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Wie man in High Heels auf dem Boden der Tatsachen landet, ohne sich den Hals zu brechen
Sie kann nicht kochen. Sie sieht schlecht. Sie interessiert sich nicht wirklich für Geld und greift, wenn es sein muss, zu durchsichtigen Notlügen. Nach einer Blitzkarriere als Modekolumnistin sitzt Betty auf der Straße. Sie sollte ihr Leben überdenken. Ihrer Tochter Cosmima ein Zuhause bieten. Artus zum Teufel jagen. Später, Baby.
Das Leben hatte es gut gemeint mit Betty: lange Beine, eine reizende kleine Tochter, ein Apartment in Greenwich Village, einen Traumjob bei einer deutschen Modezeitschrift
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Produktbeschreibung
Wie man in High Heels auf dem Boden der Tatsachen landet, ohne sich den Hals zu brechen

Sie kann nicht kochen. Sie sieht schlecht. Sie interessiert sich nicht wirklich für Geld und greift, wenn es sein muss, zu durchsichtigen Notlügen. Nach einer Blitzkarriere als Modekolumnistin sitzt Betty auf der Straße. Sie sollte ihr Leben überdenken. Ihrer Tochter Cosmima ein Zuhause bieten. Artus zum Teufel jagen. Später, Baby.

Das Leben hatte es gut gemeint mit Betty: lange Beine, eine reizende kleine Tochter, ein Apartment in Greenwich Village, einen Traumjob bei einer deutschen Modezeitschrift und großzügige Verehrer, die in Fünf-Sterne-Hotels (mindestens) auf sie warten. Doch auf einmal verliert sie ihren Job. Sie muss zurück nach Deutschland, wo sie Franz wieder sieht, den Vater ihrer Tochter Cosima. Zu dritt ziehen sie nach Berlin mit der festen Absicht, nichts in die Wände zu dübeln, um schnell wieder abhauen zu können. Und dann verliebt Betty sich. Für Artus reist nach Heiligendamm und Miami, nur um von ihm wie eine entfernte Bekannte behandelt zu werden. Hin und her gerissen zwischen alter und neuer Liebe, muss sie lernen, ohne Dispokredit zu leben und endlich das zu tun, wovon sie und Cosina immer schon geträumt haben ...

Autorenporträt
Kritin Rübesamen, geboren in München, studierte deutsche und russische Literatur und arbeitete für Spiegel-TV, ARD, ZDFundSZ-Magazin. Sie lebte lange mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in NewYork, wo sie sich zur Yogalehrerin ausbilden ließ. Seit sie mit ihrer Familie nach Berlin umgezogen ist, unterrichtet sie Yoga und arbeitet für Fernsehen und Printmedien. Später, Baby ist ihr erster Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.08.2004

Diese Stadt, diese Jahre
"Später, Baby", der erste Roman der Journalistin Kristin Rübesamen, ist ein Loblied auf New York in Zeiten der deutschen Medienkrise

Manhattan ist am schönsten im September. Nach der Hitze, vor dem Herbst. Die New Yorker wissen das natürlich, der Rest der Welt erfuhr es spätestens beim Angriff auf das World Trade Center, als der morgendliche Himmel über der Stadt wolkenlos war, ein tiefblauer Bildgrund für Feuer, Rauch und Asche, eine strahlende Kulisse für den tausendfachen Tod. Später erinnerten die Augenzeugen immer wieder daran, welch ein wunderbarer Spätsommertag dieser 11. September gewesen sei, bis die Flugzeuge einschlugen. Und wie danach, das beteuerten nicht nur die Augenzeugen, nichts mehr so war wie zuvor.

"Anfang September muß man alleine sein", sagt eines der vielen spindeldürren, schnatternden Models, die Kristin Rübesamen durch ihren Debütroman "Später, Baby" spazieren läßt. "Da passiert immer so viel, das kriegt man gar nicht mit, wenn man einen Freund hat, findest du nicht? Das ist auf jeden Fall meine Lieblingszeit in New York. Total magisch." Betty, die Hauptfigur dieses Buchs, erwidert nichts, denn sie hat Anfang September nicht nur keinen Freund, sondern auch keinen Job mehr, was vielleicht weniger schmerzte, wenn sie nur eins von beiden hätte. Einen Freund. Oder einen Job.

Betty war Modekorrespondentin eines Münchner Magazins. Bis eben. Bis die Anzeigen ausblieben. Bis die Börse platzte. Also eigentlich bis zum 11. September, der zwar längst vorüber ist, als sie entlassen wird, aber eben nicht vergangen. Weil für die Medienbranche, in der Kristin Rübesamen ihren Roman angesiedelt hat, der 11. September erst im Sommer darauf vorbei war. Eben etwas später, Baby. Als nach und nach die Redaktionen geschlossen und die Leute nach Hause geschickt wurden. Weil die Börse taumelte, weil die Anzeigen ausblieben, weil keiner mehr investierte: Rezession, Baby.

