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In diesem Buch geht es um das wissenschaftliche Experimentieren, das in den Wissenschaften seit der Frühen Neuzeit eine immer größere Rolle spielt. Umso erstaunlicher ist es, dass sich Philosophie und Geschichte der Wissenschaften mit der unglaublichen Vielgestaltigkeit des Experimentierens kaum auseinandergesetzt haben. Hans-Jörg Rheinberger beleuchtet sie in seinem neuen Buch in all ihren Facetten. Er untersucht die Materialität des Experiments, seiner Gegenstände und seiner Instrumente ebenso wie die größeren räumlichen und zeitlichen Zusammenhänge, in die das wissenschaftliche…mehr

Produktbeschreibung
In diesem Buch geht es um das wissenschaftliche Experimentieren, das in den Wissenschaften seit der Frühen Neuzeit eine immer größere Rolle spielt. Umso erstaunlicher ist es, dass sich Philosophie und Geschichte der Wissenschaften mit der unglaublichen Vielgestaltigkeit des Experimentierens kaum auseinandergesetzt haben. Hans-Jörg Rheinberger beleuchtet sie in seinem neuen Buch in all ihren Facetten. Er untersucht die Materialität des Experiments, seiner Gegenstände und seiner Instrumente ebenso wie die größeren räumlichen und zeitlichen Zusammenhänge, in die das wissenschaftliche Experimentieren gestellt ist und in denen es sich verwirklicht. So entsteht eine neue Sicht auf die Wissenschaft im Werden.
Autorenporträt
Hans-Jörg Rheinberger ist Direktor emeritus am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Zuletzt ist im Suhrkamp Verlag erschienen: Epistemologie des Konkreten (stw 1771).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Der hier rezensierende Historiker Onur Erdur kennt und schätzt die Werke des Molekularbiologen, Philosophen und langjährigen Direktors des Berliner Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte Hans-Jörg Rheinberger. Entsprechend erfreut ist der Kritiker über dieses Buch, das Kennern als "Gesamtschau" von Rheinbergers Lebenswerk erscheinen mag, sich aber auch an ein größeres Publikum wendet: Anregend und zugleich verständlich führe der Autor im Rückgriff auf frühere Studien in die komplexen Prozesse des Experimentierens ein, dabei weniger die "geistigen Bewusstseinszustände", sondern vielmehr die "Daseinsweisen von Wissensdingen" erkundend, klärt Erdur auf. Und so lässt sich der faszinierte Kritiker zunächst in die "Unterwelt der Forschungstechnologien" einführen, um sich von Rheinberger im zweiten Teil des Buches schließlich über Biologiegeschichte und die räumlichen, zeitlichen und epistemiologischen Zusammenhänge des Experimentierens aufklären zu lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.06.2021

Wie neues Wissen gewonnen wird
Hans-Jörg Rheinberger präsentiert eine Zusammenschau seiner Einsichten in wissenschaftliches Experimentieren

Wenn es im deutschsprachigen Raum um das Thema Experimente geht, dann kommt man an den Arbeiten des Molekularbiologen, Philosophen und Wissenschaftshistorikers Hans-Jörg Rheinberger nicht vorbei. Der langjährige und mittlerweile emeritierte Direktor des Berliner Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte hat in ebendieser Funktion viele neue Forschungen angeschoben und in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Bücher zur Geschichte und Epistemologie des modernen Experimentierens verfasst.

Wegweisend war seine 2001 veröffentlichte Studie "Experimentalsysteme und epistemische Dinge". Darin identifizierte er entlang einer ausführlichen Fallstudie aus der Geschichte der Molekularbiologie Experimentalsysteme als die treibenden Momente der modernen Naturwissenschaften, als "Maschinen zur Herstellung von Zukunft". Neues Wissen wird laut Rheinberger nicht einfach so "entdeckt", sondern erst in einem oftmals diffusen und unvorhersehbaren Prozess des Experimentierens gewonnen, der selbst wiederum eingebettet ist in eine relativ stabile Umgebung der technischen Objekte. Bei Experimentalsystemen handelt es sich kurz gesagt um ein komplexes Gebilde aus Wissenschaftlern, Institutionen, Technologien und Verfahren, das in enger Verbindung mit seiner jeweiligen Zeit und den vorherrschenden wissenschaftlichen Entwicklungen steht.

Mit "Spalt und Fuge" knüpft Rheinberger nahtlos an seine früheren Studien an. Auch das neue Buch zeugt von der nicht ablassenden Faszination für die Frage, was beim Experimentieren genau vor sich geht und wie dabei neues Wissen entsteht. Aber dieses Mal sind Problemhorizont und Darstellung weiter gespannt.

Rheinberger unternimmt den groß angelegten Versuch, das "wissenschaftliche Experimentieren in den unterschiedlichsten Hinsichten seiner Erscheinung" zu beleuchten. Das muss man wörtlich verstehen: Die unglaubliche Vielgestaltigkeit des Experimentierens soll hier auch deshalb detailliert beschrieben werden, damit man der Komplexität des Gegenstands gerade auch in philosophischer Hinsicht gerecht werden kann. Mit anderen Worten: Für eine komplexe und bewegliche Wissenschaft braucht es eine komplexe und bewegliche Philosophie.

