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Produktdetails
  • Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus - Wissenschaftliche Reihe
  • Verlag: DVA
  • Seitenzahl: 328
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 372g
  • ISBN-13: 9783421052209
  • ISBN-10: 3421052204
  • Artikelnr.: 23924235
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.1999

Die Wahrheit des Mannes der Straße
Heuss' und Dehlers publizistische Berichte aus dem Parlamentarischen Rat

Thomas Hertfelder, Jürgen C. Heß (Herausgeber): Streiten um das Staatsfragment. Theodor Heuss und Thomas Dehler berichten von der Entstehung des Grundgesetzes. Mit einer Einleitung von Michael F. Feldkamp. Bearbeitet von Patrick Ostermann und Michael F. Feldkamp. Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus. Wissenschaftliche Reihe, Band 1. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999. 328 Seiten, 2 Abbildungen, 39,80 Mark.

Häufig ist zu hören, die Verfassungsberatungen des Parlamentarischen Rates in Bonn 1948/1949 hätten nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Sicher hatten viele Deutsche in den Westzonen damals ganz andere Sorgen. Wer wollte, konnte sich jedoch in der örtlichen und überregionalen Presse ausführlich über den Stand der Beratungen informieren. Um die Publizität der Verfassungsberatungen kümmerte sich nicht nur eine Schar von Journalisten, auch die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates griffen selbst zur Feder. Der vorliegende Band versammelt allein 50 publizistische Beiträge der beiden FDP-Abgeordneten Theodor Heuss und Thomas Dehler. Darin kommentierten sie kontinuierlich den Fortschritt der Bonner Arbeiten und erläuterten die Position der FDP etwa zu den Streitfragen Bundesrat oder Senat oder Bundes- versus Länderfinanzverwaltung. Dehler und Heuss favorisierten einen Senat, bei der Finanzverwaltung votierte die FDP eindeutig zugunsten einer Bundeskompetenz. In gewisser Hinsicht stellt der Band daher einen Ersatz für die nicht überlieferten Sitzungsprotokolle der fünfköpfigen FDP-Fraktion des Parlamentarischen Rates dar. Heuss und Dehler warben aber auch grundsätzlich für die Akzeptanz der demokratischen Verfassungsschöpfung, zumal lange Zeit ein Referendum nach Abschluss der Bonner Verfassungsarbeiten möglich schien (anstelle der Abstimmungen über das Grundgesetz in den Landtagen, die 1949 stattfanden). Sie waren der Überzeugung, so Dehler, "dass es unsere geschichtliche Pflicht ist, die Chance der Rekonstruktion des deutschen Staates im gegebenen Rahmen rasch zu nützen", dies auch angesichts der Tatsache, dass das Ergebnis ihrer Bemühungen nur ein Provisorium sein sollte, dessen Rahmenbedingungen zudem von den drei westlichen Besatzungsmächten diktiert wurden. Wie sehr diese Einschränkungen am eigenen Selbstverständnis kratzten wird deutlich, wenn Thomas Dehler angesichts alliierter Intervention trotzig erklärte: "Wir sind keine Beauftragten der Besatzungsmächte und werden es nicht sein . . ." Schon 1948 war Theodor Heuss der Überzeugung, die Frage der Legitimation des Grundgesetzes werde sich langfristig von selbst klären: "Sie wird ihm von der späteren Geschichte zugesprochen oder verweigert werden, dies nach dem Grade, in dem sich seine Arbeit als ein auch in den Erschütterungen fest gegründeter Stein für den Bau neuer deutscher Staatlichkeit erweisen wird."

Das publizistische Engagement von Heuss und Dehler hatte ferner das Ziel, das von anderer Seite von den Bonner Beratungen gezeichnete Bild zu korrigieren oder, wie Dehler es in seiner deutlichen Sprache formulierte: "Der Mann auf der Straße muss die Wahrheit wissen." Dies richtete sich bei ihm - seine Artikel erschienen häufig im Informationsdienst der Freien Demokratischen Partei (Landesverband Bayern) oder dem Fränkischen Tag (Bamberg) - besonders gegen das in Bayern von Ministerpräsident Hans Ehard (CSU), dem Vorsitzenden der Bayernpartei Joseph Baumgartner und sogar "von der Kanzel" verbreitete Bild von einem nur aus Zentralisten bestehenden Parlamentarischen Rat, "die nur darauf ausgehen, Deutschland und insbesondere Bayern zu verpreußen". Dehler, der durchaus die Rechte der Länder gewahrt wissen wollte, ging scharf mit den in seinen Augen überzogenen Forderungen der Föderalisten ins Gericht, ebenso mit den Ansprüchen der katholischen Kirche und dem Misstrauen und der Gängelei der Besatzungsmächte. Die Argumentation der Artikel von Heuss, die er zumeist in der Rhein-Neckar-Zeitung (Heidelberg) veröffentlichte, ist in ihrer Tendenz stärker reflektierend, teilweise auch akademisch, so wenn er monierte, dass der vom bayerischen Ministerpräsidenten Ehard durchgesetzte Bundesrat nicht mit dem Prinzip der Gewaltenteilung in Einklang stehe oder nach der Konstituierung des Bundestages die in der Legislative entlasteten Landtage verkleinert werden könnten. Die Lektüre der 50 journalistischen Quellen ist stilistisch eine Freude und führt in komprimierter Form in alle wichtigen Themenbereiche der Arbeit des Parlamentarischen Rates ein. Die Herausgeber des Bandes, der gleichzeitig den Anfang zu einer wissenschaftlichen Reihe der Stuttgarter Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus bildet, überzeugen mit diesem Plädoyer für den Zeitungsartikel als historische Quelle.

Die Kommentierung fällt trotz gegenteiliger Ankündigung der Herausgeber allerdings zu umfangreich aus. Überdies fehlt ihr eine klare Linie. Die Verweise auf die Kommentare bei vorangehenden Dokumenten stimmen nicht immer. Journalistische Pseudonyme müssten entschlüsselt werden.

KARL-ULRICH GELBERG

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