Kristin Rübesamen packt den 11. September, von dem sie in "Später, Baby" erst spät erzählt, auch wenn das Buch von der ersten bis zur letzten Zeile von ihm umgetrieben wird, sie packt also diesen Schicksalstag und das Schicksalsjahr der deutschen Medienbranche ausgerechnet in ein Genre, das gemeinhin als "Frauenliteratur" abgetan wird. In Chick Lit, wie man dieses Genre in den Vereinigten Staaten nennt, was sich vielleicht mit "Püppchenprosa" übersetzen ließe. Kristin Rübesamen spricht übrigens von "Hühner-Geschreibsel". Die erfolgreichen Matadorinnen der Chick Lit heißen Plum Sykes ("Bergdorf Blondes", noch nicht, aber bestimmt bald übersetzt), Lauren Weisberger ("Der Teufel trägt Prada") und natürlich Candace Bushnell ("Sex and the City").

Ihre Bücher, auf deren elegante Sorglosigkeit und beschwingt beißenden Witz Kristin Rübesamen - und ihr Verlag - unverkennbar anspielen, handeln allerdings nicht von Frauen, die Prosecco trinken. Sie spielen nicht in unserer Angestelltengesellschaft, sondern ganz oben, unter den Prinzessinnen von Tribeca, Chelsea und der Upper East Side oder rund um die amerikanische Vogue. Und weil sich solche überkandidelten Manhattaner Verhältnisse nicht so ohne weiteres übertragen lassen auf das Mittelmaß von Mitte, hängt "Später, Baby", das zwar auch in New York, aber eben vor allem in München, Oberbayern, Heiligendamm und Berlin spielt, manchmal etwas in der Luft.

Die Autorin muß das gespürt haben. Deshalb kommt sie alle paar Absätze auf die Gegenwelt von Manhattan zurück, in der Betty und ihre zehnjährige Tochter glücklicher waren und in der Bettys modisches Raffinement einfach besser aufgehoben ist als auf dem bröckelnden Pflaster von Berlin-Charlottenburg, das ihr die Manolo Blahniks ruiniert.

Kristin Rübesamen ist selbst Journalistin, sie hat lange Jahre mit ihrem Mann, dem damaligen New Yorker "Spiegel"-Korrespondenten, in Manhattan gelebt. Und sie scheint diese Stadt, diese Jahre zu vermissen. Denn all die amerikanischen Einsprengsel in ihrer sonst sicheren Prosa, all das "anyway" hier und "Honey" dort, all die Eindeutschungen amerikanischer Redensarten klingen doch sehr danach, als schriebe sich hier jemand das Heimweh von der Seele. Man fühlt es ihr nach. Andererseits freut es einen dann aber auch, wenn die Autorin das Fremdsein im eigenen Land gelegentlich ironisiert: "Germans, dachte Betty, und daß sie sich als Ausländerin jetzt fürchten würde."

Deutsche in New York, hat der in Bangkok lebende Schriftsteller Christian Kracht einmal aufgestöhnt, das sei "ernst, ernst, ernst", eine unlustige Welt. Was "Später, Baby" von den amerikanischen Gegenstücken der Chick Lit unterscheidet, ist denn auch ein ab und an nicht unterdrücktes Problembewußtsein, Selbstreflexion, ja Anspruch. Plum Sykes und die anderen hatten sich eher Filme als Bücher zum Vorbild genommen, also nicht Truman Capotes, sondern Blake Edwards' "Frühstück bei Tiffany". Kristin Rübesamens alleinerziehende Mutter Betty und ihre widerspenstige Tochter Cosima in Manhattan erinnern dagegen von weitem ein wenig an Gesine Cresspahl und die kleine Marie aus den "Jahrestagen" von Uwe Johnson. Und was denen Vietnam und der Prager Frühling waren, ist Betty und Marie der 11. September. Am Tag danach stehen die beiden am Westside Highway und winken den heimkehrenden Feuerwehrleuten zu, in der Luft die Schwebeteilchen verbrannter Menschen.

Betty, heißt es zwar, interessiere nicht der "Sozialporno", sondern "das Glück" New Yorks. Und doch ist ihr Glück ein Glück des Alltags: Der Friseur und seine Plastikblumen, die dicken Töchter des mexikanischen Deli-Besitzers. Die abgelegene zehnte, nicht die glänzende Fifth Avenue wie bei den "Bergdorf Blondes", die sich genau alle dreizehn Tage blondieren lassen, um die richtige Farbe zu halten, die kotzen, um dünn zu bleiben, und sich als höchstes Lob "You look so ana!" zurufen: Du siehst so anorexisch aus.

