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Produktdetails
  • Verlag: Frankfurter Allgemeine Buch
  • Seitenzahl: 276
  • Abmessung: 21mm x 154mm x 216mm
  • Gewicht: 610g
  • ISBN-13: 9783933180339
  • Artikelnr.: 26353910
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.1999

Machbares in Sachen Arbeitsrecht
Analysen und Reformvorschläge

Otto Rudolf Kissel: Standortfaktor Arbeitsrecht. Standortdebatte und Rechtsentwicklung - Wie geht es weiter? Frankfurter Allgemeine Zeitung, Verlagsbereich Buch, Frankfurt 1999. 276 Seiten, 68 DM.

Die hohe Arbeitslosigkeit wird zu Recht als die derzeit größte Herausforderung für die Wirtschaftspolitik gesehen. Ihre Bekämpfung ist nicht zuletzt so schwierig, weil ihre Ursachen komplex sind und daher auch komplexe Antworten erfordern. Otto Rudolf Kissel hat sich in seinem Buch "Standortfaktor Arbeitsrecht" einem Teilaspekt dieser Frage gewidmet, der diese Komplexität noch einmal potenziert. Das verlangt den ganzen Spezialisten. Als vormaliger Präsident des Bundesarbeitsgerichts ist der Autor als solcher sicherlich ausgewiesen.

Kissels Schrift ist ein differenziert und ohne spektakuläres Wortgeklingel geschriebenes Buch, das den stillen Pragmatismus (vielleicht ein wenig zu sehr) über drastische Reformvorschläge stellt. Bevor Kissel zu irgendwelchen Schlussfolgerungen kommt, legt er erst einmal ein argumentatives Fundament, indem er zunächst den Zweck, den Aufbau und die Aufgabe des Arbeitsrechtes umreißt. Damit eignet sich das Buch auch in guter Weise als kleine Einführung in die Materie für den interessierten Nichtfachmann. Im Arbeitsrecht, schreibt Kissel, gehe es um mehr als um die Sicherung von formaler Vertragsfreiheit. Überhaupt sei das moderne Arbeitsrecht hauptsächlich deshalb entstanden, weil es eine "strukturelle Unterlegenheit" des Arbeitnehmers im Zustand reiner Vertragsfreiheit gebe. Wenngleich nicht jeder Wirtschaftshistoriker dieser These zustimmen mag, sieht Kissel eine solche als klar geschichtlich belegt an. Dies verführt ihn aber nicht zu ideologischer Einseitigkeit. Dass es ein Spannungsfeld zwischen der weiterhin als elementares Verfassungsrecht existierenden Vertragsfreiheit und der gefährlich steigenden Tendenz zur tariflichen Vereinheitlichung gibt, sieht Kissel deutlich.

Solche Spannungsfelder sind es, denen sich Kissel besonders widmet. Sich in der Welt der realen Rechtslage bewegend, sieht er seine Aufgabe weniger darin, die ökonomisch perfekte Lösung zu finden, als vielmehr bestehende Entwicklungstendenzen und -möglichkeiten aufzuzeigen.

Das dürfte für viele enttäuschend sein. So findet eine grundlegende Kritik des Flächentarifvertrages nicht statt. Lediglich durch die Tarifparteien legitimierte Sonderregelungen seien möglich und wünschenswert. Beim Kündigungsschutz gießt Kissel ebenfalls eine große Portion Wasser in den Wein. Es sei kaum nachzuweisen, wie viel Abschwächung des im Kern grundgesetzlich geschützten Bestandsschutzes welchen arbeitsmarktpolitischen Effekt bewirke, womit er durchaus eine Grundfrage der gegenwärtigen politischen Diskussion erkannt hat. Auch hier müsse eine "praktische Konkordanz" zwischen dem Schutz vor Arbeitslosigkeit und dem Schutz bestehender Arbeitsplätze geschaffen werden. Dieser Gedanke der "praktischen Konkordanz" durchzieht letztlich das ganze Buch.

Schließlich, schreibt Kissel weiter, sei so die Reform des Arbeitsrechts nur ein Teilaspekt der Politik zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. In wesentlichen Fragen - wie dem ökonomischen Sinn und Unsinn von Tarifabschlüssen - habe man auf Grund der Tarifautonomie (zu Recht) nur formelle Prüfungskompetenzen. Das ist gut gesagt: Die Justiz kann schließlich nicht für die Fehler von Politik und Tarifpartnern geradestehen.

Wenngleich manche Ökonomen, die sich nicht an den Rahmenbedingungen des positiven Rechtes orientieren, sondern die mit einigen guten Gründen die Logik des Marktes als letzten Prüfstein des Arbeitsrechts sehen, das Ganze als leicht frustrierend empfinden dürften, sollte das nicht von der prinzipiellen Nützlichkeit des Buches ablenken. Eine Grenzabsteckung dessen, was im Rahmen des bestehenden Rechts nun wirklich machbar ist, kann durchaus hilfreich sein. In einem Land wie Deutschland, dessen sozialstaatliche Strukturen starke Verkrustungen aufweisen, kann schließlich auch schon der Appell an das Machbare revolutionär wirken. Manchmal wäre man schon froh, wenn wenigstens dieses Machbare gemacht würde.

DETMAR DOERING.

(Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung, Königswinter)

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