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Ralph Dutli
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Soutines letzte Fahrt
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- Verlag: Büchergilde Gutenberg
- ISBN-13: 9783763266609
- Artikelnr.: 40424744
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ganz verzaubert ist Beate Tröger von diesem im Jahr 1943 in Paris spielenden Roman von Ralph Dutli. Dessen Einfühlung in Leben und Werk des jüdischen Malers Chaim Soutine findet sie nicht nur äußerst gelungen. Der komplex konstruierte Text zeigt ihr auch einen Virtuosen der Sprache am Werk, der sich nicht dazu verführen lässt, Leerstellen in dieser faszinierenden, an bizarren Einzelheiten reichen Biografie durch Fiktion zu tilgen, sondern Distanz und weitreichende Einfühlung einander abwechseln lässt. Das Glühen des Textes, von dem die Rezensentin spricht, scheint nicht zuletzt hier seinen Ursprung zu haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Hunger, der anderen keinen Krümel lässt
Die Faszination springt über, aber das Geheimnis des Zaubers bleibt: Ralph Dutli nähert sich in seinem ersten Roman dem rätselhaften Werk von Chaim Soutine.
Der Anblick traf ihn wie ein Blitz. In Paris, wo Ralph Dutli von 1982 bis 1994 lebte, stieß er 1989 in den Schächten der Metro auf ein Ausstellungsplakat, das ein Gemälde der Kathedrale von Chartres zeigte. Das Bild von der "taumelnden Kathedrale" stammte von dem weißrussisch-jüdischen Maler Chaim Soutine, der, 1883 oder 1894 geboren, 1943 in Paris starb. Fünfundzwanzig Jahre nach dieser ersten Begegnung wird gegen Ende von Dutlis Romanerstling "Soutines letzte Fahrt" dieses Schlüsselerlebnis geschildert: "Es ist die
Die Faszination springt über, aber das Geheimnis des Zaubers bleibt: Ralph Dutli nähert sich in seinem ersten Roman dem rätselhaften Werk von Chaim Soutine.
Der Anblick traf ihn wie ein Blitz. In Paris, wo Ralph Dutli von 1982 bis 1994 lebte, stieß er 1989 in den Schächten der Metro auf ein Ausstellungsplakat, das ein Gemälde der Kathedrale von Chartres zeigte. Das Bild von der "taumelnden Kathedrale" stammte von dem weißrussisch-jüdischen Maler Chaim Soutine, der, 1883 oder 1894 geboren, 1943 in Paris starb. Fünfundzwanzig Jahre nach dieser ersten Begegnung wird gegen Ende von Dutlis Romanerstling "Soutines letzte Fahrt" dieses Schlüsselerlebnis geschildert: "Es ist die
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Fixierung des einzigen Bildes, des alles entscheidenden Augenblicks. Die unermessliche Scham, die anwachsende Befremdung, auf der Welt zu sein. Die Verwaistheit aller Figuren, das Taumeln der Dinge in einer heillosen Welt."
Spürbar wird die Faszination des Autors für Soutines Werk schon in den ersten Sätzen dieses komplex gebauten Romans. Lange Jahre hat der 1954 in Schaffhausen geborene, heute in Heidelberg lebende Slawist und Romanist das Werk des russischen Dichters Ossip Mandelstam ins Deutsche übersetzt. Er hat als Biograph desselben, als Essayist und Lyriker Sprachen in ihren feinsten Facetten ergründet. "Soutines letzte Fahrt" führt Dutlis Kunst des Übersetzens, des Sich-Eindenkens und -fühlens in ein fremdes Werk, in gewissem Sinne weiter. Das Buch übersetzt mit profunder Kenntnis von Werk und Leben des Malers in Worte, was der Autor in den expressiven Gemälden sieht. Dabei ist sein Blick auf feinste Nuancen gerichtet: "Wenn im Französischen couleur und douleur, Farbe und Schmerz, so nah beieinanderliegen, was meinen Sie dann zur merkwürdigen Nachbarschaft von Farben und Narben im Deutschen? Sind die farbigen Wunden in der einen Sprache schmerzhaft, offenbar, gegenwärtig, durchpulsen die Haut und das sprachliche Gewebe, so zeugen sie in der andern von gewesenen Verletzungen, von geschlossenen Wunden, von der späten Erinnerung an den Schmerz."