Bulimisch und zu mager ist in "Später, Baby" nur die Chefredakteurin des Münchner Modemagazins, die Betty kurz und schmerzlos vor die Tür setzt, weil der Verlag sparen muß. Die Anzeigen, Süße. Wie Kristin Rübesamen den Jargon der Branche einfängt, wie sie ihre Figuren mit einem Nebensatz präzis beschreibt (Eva hatte "Mitte der Achtziger als Barfrau im P 1 gearbeitet"), ist schön, der Rausch des Rauswurfes und die arbeitslose Leere danach wirklich gut getroffen. Die Männer aber, die sie um Betty gruppiert, sind Schemen. Ein reicher Schweizer, der sie heiraten will, ein verspielter Lebenskünstler, den sie geheiratet hat, ein New Yorker Barkeeper/Schauspieler und schließlich Artus, der ihr Herz erobert hat, aber eine andere liebt, ein Mann von Welt, einer, der bewegt und entscheidet, der Stil hat und Sex obendrein.

"Alle Frauen wollen ,Carrie' sein und alle Männer ,Mr. Big'", schreibt Kristin Rübesamen einmal über Manhattan, und dieser Satz gilt trotz der Manolo Blahniks und des Schreibjobs zwar nicht für Betty, aber eben für Artus, der Big aus "Sex and the City" sehr ähnelt. Doch vielleicht ist dieser Typ Mann ja derzeit einfach nur das Ideal gebildeter Singles von Mitte Dreißig und der Magazine, für die sie schreiben, und die Autorin hat das gewußt und ihn deshalb gleich im Namen zum Ritter geschlagen. Die Krise jedenfalls, in die Betty fällt, als sie bemerkt, daß er sie aus seinem Leben entfernt, ist jedenfalls heartfelt, wie Betty sagen würde, und nicht larger than life wie Artus der Große.

"Du willst irgendwohin gehen, irgendwas tun, mit irgendjemandem reden, aber es ist erst halb zwölf am Morgen und alle anderen auf der Welt haben einen Job." Schreibt Jay McInerney in "Bright Lights, Big City", einem anderen Generationenbuch, dessen Hauptfigur ebenfalls seine Stelle bei einem Magazin verliert und mit gebrochenem Herzen durch Manhattan stolpert. Weswegen der Satz auch gut zu "Später, Baby" paßte. Betty stolpert erst durch München, dann in ein Yoga-Seminar, das ihr der Verlag als Abfindung geschenkt hat, schließlich durch ein Berlin, das so abgestanden wirkt, wie es nur Leute empfinden können, die lange genug in München gelebt haben. Oder sonstwo, wo die Mieten großer Altbauten nicht spottbillig sind und die Menschen noch echte Berufe haben. Betty hat keinen mehr.

Im Hotel in Heiligendamm, wo sie Artus trifft, fragt eine Barbekanntschaft: "Medien, oder?" Und als Betty nickt, sagt er noch: "Da wartet ein neues Lumpenproletariat auf uns." Ein bitterer, kurzer Dialog, in dem aber aufscheint, was die Stärke dieses Buchs ist: Nicht das Heimweh oder das Herzweh, sondern das Hartzweh: Eben noch konnte sie "innerhalb einer halben Stunde einen Tisch bei Cipriani ohne Reservierung bekommen, sogar mit Nordkoreanern eine amüsante Tischkonversation führen", eben noch hat sie "vor keinem Nachtclub in der Welt Schlange stehen müssen", eine VIP-Card vom Luxuskaufhaus Barneys besessen und die Privatnummer von Daniel Day-Lewis. Eben noch war das ein Leben. Doch jetzt, wo so viele andere mit dem gleichen Lebenslauf um die Redaktionen kreisen? "Aber heute im sogenannten Schröder-Rezessionsdeutschland? Sie griff nach einer seiner Zigaretten." Und weil Durst schlimmer als Heimweh und Herzweh und Hartzweh ist, betrinkt sie sich und versinkt einfach im Selbstmitleid. Sie zieht sich am Ende des Buches nur halb am eigenen Schopf heraus: "Das Leben ist schön. Ein Abenteuer. Eine Möglichkeit, immer neu." Doch so dumm, um an die Durchhalteparolen der Frauenliteratur zu glauben, ist Betty nicht.

"Weiß man auf der Upper East Side, daß Amerika sich im Krieg befindet?" hat Kristin Rübesamen kürzlich Plum Sykes in einem Interview gefragt. Das ist nicht fair, hat die geantwortet, und daß sie in den Monaten nach dem 11. September die "Bergdorf Blondes" zu schreiben begonnen habe, weil wir alle nach dem Horror eine Abwechslung nötig hätten. Kristin Rübesamen hat den Horror in ihre Chick Lit hineingeschrieben. Das macht den Unterschied, würde Betty sagen.

TOBIAS RÜTHER.

"Später, Baby" ist soeben im Diana Verlag erschienen und kostet 17 Euro.

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