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Alle beschwören in der Corona-Pandemie die Solidarität - doch niemand weiß so recht, was das heißt: solidarisch sein! Höchste Zeit, diesen alten Begriff zu entstauben und neu unter die Lupe zu nehmen. Dietmar Süß und Cornelius Torp erzählen seine spannende Geschichte voller Widersprüche, großer Gefühle und enttäuschter Erwartungen. Sie zeigen, wie umkämpft die Idee wechselseitiger Verbundenheit zu unterschiedlichen Zeiten war - und wie notwendig Solidarität für die Bewältigung gegenwärtiger Konflikte ist.Wer möchte nicht in einer solidarischen Gesellschaft leben? Doch die Vorstellungen davon,…mehr

Produktbeschreibung
Alle beschwören in der Corona-Pandemie die Solidarität - doch niemand weiß so recht, was das heißt: solidarisch sein! Höchste Zeit, diesen alten Begriff zu entstauben und neu unter die Lupe zu nehmen. Dietmar Süß und Cornelius Torp erzählen seine spannende Geschichte voller Widersprüche, großer Gefühle und enttäuschter Erwartungen. Sie zeigen, wie umkämpft die Idee wechselseitiger Verbundenheit zu unterschiedlichen Zeiten war - und wie notwendig Solidarität für die Bewältigung gegenwärtiger Konflikte ist.Wer möchte nicht in einer solidarischen Gesellschaft leben? Doch die Vorstellungen davon, was mit Solidarität gemeint ist, haben sich im Laufe der Zeit verändert. Früher ein Begriff der Linken, wird er heute sogar von rechtsextremistischen Kreisen verwendet. Diesen Verschiebungen, Missbräuchen, Missverständnissen gehen die Autoren von den Ursprüngen des Begriffs im 19. Jahrhundert bis zu seiner politischen Praxis heute nach - und zeigen, wie sehr sich in ihm moderne Vorstellungenvon Recht und Anerkennung, von Konsum und Arbeitsteilung widerspiegeln.
Autorenporträt
Dietmar Süß, geb. 1973, Prof. Dr. phil., Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Augsburg. Seine mehrfach ausgezeichneten Forschungen beschäftigen sich mit der Geschichte der sozialen Bewegungen, der Geschichte der Arbeit und des Nationalsozialismus.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Für Rezensent Dominik Fürst legen die Historiker Dietmar Süß und Cornelius Torp das Buch zur Stunde vor. Nur dass es den Autoren gar nicht ausschließlich um das Thema Solidarität in der Pandemie geht, sondern um einen historischen Vergleich und unter anderem das Aufzeigen einer Begriffsentwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Von der Arbeiter- und Frauenbewegung über die NS-Zeit bis zu politischen Programmen der 1950er Jahre und zur Pandemie reicht der Bogen der Darstellung, so Fürst, der im Buch die strukturelle Verfasstheit von Solidarität, ihre individuelle Schlagkraft und ihre Grenzen kennenlernt. Der Leser bekommt laut Fürst Definitionen an die Hand, die ihm helfen können, wahre und falsche Solidarität zu unterscheiden.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.12.2021

Sich impfen zu lassen
allein reicht nicht
Dietmar Süß und Cornelius Torp über Solidarität
Als Angela Merkel kürzlich ein letztes Mal als Bundeskanzlerin verschärfte Maßnahmen im Kampf gegen die Corona-Pandemie verkündete, sprach sie von einem „Akt der nationalen Solidarität“, der jetzt nötig sei, um die Zahl der Neuinfektionen zu senken und die Krankenhäuser zu entlasten. Was sie damit meinte, hatte sie schon an anderer Stelle, direkt an die Bevölkerung gewandt, ausgesprochen: „Lassen Sie sich impfen. Jede Impfung hilft. Eine möglichst hohe Impfquote hilft uns allen im Land, die Pandemie hinter uns zu lassen.“ Der neue Bundeskanzler Olaf Scholz richtete sich mit ähnlichen Appellen an die Bürgerinnen und Bürger.
Darin zeigt sich ein bemerkenswerter Begriffswandel, denn zur Solidarität musste nicht immer von oben aufgerufen werden. In der Regel lief es genau andersherum. So zeigen es die Geschichtsprofessoren Dietmar Süß und Cornelius Torp in ihrer Studie „Solidarität. Vom 19. Jahrhundert bis zur Corona-Krise“, die das Buch zur Impfpflicht-Debatte sein könnte, wenn sie nicht ein paar Wochen zu früh erschienen wäre und das Thema deshalb nur indirekt aufgreift. Lesenswert ist sie dennoch, weil sie die möglichen Grenzen einer „nationalen Solidaritätsanstrengung“ aufzeigt.
