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The first nonfiction book à â â a searing, revealing, unforgettable memoir à â â from one of our most acclaimed writers.

Produktbeschreibung
The first nonfiction book à â â a searing, revealing, unforgettable memoir à â â from one of our most acclaimed writers.
Autorenporträt
Aleksandar Hemon is the author of The Making of Zombie Wars; The Book of My Lives, which was a finalist for the National Book Critics Circle Award; The Lazarus Project, which was a finalist for the National Book Award and the National Book Critics Circle Award and a New York Times bestseller; The World and All That It Holds; and three books of short stories, including Nowhere Man, which was also a finalist for the National Book Critics Circle Award. He was the recipient of a Guggenheim Fellowship and a `Genius¿ grant from the MacArthur Foundation.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2013

Schach und Schweigen
Prosaischer Einwanderer-Blues: „Das Buch meiner Leben“ des amerikanischen Autors Aleksandar Hemon
Obwohl er viel zu erzählen hätte, spricht Peter nicht viel. Oder vielleicht gerade deswegen: Laut Walter Benjamin sind ja die deutschen Soldaten deswegen im Wortsinne sprachlos aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, weil sie dort so vieles erlebt hatten, für das ihnen die beschauliche Literatur der Kaiserzeit keine Formulierungen zur Verfügung gestellt hatte. Je mehr man also erlebt, desto unwahrscheinlicher wird es, dass man es auch erzählen kann.
  Und Peter hat viel erlebt: Er ist als Assyrer in Belgrad geboren, weil seine Eltern knapp dem türkischen Massaker in Armenien entkommen sind, im Irak aufgewachsen, wo er mit dem Sohn des Premierministers aneinandergeraten ist und deshalb nach Iran fliehen musste, wo sein eigener Sohn während der islamischen Revolution mit Marihuana in der Jeanstasche erwischt und auf der Stelle erschossen wurde. Und jetzt sitzt Peter also in Rogers Park in Chicago, spielt schweigend Schach und fährt nur einmal aus der Haut, nämlich als irgendwelche Kids auf der Bank neben ihm nicht aufhören wollen zu reden.
  Wir erfahren das alles aus zweiter Hand, denn ein paar Mal spielt Peter im Rogers Park gegen Aleksandar Hemon, einen der großen Stilisten der nordamerikanischen Gegenwartsliteratur. Im Schach hat Hemon keine Chance, aber zwischen den Matches sprechen sie und im Formulieren ist Hemon besser. Als Hemon erzählt, dass er selbst in Sarajewo geboren und aufgewachsen ist, fasst Peter so viel Verständnis, Verbundenheit und Empathie in drei einfache Worte, dass einem unmittelbar bewusst wird, wie viel tatsächlich überall gesprochen wird, nur um eben kein Mitleid aufbringen zu müssen. Peter sagt also nur das hier: „Tut mir leid.“ Dann wieder Schach und Schweigen. Die Bemerkung ist ausreichend ungenügend, jedes weitere Wort wäre noch ungenügender. In diesem Moment versteht Hemon, „warum mir Peter so nahe war: Er gehörte ebenfalls zum Stamm der Heimatlosen“.
  Aleksandar Hemon ist 1992 im Alter von 28 mit einem Schriftstellerstipendium in die USA gekommen. Während seines einmonatigen Aufenthaltes begann die serbische Armee mit der Belagerung Sarajewos, Hemon erhielt politisches Asyl und verfolgte fortan auf CNN den Untergang seiner Heimatstadt. Dabei fühlt er sich so: „Wenn mein Verstand und meine Stadt dasselbe waren, war ich dabei, den Verstand zu verlieren.“ Er begann auf Englisch zu schreiben und veröffentlichte in zehn Jahren vier Prosabände, die ihm das Tor zum Pantheon der amerikanischen Literaturkritik eröffneten. Weil er in Chicago lebt, wurde er mit Saul Bellow, weil er erst als Erwachsener Englisch gelernt hat, mit Joseph Conrad und Nabokov verglichen. Und nebenbei hat er in Zeitschriften immer wieder autobiografische Essays veröffentlicht, die jetzt unter dem Titel „Das Buch meiner Leben“ als Sammlung erschienen sind.
  Die große Qualität dieser Texte liegt nicht nur in ihrer sprachlichen Brillanz, sondern vor allem in der aufwendigen Genauigkeit ihres Blickes. Hemon könnte es sich einfacher machen: Im Balkankrieg und in der unfreiwilligen Emigration hat ihn ein Thema gefunden, das für drei Schriftstellerleben reichen würde. In seinen autobiografischen Essays schreibt Hemon allerdings immer genau den einen Millimeter an den vertrauten Erzählmustern des politischen Exils vorbei, der wirklich etwas bedeutet.
  Er schreibt über die Schachspiele gegen seinen Vater, über faschistische Performance-Partys im sozialistischen Sarajewo, über „Kramer“ und „Skinny Fuck“, die Hunde seiner heruntergekommenen Vermieterin in Chicago. Über Fußball in den USA, die Gedichte von Radovan Karadzic und immer wieder über seine Frauen: Mütter, Töchter, Schwestern, Geliebte, Ehefrauen. In jeder seiner Figuren spiegelt sich das Motiv der Heimatlosigkeit, das Gefühl des Verlustes ist das Grundrauschen dieser Texte. Allerdings ist diese Heimatlosigkeit bei Hemon kein migrationspolitischer Sonderfall, sondern die freudianische Schlüsselmetapher menschlicher Existenz. Die implizite Frage, die sein prosaischer Blues stets mit sich herumträgt, lautet: Wieso eigentlich sind wir trotzdem immer noch da, wenn wir doch letztlich alle hoffnungslos verloren sind? Und vor allem: Wie kommt es, dass wir manchmal sogar glücklich sind, einfach so, in den unmöglichsten Momenten?
  Zum Beispiel wenn wir an dem Mann vorbeilaufen, der in einem Park in Chicago immer „Killing me softly“ auf der Tuba spielt. Oder wenn wir sehen, „wie sich die Leute im Winter auf dem U-Bahnhof Granville unter den Laternen drängen wie Küken unter einer Wärmelampe“. In diesen Hemonschen Momenten kommt es vor, dass uns das Glück, gegen jede Wahrscheinlichkeit, doch noch übermannt.
FELIX STEPHAN
Wie kommt es, dass wir manchmal
glücklich sind, einfach so, in
den unmöglichsten Momenten?
    
    
      
Aleksandar Hemon: Das Buch meiner Leben. Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Knaus Verlag, München 2013. 224 Seiten, 19,99 Euro, E-Book
15,99 Euro.
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