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Die Ausgangssituation ist klassisch: Der Ich-Erzähler, gerade mal Anfang Zwanzig, ist soeben von seiner Freundin verlassen worden; nach vierjähriger Beziehung nun per Fax der Schlussstrich. Ende, aus, vorbei. Natürlich ist der Verlassene im Moment des Aus so verliebt wie in all den Jahren nicht. Trotz verschiedener "Soloprojekte" in der gemeinsamen Zeit, trotz der gelegentlichen Gastrolle als Single, fühlt sich der Erzähler schlecht wie schon lange nicht mehr: ach, wie immer schon. Gebührend wird der Verflossenen hinterhergetrauert: er ruft sie an, legt auf, geht joggen, sucht trinkend nach…mehr

Produktbeschreibung
Die Ausgangssituation ist klassisch: Der Ich-Erzähler, gerade mal Anfang Zwanzig, ist soeben von seiner Freundin verlassen worden; nach vierjähriger Beziehung nun per Fax der Schlussstrich. Ende, aus, vorbei. Natürlich ist der Verlassene im Moment des Aus so verliebt wie in all den Jahren nicht. Trotz verschiedener "Soloprojekte" in der gemeinsamen Zeit, trotz der gelegentlichen Gastrolle als Single, fühlt sich der Erzähler schlecht wie schon lange nicht mehr: ach, wie immer schon. Gebührend wird der Verflossenen hinterhergetrauert: er ruft sie an, legt auf, geht joggen, sucht trinkend nach schnellem Ersatz, um doch nur wieder zurückzufallen, auf sie, auf sich und auf: OASIS. Denn natürlich hört er genau die Musik, die zu all seinem Unglück noch gefehlt hat. Götter des Britpop! "You and I gonna live forever?" Von wegen. "Soloalbum" erzählt von schönen Mädchen und blöden Parties, von coolen CDs und steinewerfenden Greisen - aber wie jedes wirklich gute Buch erzählt es die ewige Story vom Lieben und Sterben, von sterbender Liebe. Und wie im richtigen Leben macht auch hier der Ton die Musik: Zurückgeworfen auf sich selbst, mit sich, der Liebe und dem Leben kämpfend, entwickelt der Erzähler einen Sound, der seinesgleichen sucht in der deutschen Gegenwartsliteratur. Und das ist auch noch äußerst lustig zu lesen.
Autorenporträt
Benjamin von Stuckrad-Barre, 1975 in Bremen geboren, ist Autor von 'Soloalbum', 1998, 'Livealbum', 1999, 'Remix', 1999, 'Blackbox', 2000, 'Transkript', 2001, 'Deutsches Theater', 2001, 'Festwertspeicher der Kontrollgesellschaft - Remix 2', 2004, 'Was.Wir.Wissen', 2005, 'Auch Deutsche unter den Opfern', 2010, 'Panikherz', 2016, 'Nüchtern am Weltnichtrauchertag', 2016, 'Udo Fröhliche', 2016, 'Ich glaub, mir geht's nicht so gut, ich muss mich mal irgendwo hinlegen - Remix 3', 2018 und 'Alle sind so ernst geworden' (mit Martin Suter), 2020.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.1998

Gagschreibers Trauergesang
Sie ist weg: Benjamin von Stuckrad-Barres erstes "Soloalbum"

"Definitely Maybe", "ganz bestimmt vielleicht", das ist nicht nur, wie Benjamin von Stuckrad-Barre in seinem ersten Roman "Soloalbum" schreibt, "der beste LP-Titel aller Zeiten"; es könnte auch das Motto des Buches sein. Alles schwebt zwischen den "Irgendwies" der Stuckrad-Barreschen Konjunktive, mit denen der Autor um eine häßliche Realität herumschreibt. Er sondiert Wort für Wort Lebensmöglichkeiten, um die bedrängende Wirklichkeit zu vergessen. Nach einigen Seiten sind die Möglichkeiten, die als Flucht und Ablenkung herangezogen worden waren, Wirklichkeiten geworden.

Die Realität, die der Erzähler flieht, ist hart: Katharina hat ihn verlassen. Daß sie die große Liebe seines Lebens war, weiß er erst, nachdem sie auf und davon ist. "Sie ist weg. Wegwegweg", lamentiert er. "Wenn ich blöd wäre, würde ich ein deutsches HipHop-Lied schreiben. Aber ich bin klug und gehe mich betrinken."