Solidarität bedeutete ursprünglich zunächst einmal Kampf. Süß und Torp erzählen entlang der Geschichte der Arbeiter- und der Frauenbewegung, dass – wenn von Solidarität gesprochen wurde – es darum ging, „die Verhältnisse zu verändern und basale Rechte zu erstreiten“. Vieles spreche dafür, in der Solidarität „die entscheidende soziale ‚Ressource‘“ zu sehen, auf der die Organisationsmacht etwa der Gewerkschaften aufbauen konnte.
Ein Paradebeispiel in dem Zusammenhang stellt der Haymarket Riot von 1886 dar, als knapp 100 000 Arbeiter in Chicago für den Achtstundentag streikten. Drei Jahre später beschloss die Zweite Internationale, von da an jährlich am 1. Mai in allen Ländern und Städten gleichzeitig für dieses Ziel zu demonstrieren. „Es zeigt das lokale und nationale Grenzen sprengende Potenzial der Idee der Arbeitersolidarität, dass ihr schon in einem frühen Stadium eine transnationale Dimension eingeschrieben war“, schreiben die Autoren. Der Erfolg der Bewegung ist hinlänglich bekannt, noch heute ist der 1. Mai in vielen Ländern gesetzlicher Feiertag.
Solidarität bedeutete immer eine wechselseitige Beziehung: Ich helfe dir, weil ich erwarten kann, dass du mir unter umgekehrten Voraussetzungen auch helfen würdest. Das unterscheide sie von Altruismus oder allgemeiner Menschenliebe, schreiben die Autoren. „Solidarität – das bedeutete nicht etwa eine mildtätige Gabe, sondern einen Anspruch aufgrund geteilter Werte und des in der Vergangenheit erbrachten Dienstes für die gemeinsame Sache.“
Im Terror des NS-Regimes führte dieses Prinzip etwa in den Konzentrationslagern dazu, dass die inhaftierten Sozialdemokraten und Kommunisten in erster Linie für „ihre Leute“ sorgten – es blieb ihnen im Angesicht der faschistischen Gewalt wohl auch nichts anderes übrig. „Wie an keinem anderen Ort offenbaren die Erfahrungen der Häftlingsgesellschaft all die Widersprüche, die sich mit der Solidarität als sozialer Praxis und einer besonderen Form sozialen Handelns verbanden.“
Torp und Süß zeigen, wie sich der Begriff der Solidarität nach dem Zweiten Weltkrieg wandelte: Als er 1959 im Godesberger Programm der SPD auftauchte, wurde er schon universell interpretiert und bedeutete nun „eher Schutz der Schwächeren“ statt „Kampf der Gleichberechtigten“. Mit der Bedeutung des Begriffs änderten sich schließlich die Formen solidarischen Protests: Der Früchteboykott gegen das Apartheidregime in Südafrika zeigte, wie der Kampf für Gerechtigkeit auf eine individuelle Konsumentscheidung an der Supermarktkasse heruntergebrochen werden konnte. Solidarität sei „zunehmend mit der Geschichte des Konsums verbunden“ und habe „insofern einen Prozess der Vermarktlichung erfahren“, schreiben die Autoren.
Mit ihrem Buch bieten sie den Lesern nicht nur einen gelungenen historischen Überblick, sondern geben ihnen Definitionen an die Hand, mit denen sich leere Worthülsen von aufrichtiger Solidarität unterscheiden lassen. Das ist aufschlussreich gerade im Kontext der Corona-Pandemie. Auf individueller Ebene ist Solidarität demnach als Handlungsmotiv erkennbar, „wenn eine egoistische Verfolgung des Eigeninteresses ein anderes Handeln nahegelegt hätte.“ So betrachtet erscheint es fraglich, ob die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, schon ein Zeichen von Solidarität darstellt – wo doch bereits das egoistische Eigeninteresse dafür spricht. Für den Umkehrschluss spricht schon mehr: Sich nicht impfen zu lassen, ist unsolidarisch.
Süß und Torp zeigen aber auch, dass Solidarität in der Pandemie da an Grenzen stoßen muss, wo sie sich bloß auf eine soziale Gruppe bezieht und eine andere ausschließt. Im globalen Kampf gegen ein Virus kann diese Strategie nicht funktionieren. „Ohne solidarisches Handeln im Sinne einer Versorgung auch der ärmsten Länder mit Impfstoff wird sie in Gestalt der einen oder anderen Mutation auch die reichsten Regionen der Erde immer wieder heimsuchen.“ Derzeit sind in ganz Afrika weniger als zehn Prozent der Menschen geimpft. Vielleicht ist es wieder einmal an der Zeit, den Solidaritätsbegriff zu erweitern.
DOMINIK FÜRST
Der Begriff wandelte sich vom
Kampf für Gleichberechtigung
hin zum Schutz der Schwächeren
Dietmar Süß,
Cornelius Torp:
Solidarität.
Vom 19. Jahrhundert
bis zur Corona-Krise.
Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Bonn 2021. 216 Seiten,
20 Euro.
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