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Das erstaunliche Debüt eines inzwischen arrivierten Schriftstellers, der mit seinen Romanen Publikum und Kritik gleichermaßen begeistert.
Die Häuser, von denen hier erzählt wird, stehen in den neuen und in den alten Bundesländern, auch in Österreich. Die Menschen, die sie bewohnen, sind zum Beispiel ein Rechtsanwalt, der sich auf seine Weise am Aufschwung Ost beteiligt. Ein geschaßter Prokurist, der nach fünfunddreißig Jahren Dienst für eine Familienfirma einer Kabale der Eigentümer zum Opfer fällt. Ein Philosoph, dessen private Gedankenwelt keineswegs seiner akademischen entspricht. Eine…mehr

Produktbeschreibung
Das erstaunliche Debüt eines inzwischen arrivierten Schriftstellers, der mit seinen Romanen Publikum und Kritik gleichermaßen begeistert.

Die Häuser, von denen hier erzählt wird, stehen in den neuen und in den alten Bundesländern, auch in Österreich. Die Menschen, die sie bewohnen, sind zum Beispiel ein Rechtsanwalt, der sich auf seine Weise am Aufschwung Ost beteiligt. Ein geschaßter Prokurist, der nach fünfunddreißig Jahren Dienst für eine Familienfirma einer Kabale der Eigentümer zum Opfer fällt. Ein Philosoph, dessen private Gedankenwelt keineswegs seiner akademischen entspricht. Eine Prostituierte, die ein Mann war. Eine Frau, die sich die Vergangenheit anderer Frauen zulegt, weil sie keine eigene haben will ...

Ernst-Wilhelm Händler erzählt eine Geschichte aus elf Geschichten, von denen jede in eine andere konkrete Welt entführt - auch in eine ferne Zukunft, in der es keine Individuen mehr gibt
Autorenporträt
Händler, Ernst-Wilhelm
Ernst-Wilhelm Händler wurde 1953 in München geboren, studierte Philosophie und Wirtschaftswissenschaften und lebt als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens in Regensburg. 'Stadt mit Häusern' war 1995 sein vielbeachtetes literarisches Debüt, dem die Romane 'Kongreß' (1996; dtv 12586), 'Fall' (1997; dtv 12731), 'Sturm' (1999; dtv 13163) und 'Wenn wir sterben' (2002) folgten. 1999 erhielt Händler den Erik-Reger-Preis des Landes Rheinland-Pfalz.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.1995

Monologe eines Maklers
Ernst-Wilhelm Händlers Debüt / Von Wilhelm Kühlmann

Der Autor wurde 1953 geboren und lebt in Regensburg; es ist seine erste Buchveröffentlichung. Man mag das kaum glauben, denn die elf Gedankenspiele, Phantasiestücke und Sprachexerzitien dieses Bandes suggerieren erprobte Virtuosität und bewegen sich in einem erstaunlichen Spektrum literarischer Formen. Woran ehrgeizige jüngere Autoren bisweilen scheitern, wird hier sichtlich vermieden. Das Buch lebt nämlich nicht von der Biographie seines Urhebers, sondern läßt, woran literarischer Rang ja auch zu messen ist, Sinnwelten fremder Personen im Wechsel der Stimmen entstehen.

Darüber mag zunächst hinwegtäuschen, daß Händler Rollenmonologe eines Ich und Spielarten des Tagebuchs bevorzugt. Unter dem Titel "Demiurg" sind zum Beispiel Meditationen gesammelt, die den Sinn des Aufzeichnens in Frage stellen. Offenbar geht es nicht um die Alltagsnöte eines Literaten, sondern um die Diagnose einer Situation, aus der die Phantasie ihre produktive Kraft gewinnt. Die Frage nach dem Schicksal des cartesianischen Ich enthält so auch die Poetik der hier versammelten Texte. Denn der Verlust an klar definierbaren Ursachen und Zielen des Handelns führt nicht zur Willkür beliebiger Notate, sondern zu einer fesselnden Manier literarischer Weltläufigkeit. Jenseits aller vergeblichen Sehnsucht nach Ordnung und Gewißheit der Erfahrungen lenken Händlers Texte den Blick auf beliebige Bruchstücke des Lebens. Doch erscheint in ihnen nicht das schreibende Subjekt in der Ausweglosigkeit seiner Reflexionen, sondern ein Filigranwerk komplexer Lebensläufe und menschlicher Beziehungen.

Gleich an der ersten, der titelgebenden Geschichte läßt sich diese literarische Leistung ablesen. Ein westdeutscher Rechtsanwalt und Grundstücksmakler offenbart auf der Fahrt in den Osten die konkurrierenden Motive seines Denkens und Fühlens. Im erzähltechnischen Kunstgriff des Monologs wird ein Panorama des ostdeutschen Wirtschaftsbooms, aber auch des Elends der Subventionslandschaft entworfen. Hier tummeln sich Glücksritter und Spekulanten, ehemalige Abweichler und Opportunisten, anpassungswillige und betrügerische Altagenten der Stasi. Dies alles rückt in die Perspektive eines mit sich selbst beschäftigten Beobachters. Der literarische Perspektivismus garantiert einen Zuwachs an epischer Objektivität und historisch-sozialer Genauigkeit. Händler denunziert seine Figuren nicht und produziert auch nicht, wie neuerdings oft zu beobachten, Formen einer ästhetisch drapierten Proklamationsliteratur.