Der Rausch ist hier die einfachste Flucht aus ärgerlichen Wirklichkeiten. Viel wird in "Soloalbum" über den "einen guten Moment" geschrieben, der sich beim Rausch "verdammt kurz" einstellt und die größten Lebensentwürfe selbstverständlich erscheinen läßt. In diesem Zustand glaubt der Erzähler fest, daß Katharina zu ihm zurückkehren wird. Doch schnell folgen auf diese Sekunden schönster Lebenszuversicht die Ernüchterung und das Bewußtsein einer traurigen Einsamkeit. So bleibt der Held lieber daheim und gibt sich der Melancholie hin, hübsch untermalt von der Musik seiner Lieblingsgruppe, der britischen Popband Oasis. Diese Band spielt eine wichtige Rolle im Roman des Musikjournalisten Stuckrad-Barre. Sein "Soloalbum" ist in eine A- und eine B-Seite geteilt, die Kapitel tragen Oasis-Songtitel als Überschriften. Die Stimmungen der Abschnitte sind meist den Stimmungen der entsprechenden Lieder nachempfunden. In großen Teilen ist das Buch eine Hommage an die britischen Musiker, die in ihren Songs die Trauer um alles, was man verfehlt, in einem melancholischen Gleichgültigkeitssound vortragen.

Doch auch beim Verfehlen kann man jemanden treffen. Der Erzähler tröstet sich mit anderen Frauen, und über die Abwesenheit des großen Glücks hilft er sich mit kleinen Glückseligkeiten hinweg: auf Festen, in Rockclubs und in Bars. Die Orte und die Menschen, die man dort trifft, skizziert Stuckrad-Barre treffend: Im Typischen und Alltäglich-Lächerlichen seiner Beschreibungen liegt der Humor des Buches. Wenn der Erzähler einer Schönheit namens Beate begegnet, heißt es: "Und ich dachte immer, Beates seien etwas trampelig und würden ständig Jugendgruppen in den Harz begleiten." Da klingt der Humor der Harald-Schmidt-Show an, und wenn der dreiundzwanzigjährige Stuckrad-Barre nicht schon Gagschreiber jener Fersehsendung wäre, müßte man es ihm nahelegen. Obwohl Stuckrad-Barre etwas fehlt, was Harald Schmidts Humor auszeichnet: Bösartigkeit und Zynismus. Stuckrad-Barre schreibt ein bißchen zu nett.

Das unterscheidet ihn von anderen deutschen Jungautoren, wie Christian Kracht, dem Stuckrad-Barre stilistisch nacheifert. "Soloalbum" ist ein Nachkomme von Krachts "Faserland" und "Ferien für immer". Hier wie dort steht ein junger Mann in betrübter Grundstimmung im Zentrum des Geschehens, der durch allerlei "tolle Sachen" Langeweile, Lebensüberdruß oder sonstiges Unglück zu verdrängen sucht. Doch während Kracht in einem Selbstgefälligkeitsfuror alles, was nicht "Ich" ist, lächerlich oder schlecht gekleidet findet, steht Stuckrad-Barre nur eine durchschnittliche Eitelkeit zur Verfügung, die manchmal seiner eigenen Selbstironie zum Opfer fällt.

Deshalb ist "Soloalbum" sympathisch, aber wenig aufregend. Das Buch gleicht einer Schallplatte mit einer Endlosrille am Ende. Die Beschreibungsmaschine des Autors läuft und läuft. Man liest das gerne. Aber alles Zwingende fehlt. Der Gleichgültigkeitssound drängt sich in die Wörter und in die Geschichte. Gleichgültigkeit erscheint dem Erzähler, wie einst Thomas Manns "Bajazzo", als "eine Art von Glück". Es ist eine zufriedene Resignation, die aus den Worten am Ende spricht: "Es ist nur einfach alles nicht so, wie ich mir einmal das Leben, die Liebe vorgestellt hatte, aber das macht ja weiter nichts." VOLKER WEIDERMANN

Benjamin von Stuckrad-Barre: "Soloalbum". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1998. 246 S., br., 16,90 DM.

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»Jugend der Welt - kauf dieses Buch und lies es!« Harald Schmidt