Insofern verwundert es nicht, dass Rheinberger von seinem Unterfangen als einer "Phänomenologie des Experiments" spricht, wie es der Untertitel ankündigt. Unter Phänomenologie versteht er nicht so sehr eine Erkundung der geistigen Bewusstseinszustände, sondern "eine elastische Methode der Beschreibung", die die Erscheinungsformen und Daseinsweisen von Wissensdingen (und eben nicht Geistesdingen) freilegt und veranschaulicht. Rheinbergers Inspirationsquelle für eine solche phänomenologisch vorgehende Epistemologie ist der französische Philosoph Gaston Bachelard. Dessen Konzepte wie "Phänomenotechnik" und "Wissenschaftswirkliches" sind leitende Begriffe der Untersuchung. Sie werden von Rheinberger an konkretem Material aus der Geschichte der biologischen Wissenschaften des zwanzigsten Jahrhunderts exemplifiziert und entwickelt.

Das Buch ist in zwei große Teile gegliedert. Im ersten Part taucht Rheinberger in die "Unterwelt der Forschungstechnologien" ab und macht sichtbar, was am Experimentieren übersehen wird, weil es unterhalb der Wahrnehmungsschwelle bleibt. An die Oberfläche gelangen auf diese Weise die unterschiedlichsten Praktiken - vom Hantieren mit technischen Apparaten über das Messen, Modellieren und Datenerheben bis hin zum Protokollieren. Neben dem Einblick in das, was alles unterm Mikroskop oder im Reagenzglas geschieht, bekommt man hier vor allem etwas vor Augen geführt, was wie eine Banalität klingen mag, aber heutzutage leicht unter den Tisch fällt - dass nämlich die moderne Wissenschaft eine durch und durch praktische Veranstaltung ist.

Im zweiten Teil beleuchtet Rheinberger die größeren räumlichen, zeitlichen, narrativen und epistemologischen Zusammenhänge, in die das Experimentieren gestellt ist und in denen es sich verwirklicht. Das Ganze wird philosophischer und essayistischer, aber auch diesen Abschnitten fehlt es nicht an Konkretion. Die epistemologischen Reflexionen über die Natur des Experiments wechseln sich stets mit detailgenauen Darstellungen der Biologiegeschichte ab. Dieses sprachlich virtuos gehandhabte Stilprinzip - ein Merkmal von Rheinbergers Darstellungen - durchzieht sämtliche Kapitel.

So ist ein glänzend geschriebenes Buch entstanden, das explizit keine Systematik, keine philosophische Wesensbestimmung des Experiments und auch keine Definitionsversuche beabsichtigt. Beim Lesen wird auch schnell klar, warum: Die Formen, die das Experiment seit der Frühen Neuzeit über Jahrhunderte hinweg durchlaufen hat und die heute im Zeitalter von Big Data abermals an einer Wende zu stehen scheinen, sind tatsächlich so vielgestaltig und ausufernd, dass jeglicher Versuch einer reduktionistischen Bestimmung des Ganzen zum Scheitern verurteilt wäre.

Das Buch bietet stattdessen eine "Zusammenschau und Überschau". Diese an Ernst Cassirer angelehnte Wortwahl ist insofern ganz passend, als die einzelnen Kapitel allesamt auf bereits publizierten Vorarbeiten basieren und hier neu zusammengefügt wurden. Wer die Arbeiten von Rheinberger bereits kennt, ist leicht geneigt, im vorliegenden Buch auch eine Art "Gesamtschau" des Lebenswerks seines Autors zu sehen. Und wer sie nicht kennt, findet wiederum im Überblickscharakter des Buchs den besonderen Anreiz zur Lektüre. Der Leser wird abwechselnd vom Biologen und vom Philosophen an die Hand genommen, buchstäblich durch die unterschiedlichen Räume und Zeiten der Wissenschaftsgeschichte geführt und bekommt so einen guten Einblick in die Welt der biologischen Laboratorien. Anspruchsvoll bleibt die Lektüre trotz der verständlichen Sprache Rheinbergers dennoch jederzeit.

ONUR ERDUR

Hans-Jörg Rheinberger: "Spalt und Fuge".

Eine Phänomenologie

des Experiments.

Suhrkamp Verlag,

Berlin 2021. 289 S., br., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Der Leser wird abwechselnd vom Biologen und vom Philosophen an die Hand genommen, buchstäblich durch die unterschiedlichen Räume und Zeiten der Wissenschaftsgeschichte geführt und bekommt so einen guten Einblick in die Welt der biologischen Laboratorien. Anspruchsvoll bleibt die Lektüre trotz der verständlichen Sprache.« Onur Erdur Frankfurter Allgemeine Zeitung 20210629