Am katastrophalen Zustand des Ostens läßt sich Geld verdienen. Doch ist der Makler deshalb kein von Wolken des Abscheus umhüllter Finanzhai. Er schlägt sich herum mit Entscheidungen, mit erotischen Fährnissen des außerehelichen Doppellebens und mit ökonomischen Kalkulationen, in denen sein Verhältnis zum Objekt der Geschäfte, den Häusern und Grundstücken, höchst ambivalent zur Sprache gebracht wird.

Nur im Königreich der Phantasie behält das Subjekt seine zentrale Position. Dies beweist auch eine Geschichte, in der ein aus einem heruntergekommenen Familienbetrieb entlassener Geschäftsführer seine Rachegelüste und Erfolgsträume offenlegt. Wer nach Texten sucht, in denen alltägliche Vorgänge der Wirtschaft in atmosphärischer Dichte rekonstruiert werden, wird Händlers Managerporträt bewundern. Diesem kontrastieren Studien über ganz andere Lebenswelten, etwa die Einblicke in das Interieur eines ländlichen Pachthofes "am toten Gebirge", also dort in den Alpen, wo die Autobahn nach Graz verläuft. Auch hier dominiert die Sicht einer Figur, diesmal der ihr Eheglück erträumenden Haustochter. Auch hier gelingt es, nun freilich in der Variation des Erzählkonzepts, bis hin zu den Einzelheiten episodischer Beiläufigkeit die Probleme, die Geschichte und die Vergeblichkeiten alltäglichen Bewußtseins auszudrücken.

Händler liebt es, die Monologe seiner Figuren in Adressatenbezüge und soziale Konstellationen einzubinden. So verschränkt sich die Erfahrung des Ich mit den Biographien der angesprochenen oder mittelbar exponierten Personen. Es entstehen raffinierte Effekte, die Lesererwartungen enttäuschen. Der Bericht einer Dirne wickelt nicht den Faden von Begebenheiten ab, die in einem Mordversuch endigen, sondern beleuchtet die psychischen Abgründe des Mannes, der beinahe zum Mörder der Frau wurde. In der Überschneidung von Sichtweisen läßt sich so selbst trivialen novellistischen "Beziehungskisten" ästhetischer Reiz abgewinnen. Dies gilt auch für den bizarren Einfall, die sexuelle Edukation einer Geschichtsstudentin und Schuhverkäuferin nach jenen Mustern ablaufen zu lassen, die in deren Tagebuch vorweggenommen werden. Daß dieses Tagebuch von Reminiszenzen an Thomas Manns "Zauberberg" bestimmt wird, verwandelt die Prosa-Etüde zur Travestie überkommener Bildungsgeschichten.

Freilich gerät der Autor dort auf Abwege, wo er seinen wichtigsten Prinzipien untreu wird, den Prinzipien der perspektivischen Objektivität. Wo der Perspektivismus sich in die kaleidoskopartigen Fragmente eines Erzählpuzzles auflöst, verfällt Händler dem scheinbaren Reiz jenes "Beliebigen", das in den besten Stücken dieses Bandes die sich entziehende Wirklichkeit in der symbolischen Evidenz des Momenthaften erschließt. Die Erzählung "Morgenthau" entwirft eine düster gefärbte Ruinenlandschaft im Schein einer Apokalypse, in der die Stimmen von Kindern sich nur notdürftig zu Sinnfragmenten verbinden.

Auch in der angestrengten Sprachübung, die unter dem Titel "Max" gedruckt ist, scheint der Autor auf Abwege zu geraten. Diese Abwege sind der Preis, der zu zahlen ist für jenen Ehrgeiz, der dem gesamten Band den Charakter einer literarischen Vorführung verleiht. Es ist, als ob es Händler darauf angelegt habe, die Palette narrativer Möglichkeiten und Begabungen auszubreiten. Das nötigt den Leser zu immer neuen Einstellungen auf frappante Änderungen des Erzählerwillens und der Brechungswinkel, unter denen Realität gedeutet wird. Gelegentliches Unbehagen und die Versuchung, dort weiterzublättern, wo Händler Moden gehorcht, statt seine Beobachtungsgabe auszuspielen, ändern wenig an der Anerkennung, die dieses Buch verdient.

An der Pranke erkenne man den Löwen, heißt ein alter Spruch. Die Pranke liegt auf dem Tisch. Ob es eine Attrappe ist, wird sich vielleicht in späteren Werken zeigen. Daß dann die Pranke zu einem veritablen literarischen Löwen gehört, ist zu hoffen.

Ernst-Wilhelm Händler: "Stadt mit Häusern". Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 1995. 263 S., geb., 38,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Die beschriebenen Häuser bilden einen Erzählraum, in dem Menschen, Ideen, Dinge ihre Ordnung (oder Unordnung) finden ... Händlers Sprache ist nüchtern, sachlich, ohne jeden Schnörkel, manchmal schwingt etwas Resignation mit. 'Stadt mit Häusern' ist einer der selten gewordenen Fälle, daß ein Autor nicht allein etwas zu erzählen hat, sondern es auch erzählen kann mit eigener, modulationsreicher Stimme." Ulrich Faure im 'Rheinischen Merkur'

"Die elf Gedankenspiele, Phantasiestücke und Sprachexerzitien dieses Bandes suggerieren erprobte Virtuosität und bewegen sich in einem erstaunlichen Spektrum literarischer Formen." Wilhelm Kühlmann in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung'

"Es ist bewundernswert, mit welcher Vielseitigkeit dieser Autor seinen Rollenwechsel betreibt ... Er besitzt die große Gabe, das Bekannte und Abgenutzte sowohl durch die Kraft seines Einfühlungsvermögens wie durch Verfremdung bis hin zur Ursprungsidee zu erneuern." Margret Steckel im 'Letzeburger Journal'