Hier ist ein akribischer Sprachvirtuose am Werk. Dennoch verliert Dutli die Konzeption nie aus dem Blick. Sie könnte inspiriert sein von "Cherry Brandy", einer Erzählung Warlam Schalamows aus dem Jahr 1958 über den für Dutli so bedeutsamen, in einem sibirischen Arbeitslager internierten Mandelstam und dessen Gedanken in den Stunden vor seinem Tod. Auch "Soutines letzte Fahrt" wird von den letzten Lebensstunden her erzählt. Man schreibt das Jahr 1943, Frankreich ist unter deutschem Besatzungsregime. Der seit 1913 in Paris lebende Soutine wird gesucht, er hat die Stadt verlassen. Doch sein Magengeschwür macht eine Operation erforderlich. Versteckt in einem Leichenwagen wird er von Chinon an der Loire in eine Pariser Klinik transportiert. Mit ihm im Wagen ist seine Geliebte Marie-Berthe Aurenche, die frühere Frau von Max Ernst. Auf einer abenteuerlichen Fahrt voller Umwege erinnert sich der im Morphiumrausch delirierende Maler an sein Leben. Oft bruchstückhaft-verzerrt tauchen Menschen, Orte und Szenen vor dem inneren Auge auf.
Die Lebensgeschichte beginnt im Schtetl Smilavichy nahe Minsk. Als "der Vorletzte auf der Skala des Elends", als zehntes von elf Kindern, wird Soutine in eine bettelarme jüdische Schneiderfamilie hineingeboren. Früh beginnt er zu zeichnen, gegen den Willen der religiösen Eltern, die den Sohn an das Bilderverbot erinnern: "Malen soll nicht sein. Es ist für die Götzenanbeter, die sich berauschen an den bunten Statuen Baals und deren schmutzigen Farben. Es beleidigt das Auge, was schmierst du uns Farben ins Gesicht. ER hat uns aus bloßem Lehm gemacht, nur er, und uns das Leben eingehaucht." Doch Soutines Wunsch, Maler zu werden, ist stärker. Er studiert an der Akademie in Wilna, geht nach Paris, wo er in der von Gustave Eiffel erbauten, unter anderen auch von Marc Chagall und Ossip Zadkine bewohnten Künstlerkolonie "La Ruche" unterkommt. Ein Gefühl der Schuld wird ihn dennoch sein Leben lang begleiten.
Soutines Zeit in der Pariser Bohème, seine Liebesbeziehungen zu Gerda Groth-Michaelis, zu Jeanne Hébuterne, die später Selbstmord beging, und zu Marie-Berthe Aurenche, seine Freundschaft mit Amedeo Modigliani, die ersten Erfolge als Künstler nach Jahren in Armut, die Aufenthalte in Ceret und Cagnes-sur-Mer, in denen zahlreiche Bilder entstanden, sind allein schon großartiges Material für einen Roman, ebenso wie die bizarren Details, etwa die abenteuerliche Praxis, Stillleben im Atelier nachzustellen, Rinderhälften dort aufzuhängen, mit Eimern voll Blut und Formaldehyd zu arbeiten. Dutli schildert assoziativ die Entstehung mehrerer Gemälde von Menschen, Stillleben und Landschaften, die später Maler wie Willem de Kooning oder Francis Bacon beeinflusst haben, und denkt sich tief in die Fragmente und Artefakte dieses Lebens hinein.
Indem Dutli aber die schmerzverzerrte, todesnahe Perspektive wählt, bleibt ein Gran Zweifel an der Verlässlichkeit des Erzählten. Das ermöglicht bei aller Einfühlung Distanz. Wiederholt heißt es: "Niemand kennt den Weg. Keiner wird ihn je erfahren. Niemand kann wissen, wer der Mann im Leichenwagen ist. Es gibt nur die Bilder und nur jene, die er nicht zerfetzt und zu Asche verbrannt hat. Niemand kennt ihn. Den Heißhungrigen, der den anderen keinen Krümel lässt". Der Roman widersteht der Versuchung, Bruchstücke eines Lebens mit dem Faden der Fiktion zu einem geschlossenen Text zusammenzuheften. Leerstellen bleiben. Wenn Soutine in der Phantasie dem rätselhaften Doktor Bog in einer weißen Welt, die Krankenhaus und Gefängnis zugleich ist, begegnet und mit ihm streitet, gleitet er in einen anderen Bewusstseinszustand. In dieser Welt wäre er geheilt, würde ihm aber das Verbot auferlegt, je wieder zu malen. Sein Verlangen nach Farbe wird über den Wunsch nach Heilung siegen. Betrachtet man nach der Lektüre dieses glühenden Romans Soutines Werk, begreift man, wie präzise, subtil und phantasievoll Dutli dessen Geheimnisse erkundet, sie verwandelt, ohne sie preiszugeben. Die Faszination ist übergesprungen. Der Zauber bleibt.
BEATE TRÖGER
Ralph Dutli: "Soutines letzte Fahrt". Roman.
Wallstein Verlag, Göttingen 2013. 272 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Spürbar wird die Faszination des Autors für Soutines Werk schon in den ersten Sätzen dieses komplex gebauten Romans. Lange Jahre hat der 1954 in Schaffhausen geborene, heute in Heidelberg lebende Slawist und Romanist das Werk des russischen Dichters Ossip Mandelstam ins Deutsche übersetzt. Er hat als Biograph desselben, als Essayist und Lyriker Sprachen in ihren feinsten Facetten ergründet. "Soutines letzte Fahrt" führt Dutlis Kunst des Übersetzens, des Sich-Eindenkens und -fühlens in ein fremdes Werk, in gewissem Sinne weiter. Das Buch übersetzt mit profunder Kenntnis von Werk und Leben des Malers in Worte, was der Autor in den expressiven Gemälden sieht. Dabei ist sein Blick auf feinste Nuancen gerichtet: "Wenn im Französischen couleur und douleur, Farbe und Schmerz, so nah beieinanderliegen, was meinen Sie dann zur merkwürdigen Nachbarschaft von Farben und Narben im Deutschen? Sind die farbigen Wunden in der einen Sprache schmerzhaft, offenbar, gegenwärtig, durchpulsen die Haut und das sprachliche Gewebe, so zeugen sie in der andern von gewesenen Verletzungen, von geschlossenen Wunden, von der späten Erinnerung an den Schmerz."
Hier ist ein akribischer Sprachvirtuose am Werk. Dennoch verliert Dutli die Konzeption nie aus dem Blick. Sie könnte inspiriert sein von "Cherry Brandy", einer Erzählung Warlam Schalamows aus dem Jahr 1958 über den für Dutli so bedeutsamen, in einem sibirischen Arbeitslager internierten Mandelstam und dessen Gedanken in den Stunden vor seinem Tod. Auch "Soutines letzte Fahrt" wird von den letzten Lebensstunden her erzählt. Man schreibt das Jahr 1943, Frankreich ist unter deutschem Besatzungsregime. Der seit 1913 in Paris lebende Soutine wird gesucht, er hat die Stadt verlassen. Doch sein Magengeschwür macht eine Operation erforderlich. Versteckt in einem Leichenwagen wird er von Chinon an der Loire in eine Pariser Klinik transportiert. Mit ihm im Wagen ist seine Geliebte Marie-Berthe Aurenche, die frühere Frau von Max Ernst. Auf einer abenteuerlichen Fahrt voller Umwege erinnert sich der im Morphiumrausch delirierende Maler an sein Leben. Oft bruchstückhaft-verzerrt tauchen Menschen, Orte und Szenen vor dem inneren Auge auf.
Die Lebensgeschichte beginnt im Schtetl Smilavichy nahe Minsk. Als "der Vorletzte auf der Skala des Elends", als zehntes von elf Kindern, wird Soutine in eine bettelarme jüdische Schneiderfamilie hineingeboren. Früh beginnt er zu zeichnen, gegen den Willen der religiösen Eltern, die den Sohn an das Bilderverbot erinnern: "Malen soll nicht sein. Es ist für die Götzenanbeter, die sich berauschen an den bunten Statuen Baals und deren schmutzigen Farben. Es beleidigt das Auge, was schmierst du uns Farben ins Gesicht. ER hat uns aus bloßem Lehm gemacht, nur er, und uns das Leben eingehaucht." Doch Soutines Wunsch, Maler zu werden, ist stärker. Er studiert an der Akademie in Wilna, geht nach Paris, wo er in der von Gustave Eiffel erbauten, unter anderen auch von Marc Chagall und Ossip Zadkine bewohnten Künstlerkolonie "La Ruche" unterkommt. Ein Gefühl der Schuld wird ihn dennoch sein Leben lang begleiten.
Soutines Zeit in der Pariser Bohème, seine Liebesbeziehungen zu Gerda Groth-Michaelis, zu Jeanne Hébuterne, die später Selbstmord beging, und zu Marie-Berthe Aurenche, seine Freundschaft mit Amedeo Modigliani, die ersten Erfolge als Künstler nach Jahren in Armut, die Aufenthalte in Ceret und Cagnes-sur-Mer, in denen zahlreiche Bilder entstanden, sind allein schon großartiges Material für einen Roman, ebenso wie die bizarren Details, etwa die abenteuerliche Praxis, Stillleben im Atelier nachzustellen, Rinderhälften dort aufzuhängen, mit Eimern voll Blut und Formaldehyd zu arbeiten. Dutli schildert assoziativ die Entstehung mehrerer Gemälde von Menschen, Stillleben und Landschaften, die später Maler wie Willem de Kooning oder Francis Bacon beeinflusst haben, und denkt sich tief in die Fragmente und Artefakte dieses Lebens hinein.
Indem Dutli aber die schmerzverzerrte, todesnahe Perspektive wählt, bleibt ein Gran Zweifel an der Verlässlichkeit des Erzählten. Das ermöglicht bei aller Einfühlung Distanz. Wiederholt heißt es: "Niemand kennt den Weg. Keiner wird ihn je erfahren. Niemand kann wissen, wer der Mann im Leichenwagen ist. Es gibt nur die Bilder und nur jene, die er nicht zerfetzt und zu Asche verbrannt hat. Niemand kennt ihn. Den Heißhungrigen, der den anderen keinen Krümel lässt". Der Roman widersteht der Versuchung, Bruchstücke eines Lebens mit dem Faden der Fiktion zu einem geschlossenen Text zusammenzuheften. Leerstellen bleiben. Wenn Soutine in der Phantasie dem rätselhaften Doktor Bog in einer weißen Welt, die Krankenhaus und Gefängnis zugleich ist, begegnet und mit ihm streitet, gleitet er in einen anderen Bewusstseinszustand. In dieser Welt wäre er geheilt, würde ihm aber das Verbot auferlegt, je wieder zu malen. Sein Verlangen nach Farbe wird über den Wunsch nach Heilung siegen. Betrachtet man nach der Lektüre dieses glühenden Romans Soutines Werk, begreift man, wie präzise, subtil und phantasievoll Dutli dessen Geheimnisse erkundet, sie verwandelt, ohne sie preiszugeben. Die Faszination ist übergesprungen. Der Zauber bleibt.
BEATE TRÖGER
Ralph Dutli: "Soutines letzte Fahrt". Roman.
Wallstein Verlag, Göttingen 2013. 272 S., geb., 19,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Eine wunderbar komponierte Zeitreise durch die erste Hälfte des 20.Jahrhunderts.«(Eberhard Reuß, SWR2 Kultur, 7. März 2013)»Ein kühnes Romanunternehmen! Ralph Dutli wagt es und gewinnt.«(Beatrice von Matt, Neue Zürcher Zeitung, 09.03.2013)
»Eine atemberaubende Zeitgeschichte und Romanbiographie.« (Jörg Braunsdorf, Tucholsky-Buchhandlung)
»das traurigste und das poetischste Buch des Jahres« (Kurt Flasch, Süddeutsche Zeitung, 10.12.2013) »ein großartiger Roman« (Marie Louise Knott, Deutschlandfunk, 30.07.2013) »ein glühender Roman« (Beate Tröger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.06.2013) »Dutli est un conteur hors pair.« (Florence Noiville, Le Monde Literatur-Beilage, 26.08.16) »Ein kraftvolles literarisches Portrait des immer noch unterschätzten Malers Soutine, das durchaus zur wiederholten Lektüre einlädt.« (Ludwig Petry, Deutsche Lehrer im Ausland, September 2018)
Gebundenes Buch schon die ersten Zeilen haben mich gefangengenommen und zum Weiterlesen aufgefordert; ich mochte das Buch überhaupt nicht aus der Hand legen.
ein Text zum Eintauchen;
gelungener Mix aus Wirklichkeit, Traum, Fiktion und Geschichte;
unbedingt empfehlenswert
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Gebundenes Buch
Manchmal kommt das Beste eben zum Schluss!
Nicht jeder Bücherfreund wird mit dem Namen Chaim Soutine etwas anfangen können, es sei denn, er kennt sich gut aus in der Welt der Malerei. Spätestens mit der Lektüre des Romans «Soutines letzte Fahrt» von Ralph Dutli, …
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Manchmal kommt das Beste eben zum Schluss!
