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Füe diese zauberhafte, ironische und zärtliche Liebesgeschichte erhielt Ljudmila Ulitzkaja Autorin des Romans "Medea und ihre Kinder" 1996 in Frankreich den Prix Medicis für das beste ausländische Buch.

Produktbeschreibung
Füe diese zauberhafte, ironische und zärtliche Liebesgeschichte erhielt Ljudmila Ulitzkaja Autorin des Romans "Medea und ihre Kinder" 1996 in Frankreich den Prix Medicis für das beste ausländische Buch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.1997

Herr Pnin hat eine Schwester
Ludmila Ulitzkaja erzählt von der Liebe / Von Maria Frisé

Für ihre zärtlich-ironische Geschichte "Sonetschka" erhielt die im Westen kaum bekannte Ludmila Ulitzkaja unlängst den begehrten Prix Médici. Ihr Erzählstil erinnert an Nabokov: menschliche Tragödien rücken in vertraute Nähe, und doch bleibt so viel Abstand gewahrt, daß sie auch als eine Folge seltsamer und sogar komischer Ereignisse zu sehen sind.

Sonetschka könnte eine jüngere Schwester von Nabokovs Pnin sein. Sie lebt schicksalsergeben wie der emigrierte russische Professor in Büchern und aus Büchern. Das Magazin im Keller einer Bibliothek in Swerdlowsk ist ihre Welt, bevölkert von wunderbaren Helden, die sie mit in ihre Träume nimmt. Doch von einem Tag zum anderen läßt sie sich von dort - als hätte sie darauf gewartet - herausreißen von einem nicht mehr jungen, geheimnisvollen Mann aus dem Untergrund.

In fünf Jahren der Haft hat Robert Viktorowitsch den "Vorhof der Hölle" kennengelernt. Er ist zwar ausgebrannt und ständig auf Schlimmes gefaßt, aber er ist auch geübt darin, in den schlimmsten Verhältnissen noch zu überleben. Seine Vergangenheit und seine Bildung faszinieren Sonetschka. In Paris, Barcelona oder Amerika hat er als Maler Erfolg gehabt; doch Anfang der dreißiger Jahre war er zurückgekehrt in diesen "langweiligen, trostlosen, verlogenen Staat", der ihn fast vernichtet hätte.

Für Sonetschka ist dieser spindeldürre, düstere Mann ein unverhofftes Glück. Sie folgt ihm vertrauensvoll in die Verbannung in ein baschkirisches Dorf und nach dem Krieg zurück nach Moskau, wo sie zusammen mit der einzigen Tochter ein neues Leben beginnen. Viktorowitsch findet gleichgesinnte Künstler, die wie er das übliche "Sowjeteln" ablehnen - sich also nicht anpassen. Sie treffen sich bei ihm zu Haus im "Tauwetterclub", eine Anspielung auf die Chruschtschow-Zeit. Neben seiner Brotarbeit als Nachtwächter oder Anstreicher konstruiert er bald vielbegehrte Bühnenbilder aus Papier. Sie sind in ihrer Zerbrechlichkeit Symbole für die Vergänglichkeit, denn nichts, davon ist Viktorowitsch überzeugt, hat Bestand in dieser blutrünstigen Welt. Was zählt, ist das Jetzt und die winzigen Stückchen Glück, die man selbst noch im Elend findet.

Sonetschka sorgt sich, auch wenn Mann und Tochter sich zunehmend von ihr entfernen, ausschließlich um das Wohlergehen ihrer kleinen Familie. Sie drückt sogar die junge polnische Geliebte Viktorowitschs an ihr großes Herz und nimmt sie als Bereicherung liebevoll in die enge Wohnung auf. Durch Zufall wird Viktorowitsch als Maler wiederentdeckt und im Künstlerverband anerkannt. Seine letzten Werke, die fünfzig weißen Porträts seiner Geliebten, erzielen nach seinem Tod Rekordpreise. Sonetschka aber kehrt zu ihren Helden der Literatur zurück. Die weißen Blumen, die sie unverdrossen auf das Grab ihres Mannes pflanzt, gedeihen nicht.

Die Geschichte von der unbedingten Liebe einer Frau läßt keine Sentimentalität aufkommen. Ludmila Ulitzkaja erzählt sie lakonisch mit sinnlicher Direktheit und vielen ironischen Anspielungen. Was der Stoff für ein Drama sein könnte, wird als menschliche Komödie ausgebreitet, eine doppelbödige Wirklichkeit, so eindrucksvoll wie überzeugend.

"Sonetschka" wurde 1994 zum ersten Mal in dem Erzählungsband "Zarte und grausame Mädchen" veröffentlicht. Sosehr es zu begrüßen ist, daß dieses Kabinettstückchen moderner russischer Prosa noch einmal in einer eigenen Ausgabe herausgebracht wurde, die fehlerhafte Übersetzung hätte der Verlag unbedingt überarbeiten müssen. Über "Jünglinge in zoologischen Pullovern mit eckigen Hirschen" kann der Leser lachen, und wenn Sonetschka sich von einem "erhabenen Mädchen zu einer recht praktischen Hausfrau wandelt", ahnt er noch, was gemeint ist. Ärgerlich bleibt es aber doch, wenn ein Verlag solche Fehler zum zweiten Mal durchgehen läßt.

Ludmila Ulitzkaja: "Sonetschka". Eine Erzählung. Aus dem Russischen übersetzt von Ganna-Maria Braungardt. Verlag Volk & Welt, Berlin 1997. 112 S., geb., 24,80 DM.

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