir das Rätsel Obamas. Der Präsident der Vereinigten Staaten ist das Gegenteil seines neuesten Biographen David Remnick, einem der bekanntesten amerikanischen Journalisten, Pulitzer-Preisträger und seit zwölf Jahren der Chefredakteur des Magazins "The New Yorker". Remnicks wichtigstes Buch war eine große Studie über Muhammad Ali, das auch von der völligen Andersartigkeit und Distanz des Autors zu seinem Gegenstand lebte.

Remnick erzählt, um sich vorzustellen, gern vom Sommer 1991, als seine Zeit als Moskau-Korrespondent des "New Yorker" zu Ende ging. Die Moskauer Wohnung war schon bis zur Decke mit Umzugskisten zugestellt, da machte er sich auf, um mit Gorbatschows Berater Alexander Jakowlew ein letztes Interview zu führen.

Nach dem offiziellen Gespräch sagte Jakowlew, es werde sehr bald einen Putsch geben, das sei praktisch unausweichlich. Aber Remnick hatte ja schon gepackt und überhaupt, wenn man auf alles höre, was in Moskau so getratscht wird, da würde man ja irre. Er flog mit seiner Familie zurück, gerade rechtzeitig, um die dramatischsten Bilder vom Putsch der Generäle auf CNN verfolgen zu können. Panzerkolonnen zogen vorbei, dahinter erkannte er das Haus, in dem er wenige Stunden zuvor noch gewohnt hatte.

Spürsinn, der Segen müheloser Arbeit, Genialität, all das geht Remnick, wie 99 Prozent der Menschheit, ab. Der Unterschied zu vielen anderen seiner Kollegen besteht aber darin, dass Remnick seine Arbeit von dieser Prämisse ausgehend organisiert, hart an der Leichtigkeit des Textes arbeitet und dass das Ergebnis, das der Leser dann in Händen hält, verblüffend gut ist. Für diese Biographie sind Hunderte von Personen interviewt worden, die zitierten Dokumente reichen zurück bis in die Lincoln-Zeit. Man könnte es mit der japanischen Lackiertechnik vergleichen: Jede einzelne Schicht ist bloß blasse Farbgebung, aber wenn man viele, sehr viele und noch mehr davon aufträgt, schimmert der Gegenstand in scheinbar unendlicher Tiefe.

So, durch eine sozial ausgreifende und immer wieder in die historische Tiefe gehende Arbeit wird aus der Biographie Barack Obamas nicht bloß ein akkurates und intellektuell anregendes Sachbuch, sondern ein Epos, so nahe am oft ersehnten großen amerikanischen Gegenwartsroman, wie man es sich nur wünschen kann.

Dabei ist schon der reine analytische Nutzwert nicht zu unterschätzen: Oft kann man lesen, Obama pflege einen pragmatischen Politikstil, was immer so klingt, als laviere er sich durch, weil ihm eine feste ideologische Grundierung fehle. Bei Remnick aber lesen wir, dass die wichtigste Freundin und Mentorin von Obamas Mutter niemand anderes war als Alice Dewey, die Enkelin des großen amerikanischen Philosophen John Dewey, der die Öffnung der Geisteswissenschaften für naturwissenschaftliches Denken, die "pragmatische Wende" forderte. Bei allem Idealismus, den man Obamas Mutter, der 1995 verstorbenen Anthropologin Ann Dunham, attestieren kann: Es ging ihr im Leben wie in ihrer Forschung stets um die messbaren Verbesserungen im Alltag der von ihr studierten Kulturen. Über tausend Seiten umfasst ihre erst vor kurzem publizierte Arbeit über die Eisenschmiede eines indonesischen Dorfes.

Dass Obama gleich im ersten Jahr seiner ersten Amtszeit sein gesamtes politisches Kapital nicht etwa in Raumfahrt oder Diplomatie investierte, sondern in ein verflixtes Thema wie die amerikanische Gesundheitsgesetzgebung, steht in genau dieser, auf den messbaren, kleinen Fortschritt ausgerichteten philosophischen Tradition. Die dazu ebenso passende Methode der parteiübergreifenden Kooperation in Sachfragen scheiterte freilich an der Verabschiedung der Republikaner von dieser pragmatischen Tradition der amerikanischen Politik und ihrem selbstgewählten Ausgang in ein ganzes Archipel seltsamer Ideologien.

Der Weg Obamas, wie ihn Remnick schildert, hätte ebenso gut in die Arbeitslosigkeit und die völlige soziale Isolation führen können. Zwar fällt ab und zu die Bemerkung, dieser Junge könnte doch mal der erste schwarze Präsident werden, aber das kam dann doch eher von Nachbarn und Bekannten, die was Nettes sagen wollten, Amerikaner sind ja sehr freundlich. Richtig ernst hat das außer Obama selbst niemand genommen.

