Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 3,80 €
Produktdetails
  • Verlag: Societäts-Verlag
  • Seitenzahl: 127
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 199g
  • ISBN-13: 9783797307835
  • ISBN-10: 3797307837
  • Artikelnr.: 09892157
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.02.2002

Ungewöhnliche Kriminalfälle aus vier Jahrhunderten

Die Glücksspieler aus Frankfurt, die es in die Kurstadt zieht, werden wohl nicht ahnen, daß sie auf der Fahrt mit dem Auto zum Spielkasino an einer historischen Richtstätte vorüberfahren. Etwa dort, wo heute der Europakreisel ist, befand sich im siebzehnten Jahrhundert ein Galgen, an dem bis 1818 das Hochgericht vollzogen wurde.

Der Platz ist einer jener "Tatorte", die in dem gleichnamigen Buch der Bad Homburger Stadthistorikerin Gerta Walsh Aufnahme gefunden haben. Walsh, die sich seit mehr als zwanzig Jahren mit der Historie Homburgs beschäftigt, hatte im vergangenen Jahr eine Reihe von Beiträgen über "große und kleine Sünder" der Stadt für die "Taunus Zeitung" verfaßt, für die sie als freie Mitarbeiterin arbeitet. Der Societäts-Verlag hat die Artikelfolge, ergänzt um einige Fotos und ein Glossarium des Grauens (Halseisen, Betzenkammer, Hexenstuhl und andere Folterinstrumente werden dort erläutert), als Buch herausgegeben.

Die Autorin berichtet in 32 Kapiteln über Kriminalfälle aus vier Jahrhunderten, von denen manche banal, aber humorvoll sind, andere hingegen den Leser das Gruseln lehren und ihn mit einem Rechtsverständnis konfrontieren, das mit den heutigen Vorstellungen in unserer Zivilgesellschaft kaum noch etwas gemein hat. Zu ersterem gehört sicherlich das Malheur eines Kellners und eines Architekten, die Strafen von fünf Milliarden Mark respektive zehn Millionen Mark wegen Betrugs oder zu schnellen Fahrens zu zahlen hatten. Da die Geschichte im Jahr 1923 spielt und damit in der Inflationszeit, relativiert sich die Strenge der deutschen Justiz schnell.

400 Jahre früher sah der Gerechtigkeitssinn der Oberen aber ganz anders aus. Waldfrevler, die Feuer legten oder Bäume schädigten, wurden nach mittelalterlichem Recht gerichtet. Auf sie wartete der Tod nach fürchterlichen Qualen: "Es soll niemand Bäume in der Mark schälen, wer das tut, dem soll man seinen Nabel aus dem Bauch schneiden und ihn mit demselben an den Baum nähen, und denselben Baumschäler um den Baum führen, so lang bis ihm sein Gedärm alle aus dem Bauch um den Baum gewunden sein." Felddieben drohte das Auspeitschen oder das Abhauen der Hand, wer seine Tiere auf fremder Weide grasen ließ, mußte damit rechnen, in den sogenannten Schnellkorb gesteckt und mehrmals im Schloßteich untergetaucht zu werden.

Es gibt in dem Buch überdies grausame Beispiele, wie Denunziation Menschen ins Unglück getrieben und ein religiös fundierter Aberglaube Frauen um ihr Leben gebracht hat: Allein zwischen 1603 und 1656 waren in Hessen-Homburg hundert Menschen der Hexerei angeklagt, von denen 75 ihr Ende am Galgen oder auf dem Scheiterhaufen fanden. Manchmal reichte allein das dumme Gerede kleiner Kinder aus, um Frauen vor Gericht zu bringen, wie Walsh am Beispiel eines "Kriminalfalls" im kleinen Dorf Seulberg zeigt. Das Wort von den "großen und kleinen Sündern" im Untertitel des Buches ist also ernster gemeint, als man beim ersten Lesen glaubt.

RAINER HEIN

Gerta Walsh: Tatort Bad Homburg. Von großen und kleinen Sündern aus vier Jahrhunderten. Societäts-Verlag, Frankfurt. 128 Seiten, 9,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr