Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 6,00 €
  • Buch

Produktdetails
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.11.2005

Entdeckungsreise zu Fuß
Der Stadt(ver)führer
Neu aufgelegtes Werk erkundet auch abgelegene Gegenden Stuttgarts auf 20 Streifzügen
„Anständig, frei und breit“, so lautet Goethes Urteil über den Stuttgarter Schlossplatz. Anstelle des Neuen Schlosses, zu dem Herzog Carl Eugen 1746 den Grundstein legen ließ, stünde hier heute ein moderner Neubau, in dem ein Kanzler – pardon, eine Kanzlerin – residieren würde. Denn 1949 gab es Überlegungen, ob Stuttgart Sitz der deutschen Bundesregierung werden solle. Darüber, dass es anders kam, waren die Stuttgarter aber ganz froh. Man befürchtete, dass es mit der Gemütlichkeit dann vorbei wäre – „Mir hent so scho z’viel Großkopfete do.“
Mit kleinen Anekdoten aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt wie diesen ist der überarbeitete und erweiterte Führer „Stuttgart zu Fuߓ angereichert. Auf 20 Stadtteil-Streifzügen geleiten die Autoren den Leser durch Geschichte und Gegenwart Stuttgarts. Und dabei geht es ihnen keineswegs nur um Sehenswürdigkeiten wie den Glaskubus des neuen Kunstmuseums, die Promenade Königstraße oder Schillerplatz und Stiftskirche. Sie führen den Leser auch in weniger bekannte Gegenden: Zur Karlshöhe mit ihrer Aussichtsterrasse, die einen schönen Blick auf die Stadt erlaubt. Bei der Tour nach Zuffenhausen ist nicht nur von Porsche die Rede, sondern auch von Jugendstilbauten und dem Soziologen Max Horkheimer. Ein anderer Spaziergang führt in die einstige Hochburg der Arbeiterbewegung – die Gartenstadt Luginsland.
Was erlebte Joschka Fischer in seiner „wilden“ Stuttgarter Zeit? Bei den Ausflügen per pedes begegnet man vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. So war etwa Heinz Rühmanns erstes Auto ein Diabolo aus Heslach. Manchmal stimmt die Begegnung auch traurig, etwa im Fall der von den Nazis verfolgten Familie Schlotterbeck.
Über lokale Bräuche, Traditionen bis hin zu politischen Entwicklungen informieren verschiedene Themenkästen. Da geht es um die Frauenbewegungen in Stuttgart seit 1986, um Höhenflüge und Sparpakete „vom Späth zum Teufel“ bis hin zur fürs „Ländle“ typischen Küche. Tagblatt-Turm, barocke Schlösser oder der Altmeister der schwäbischen Moderne Paul Bonatz: Stuttgarts Baukunst widmet sich das Autorenteam in verschiedenen Kurzkapiteln zur Architektur.
An die 500 Abbildungen aus alten und modernen Zeiten beleben die Kapitel des mit fundiertem Wissen angereicherten Werks. Der Stadtspaziergänger sollte siche aber bereits zu Hause in seine jeweilige Tour einlesen und sich vor dem Start Notizen machen. Wer den Wälzer mitnimmt, läuft Gefahr, dass die Füße schneller müde werden als erwünscht.
ssc
Stuttgart zu Fuß. 20 Stadtteil-Streifzüge durch Geschichte und Gegenwart. Hg. von W. Skrentny, R. Schwenker, S. und U. Weitz. Tübingen: Silberburg-Verlag, 2005. 504 Seiten. 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2006

Do koasch echt nix saga

Dies ist ein altmodisches Buch. Die Fotos sind schwarzweiß und bloß von dokumentarischem Wert, es gibt keine Piktogramme, keine bunten Überschriften, auch keine Kneipentips. Dafür war schlicht kein Platz auf den fünfhundert Seiten, denn der Stadtführer ist proppenvoll mit Informationen zu Geschichte, Architektur und Leben der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Um es deutlich zu sagen: Es ist ein richtig gutes Buch, sowohl für "Reigschmeckte" wie für Urschwaben. Zwanzig Stadtrundgänge führen zuerst um Residenz und bürgerliches Stuttgart herum, um dann immer weiter an den Rand und somit auf die Hänge des Kessels hinaufzusteigen, es geht durch das Bohnenviertel, das ehemals dunkle Eck der Stadt, zum Hauptbahnhof und zur schwäbischen Villa Massimo, dem Schloß Solitude, dann mit der Zacketse nach Degerloch. Dabei wird alles, was entlang des Wegs auftaucht, detailliert erklärt, so auch ebendie Zacketse, also die Zahnradbahn. Am Beispiel der Weißenhofsiedlung, und nicht nur hier, wird aufgezeigt, wie schwer es die Moderne in Schwaben hatte. Le Corbusier, Mies van der Rohe, Gropius, alle bauten sie daran mit. Eine "Vorstadt Jerusalems" sei die Wohnanlage, wurde 1926 geschimpft, und es wurde gefordert, den "Schandfleck Deutschlands" abzureißen, was der Krieg verhinderte. Noch 1956 protestierte der Schwäbische Albverein dagegen, die verbliebenen Häuser unter Denkmalschutz zu stellen. Das Buch zeigt auf manch historischem Foto auch, wie Stuttgart früher aussah, dabei spart es Anekdotisches nicht aus wie etwa eine Abbildung des Häfelesmarktes auf dem Charlottenplatz oder eine polemische Collage der Weißenhofsiedlung als Araberdorf, zeigt aber auch Verluste wie das 1961 abgerissene Kaufhaus Schocken, 1928 von Erich Mendelsohn entworfen. Einige Themenkästen gehen näher auf Architekturbeispiele ein und erklären Urschwäbisches wie den "Besen" und die Kehrwoch', ersteres Heimat für Viertelesschlotzer, letzteres das Samstagshobby schlechthin. Ein ausführliches Register ermöglicht es, all das wiederzufinden, was man beim Durchblättern hie und da aufgeschnappt hat. Zu loben ist auch der Schwabenpreis, knapp zwanzig Euro - "ha do koasch echt nix saga", würde der Stuttgarter kommentieren.

bär

"Stuttgart zu Fuß. 20 Stadtteil-Streifzüge durch Geschichte und Gegenwart" herausgegeben von Werner Skrentny, Rolf Schwenker, Sybille Weitz und Ulrich Weitz. Silberburg Verlag, Stuttgart 2005. 520 Seiten, zahlreiche Abbildungen. Broschiert, 19,90 Euro. ISBN 3-00874707-649-0.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Einen altmodischen Reiseführer habe man da vor sich, meint "bär": keine bunten Bildchen und Infografiken und erst recht keine Ausgehtips. Dafür wäre auch gar kein Platz gewesen im Stadtführer "Stuttgart zu Fuß. 20 Stadtteil-Streifzüge durch Geschichte und Gegenwart." Was hier auf rund 500 Seiten informationsreich ausgebreitet wird, sei ein detailgenaues Bild der gebauten Geschichte der Stadt und der Eigenheiten ihrer Bewohner. Heimatkundliches wie die "Kehrwoch" und der "Besen" finde darin ebenso seinen Platz wie die anfangs arg befeindete Architektur der Moderne in der Weißenhofsiedlung. "Ein richtig gutes Buch" sei das geworden , findet der Rezenstent, für "Reigschmeckte" und natürlich auch für Urschwaben. Und letztere dürften sich auch über den echt schwäbischen Preis von nur 20 Euro freuen.

© Perlentaucher Medien GmbH