Sein Schwager, der ehemalige Profi-Basketballer Craig Robinson, erinnert sich an ein frühes Küchengespräch unter Männern, als Barack gerade der neue Freund und künftige Verlobte von Michelle war, zu Beginn der neunziger Jahre. Es ging um Zukunftspläne, und Obama gab an, sich von der Universität verabschieden und vielleicht für ein Mandat kandidieren zu wollen. Craig fragte nach, ob er sich also als Stadtrat von Chicago aufstellen lassen wolle, kein leichtes Unterfangen bei der üblen politischen Tradition der Stadt. Nein, gar nicht, beruhigte ihn der künftige Schwager. In den Senat nach Washington wolle er, und die Präsidentschaft schließe er auch nicht aus. Craig nickte tapfer, gab ihm aber doch den Rat, diese Pläne den Schwiegereltern erst nach der Hochzeit schonend mitzuteilen. Barack Obama will sich an das Gespräch übrigens nicht erinnern.

Remnicks roter Faden ist eine Brücke, jene nämlich, die von Selma in Alabama auf die Straße nach Montgomery führt, und symbolisch für den blutigen Sonntag vom 7. März 1965 steht, als die Polizei einen Marsch der Bürgerrechtsbewegung brutal niederschlug. Einer, der damals dabei war, der Abgeordnete John Lewis, liefert Remnick dieses Bild: Obama ist das andere Ende der Brücke von Selma.

Doch es ist eine Tradition, die sich der junge Barry erst aneignen musste. Seinen kenianischen Vater hat er kaum gekannt, seine Großeltern mütterlicherseits waren weiß, bei ihnen ist er aufgewachsen. Weil er im gemischten und traditionell lässigen Hawaii zur Schule ging, fehlen ihm die typischen Diskriminierungserfahrungen vieler schwarzer Amerikaner. Remnick beschreibt aber, wie Obama sich als junger Mann, der doch ziemlich einsam und mittellos durch die Weltgeschichte zog, bewusst dafür entschied, die Tradition der schwarzen Befreiungsbewegung zu studieren, sich ihre Symbolik anzueignen und für die heutige Zeit gedanklich und politisch weiterzuentwickeln.

Diese jahrzehntelange Suche fand erst in der Begegnung mit Michelle ein Ende, obwohl sich mit der Eheschließung wieder ganz neue Probleme ergaben. Obama war es seit seinem Studium gewohnt, sich nach Feierabend in sein Arbeitszimmer zurückzuziehen, um die halbe Nacht zu lesen und zu schreiben - nicht eben die Art von freudiger familiärer Kommunikation, die Michelle gewohnt war und erwartete. Und nicht anders war es, als die beiden Töchter geboren wurden: Obama schreibt selbst, dass ihm nie im Leben etwas schwerer gefallen ist, als eine Rolle als Vater zu entwickeln.

In den vielen hundert Seiten dieses wunderbaren Buches erfährt der Leser natürlich jede Menge narzisstischer Zufuhr, schließlich ist Obamas ganze Karriere, mehr noch, die von ihm selbst vorgenommene Erforschung und Entwicklung seiner persönlichen Identität, ganz auf Lektüre begründet. Sicher, ohne seine Zeit als Sozialarbeiter in Chicago wäre bei ihm die Fähigkeit zur empathischen Interaktion weniger entwickelt, aber diese Episode meisterte er aufgrund einer geradezu klassischen Arbeit an sich.

Später half ihm, so macht David Remnick klar, die Kritik der anderen, allen voran seiner Frau, aber auch der Veteranen der schwarzen Bewegung. Obamas erste Reden in Kirchen und Gemeindehäusern müssen fürchterlich gewesen sein. Erst nach Hunderten solcher Auftritte lernte er, stets genau analysiert von den Gemeindemitgliedern, mit dem Publikum wirklich zu kommunizieren und sich den Wellen des Applauses hinzugeben, um so "auf eine höhere Ebene zu surfen", wie er es dann in der Tat so meisterlich beim Bostoner Parteitag 2004 vermochte, nach dem auch für Marty Nesbitt alles klar war.