Nicht jeder Bücherfreund wird mit dem Namen Chaim Soutine etwas anfangen können, es sei denn, er kennt sich gut aus in der Welt der Malerei. Spätestens mit der Lektüre des Romans «Soutines letzte Fahrt» von Ralph Dutli, dem Erstling dieses als Lyriker bekannten Schweizer Autors, dürfte sich das entscheidend ändern. Schon das vollformatige, bunte Titelbild wirkt ja erhellend, zeigt es doch des Malers wohl berühmtestes und in seiner speziellen Malweise für ihn typisches Gemälde, «Der Konditorjunge von Céret». In einer geschickt zwischen historischen Fakten und phantasievoller Fiktion hin und her pendelnden Erzählung schildert der Autor das turbulente Leben dieses weißrussischen Malers jüdischer Konfession in seinen Höhen und Tiefen, und sein Ende natürlich auch, auf das ja der Romantitel schon hinweist, seine «letzte Fahrt» nämlich.
«Die Welthauptstadt der Malerei» ist in dieser Biografie der eigentliche Schauplatz des Geschehens, das Paris der ersten Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts, die Metropole des Expressionismus und Surrealismus. In den Cafés von Montmartre tummelt sich eine illustre Gesellschaft von Schriftstellern und Malern, viele bekannt Namen sind darunter, und Soutine ist einer von ihnen, erlebt in seinem Atelier die Höhen und Tiefen des Künstlertums jener Zeit. Bis dann der zweite Weltkrieg und die Besetzung der Stadt durch die Deutschen ihn als Juden in die Illegalität zwingt, er muss sich verstecken, schließlich aufs Land fliehen. Ein Magengeschwür, an dem er schon jahrelang leidet, zwingt ihn zur heimlichen Rückkehr, nur eine sofortige Operation in Paris könnte ihn eventuell noch retten. Und so wird er auf Nebenwegen, ständig den allgegenwärtigen Kontrollen der Besatzer ausweichend, in einem Leichenwagen versteckt nach Paris gebracht, begleitet von Marie-Berthe Aurenche, von ihm «Ma-Be» genannt, die ehemalige Frau von Max Ernst, die sich seiner wie ein Schutzengel angenommen hat.
Im Delirium ziehen während dieser beschwerlichen Fahrt die Stationen seines Lebens an dem unter Morphium stehende Maler vorbei, ein endloser innerer Monolog, von der frühesten Jugend in Smilowitschi bei Minsk über Wilna bis ins Mekka der Malerei, in die Stadt an der Seine. Halluzinierend durchlebt er noch mal die bitteren Hungerjahre seiner erbärmlichen Existenz, er erinnert sich an seine enge Freundschaft mit Amedeo Modigliani, an seinen langjährigen Kunsthändler Zborowski, an die glückhafte Entdeckung schließlich durch den amerikanischen Kunstsammler Barnes, der Dutzende seiner Werke kauft und ihm damit erstmals ein weniger bedrückendes Leben ermöglicht. In dieser an bizarren Details reichen Biografie kommt sogar das wegen der Gurlitt-Affäre hochaktuelle Thema Raubkunst zur Sprache, auch in Paris werden natürlich viele Kunstwerke für Görings «Carinhall» und für das geplante Linzer Führermuseum konfisziert. Bei Soutines Beisetzung schließlich auf dem Montparnasse stehen Max Jakob, Jean Cocteau und Pablo Picasso an seinem Grabe, und auch seine beiden letzten Frauen, «Mademoiselle Garde», mit der er eine uneheliche Tochter hat, und «Ma-Be» natürlich.
Ralph Dutli ist es gelungen, den Schreibstil seines Romans perfekt dem Sujet anzupassen, der expressiven Malkunst von Chaim Soutine. Beides jedoch dürfte nicht jedermanns Sache sein, die Malkunst wie die Sprachkunst. Letztere, und nur davon soll hier die Rede sein, leistet sich viele Längen, nervt zuweilen sogar mit den ausufernden Morphium-Fantasien. Und so ist denn auch das letzte Kapitel des Romans für mich das erfreulichste, denn überraschend tritt da plötzlich der Autor als Ich-Erzähler auf und erläutert seine Motive, seine Faszination für diesen Stoff, trifft dann auch noch auf einen mysteriösen, ehemaligen Geheimagenten, der einst bei der Beerdigung Soutines anwesend war und ihm einiges Denkwürdige sagt, sogar zum Thema innerer Monolog übrigens. Manchmal kommt das Beste eben zum Schluss!
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