NILS MINKMAR

David Remnick: "The Bridge. The Life and Rise of Barack Obama". Verlag Alfred Knopf, 656 Seiten, 16 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.11.2010

Der Ausnahmepräsident
Barack Obama hat nur wenige Chancen, aber er nutzt sie. David Remnick erzählt, wie dieser Mann,
der sich selbst als„Schwarzer“ bezeichnet, es geschafft hat, ins Weiße Haus zu kommen
Yes, we can – vielleicht wird diesen drei Worten, die einen Aufbruch Amerikas in eine bessere Zukunft signalisierten, am heutigen 2. November ein „not“ angefügt. Das wäre verhängnisvoll, nicht nur für die USA. Gewiss, dieser wunderbare Satz, der so viele alte und – vor allem – junge Menschen in den USA und auch weltweit inspirierte und sie in ihrem Glauben an die Möglichkeit einer besseren Welt stärkte: Er konnte in den Mühen der Ebene nicht auf Dauer mit dem gleichen Elan wie bei den „Primaries“ und dem Wahlkampf für die Präsidentschaft wirken.
Aber dass weniger als zwei Jahren nach der Wahl Obamas zum Präsidenten der USA die Stimmung in weiten Teilen des jungen Amerika in Teilnahmslosigkeit umgeschlagen ist, dass das gesellschaftliche Klima anscheinend zunehmend von der disparaten und reaktionären „Tea Party“-Bewegung bestimmt wird, das hat auch jemand wie ich, der die quälenden Mühseligkeiten der Politik kennt, nicht erwartet.
Doch gemach: Wer die Biographie Obamas des Journalisten David Remnick gelesen hat, der hat begriffen, dass Obama zwar verkürzt und vereinfacht, aber doch wohl zutreffend als ein Idealist beschrieben ist. Dabei ist er nicht bloß Träumer, sondern auch ein Macher. Anderenfalls wäre er nicht Präsident der USA geworden. Wie das möglich wurde, eigentlich gegen alle Wahrscheinlichkeiten, das versteht man nach der Lektüre der 900 Seiten dieses Buches – und man versteht auch Amerika besser, jedenfalls einige seiner vielen Seiten.
Vor allem versteht man den Menschen Obama besser, und auch die Umstände, die es ihm ermöglichten, den ungeheuer kraftzehrenden Weg ins Weiße Haus zu Ende zu gehen. Die beiden letzten Stationen dieses Weges, die Primaries und der Wahlkampf, sind in Europa besser bekannt als die vielen Etappen davor. Sie beschreibt Remnick mit ungeheurer Detailkenntnis. Zuweilen ist es ermüdend, wenn Dutzende von Wegbegleitern Obamas, zum Teil mitsamt Kurzbiographie, zitiert werden. Eine auf den Punkt gebrachte Zusammenfassung wäre dem Buch, vor allem für europäische Leser, denen die meisten dieser Namen nichts sagen, zugute gekommen.
Aber man gewinnt ein anschauliches Bild von der Persönlichkeit Obama, vor allem, wenn Remnick seine Kindheit und Jugend schildert. Die Kindheit verbringt er ohne den kenianisch-muslimischen Vater – der taucht nur einmal zu einer Stippvisite auf – fern dem amerikanischen Kernland auf Hawaii und Indonesien. Die weiße Mutter ist eine liebevolle, stark in sozialen Projekten engagierte Frau. So liegt Baracks Erziehung weitgehend in der Hand der weißen Großeltern, die ihn wirklich lieben und prägen. Der Titel von Obamas erstem Buch, fast eine Selbstbiographie, die er mit dreißig Jahren (!) verfasst, lautet: „Dreams from my Father“ („Ein amerikanischer Traum“, Hanser Verlag). Er ist stolz auf seinen Vater – trotz allem.
Der Vater endet im Suff – betrunken, Verkehrsunfall, tot. Faszinierend ist dann die Entwicklung Obamas in den USA – vor allem in Chicago, wo er nach dem College Stadtteilarbeit macht und seine eigene Identität sucht und bewusst entscheidet: Schwarzer. Die Ernsthaftigkeit des jungen Mannes hat etwas Anrührendes. Seine Reife und sein Freisein von Ressentiments gegenüber den mehrheitlich bornierten Weißen verleihen ihm Überlegenheit. Zusammen mit seiner Intelligenz machen ihn diese Fähigkeiten später bei seinem juristischen Studium in Harvard zum ersten schwarzen Chefredakteur der hoch angesehenen Harvard Law Review.
Die Arbeit als „Community Organizer“ in Chicago ist für Obama auch eine hervorragende politische Schulung. Er lernt zu organisieren, er lernt, wie man Leute zum Wählen bringt, die auf die Politik schon längst nicht mehr bauen. Er hält Reden, die schon wesentliche Elemente seiner späteren großen Redeerfolge enthalten. So wird er Senator von Illinois. Das ist ein Amt, das in seiner politischen Bedeutung in etwa mit dem eines deutschen Ministerpräsidenten zu vergleichen ist. In Deutschland dient es als Sprungbrett für die Kanzlerschaft, in den USA kann ein
Das soll genügen, um festzustellen: Es lohnt, Remnicks Buch zu lesen. Auch, weil man zugleich nochmals einige Charakteristika der USA, dieses uns so nahen wie fernen Landes, näher kennen lernen und Schlussfolgerungen ziehen kann.
Das eine ist die ungeheure Bedeutung der Rassenfrage. Ja, man muss diesen in Deutschland unkorrekten Ausdruck benutzen, um die emotionale Tiefe des Problems der nach wie vor nicht wirklich integrierten Afroamerikaner in seinem Kern zu erfassen. Die Wahl Obamas ist zweifelsfrei ein Beitrag zu dessen Lösung. Wie dauerhaft und wie tiefgreifend: das hängt von dem Erfolg seiner Präsidentschaft ab und damit nicht zum geringsten von ihrer Dauer, also ob er in zwei Jahren wiedergewählt wird.
Das andere, schon oft in Europa erörterte Phänomen ist die amerikanische Religiosität, die sich von der europäischen – man muss schon sagen: radikal – unterscheidet. Ohne die schwarzen protestantischen Kirchen wäre Obama niemals Präsident geworden. Es geht gar nicht einmal darum, dass diese Kirchen seine Kandidatur unterstützten. Viel wichtiger ist: Der in ihnen beheimatete Glaube ist nicht nur (ja vielleicht nicht einmal in erster Linie) auf das Transzendentale ausgerichtet, sondern er verleiht die sichere Gewissheit einer besseren Welt hienieden. Diese Kirchen geben Hoffnung, die nicht nur den gegenwärtigen Schmerz ertragen lässt, sondern zugleich Kraft und Siegeszuversicht verleiht. Man lese dazu das erste Kapitel des Buches, in dem eine große Rede Obamas, die er in Selma, einem der Zentren der Rassenkonflikte, gehalten hat, ausführlich wiedergegeben ist.
Und schließlich, drittens, und aus europäischer Sicht ist das vielleicht das Wichtigste: Wie wird Obama mit der Tatsache umgehen, dass Amerika nicht länger die unbestrittene einzige Weltmacht ist, eine Position, die für das amerikanische Selbstverständnis von zentraler Bedeutung war? Obama will anders führen, als es bisher üblich war. Aber führen will auch er die Welt. Es ist zu kurz gegriffen, wenn man ihm vorwirft, schöne Reden nützten nichts. Die Rede in Kairo an die muslimische Welt war nicht nur schön und gut, sondern als solche auch eine Tat. Aber natürlich: Glauben werden die Muslime ihm erst dann, wenn er den israelisch-palästinensischen Konflikt gelöst hat. Ob ihm die inneramerikanische Lage das erlaubt, ist zweifelhaft.
Unstreitig hat ihm diese nicht erlaubt, eine konstruktive Rolle – von Führung ganz zu schweigen – in Kopenhagen zu spielen. Die USA sind ein superdemokratisches Land. Alle zwei Jahre finden nationale Wahlen statt. Die Abgeordneten im Repräsentantenhaus und im Senat stehen ständig unter dem unmittelbaren Druck wechselnder Stimmungen ihrer Wähler und egoistischer Interessenlobbies. Der größte Gliedstaat Kalifornien ist wegen seiner plebiszitären Struktur pleite und regierungsunfähig geworden. Gegen China will der Kongress Strafzölle erheben wegen dessen Währungspolitik. Aber unter einem Währungskrieg würden die wirtschaftlich angeschlagenen USA mindestens ebenso leiden wie die Chinesen und alle anderen. Die innere und äußere Verschuldung des Landes ist beängstigend, und wenn es kein Ende dieses Elends in absehbarer Zeit gibt, dann wird dieses fundamentale Ungleichgewicht die nächste Weltwirtschaftskrise mit Sicherheit auslösen.
Der faszinierende amerikanische Präsident Barack Obama, den Remnick mit unverkennbarer Sympathie so eindrucksvoll beschreibt, ist nicht zu beneiden. Aber Europa kann nur hoffen, dass er Erfolg hat. Es sollte aber nicht nur dafür beten, sondern seine Kräfte endlich bündeln, damit es ihm ein echter Partner wird, der auf der Basis grundlegender Übereinstimmung als einziger unter den neuen Mächten in der Lage wäre, ihm auch in der Auseinandersetzung mit den retardierenden Kräften im eigenen Land zu helfen. KARL LAMERS
DAVID REMNICK: Barack Obama. Leben und Aufstieg. Aus dem Amerikanischen von Friedrich Griese. Berlin Verlag, Berlin 2010. 976 Seiten, 34 Euro.
Karl Lamers war von 1990 bis 2002 außenpolitischer Sprecher der CDU. Von 2002 bis 2005 war er Vizepräsident der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament.
Obama will die Welt anders
führen, als die USA es bisher taten
Guido Siebers Bild einer Gangsterbraut: Virginia Hill. Sie war schön, hatte aber wenig Sinn für Rechtstaatlichkeit. Abb. Edel Verlag
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