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Überall und jederzeit sind wir von Dingen umgeben, so daß wir uns ein Leben ohne sie gar nicht vorstellen können. Vom Rasenmäher bis zur Büroklammer haben wir uns an all die selbstverständlichen Dinge gewöhnt, die wir gebrauchen und benutzen, die wir unbedingt haben wollen und die wir irgendwann auf den Sperrmüll werfen. Wir nehmen sie kaum noch bewußt wahr, weil sie ein Teil unseres Alltags geworden sind - so vertraut wie die Handgriffe, die sie uns im täglichen Gebrauch abverlangen. Doch Dinge sind nicht nur Werkzeuge, nützlich, brauchbar: Warum hängen wir die Babyschuhe an den Rückspiegel,…mehr

Produktbeschreibung
Überall und jederzeit sind wir von Dingen umgeben, so daß wir uns ein Leben ohne sie gar nicht vorstellen können. Vom Rasenmäher bis zur Büroklammer haben wir uns an all die selbstverständlichen Dinge gewöhnt, die wir gebrauchen und benutzen, die wir unbedingt haben wollen und die wir irgendwann auf den Sperrmüll werfen. Wir nehmen sie kaum noch bewußt wahr, weil sie ein Teil unseres Alltags geworden sind - so vertraut wie die Handgriffe, die sie uns im täglichen Gebrauch abverlangen. Doch Dinge sind nicht nur Werkzeuge, nützlich, brauchbar: Warum hängen wir die Babyschuhe an den Rückspiegel, legen die am Meer gefundenen Muscheln in die Vitrine und bringen es nicht übers Herz, den alten Teddy zu verschenken? Wer zum ersten Mal eine fremde Wohnung betritt, erfährt mehr über die Bewohner, als ihnen manchmal lieb sein kann. Wie im Museum eine Pfeilspitze aus der Steinzeit Auskunft über den Werkzeuggebrauch unserer Vorfahren, so geben die Dinge, mit denen wir uns umgeben, Auskunft über unsere Kultur, unsere Gesellschaft und uns selbst. Im Dickicht der Dingwelt spürt Gert Selle unseren vielfältigen Verwicklungen mit den Dingen nach - eine kulturelle Positionsbestimmung in einer Zeit, in der viel vom 'Verschwinden der Dinge' und virtuellen Realitäten die Rede ist. In essayistisch lockerer Form verführt Selle den Leser zum Nachdenken über die eigene Erfahrung mit den Dingen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.07.1997

Etwas, das nach nichts aussieht
Im Klammergriff der Büroklammer: Gert Selle hebt die Dinge auf

Gert Selle, Autor einer umfassenden und mehrfach aufgelegten "Geschichte des Design in Deutschland", versucht in seinem "Buch über die Dinge" eine neue "Positionsbestimmung in der Gegenwart des Lebens". Er nähert sich den Dingen als "Siebensachen", als Gegenständen im persönlichen Milieu. Doch will er hinter die Normalität zurückgehen und einen "anderen Blick üben", dem sich das Gewöhnliche noch einmal als etwas Besonderes darstellt: Büroklammer und Maurerkelle, Buffet und Schrankwand, Rasenmäher, Taschenrechner und ähnliche "Nebensachen". Selle untersucht "Sinnkontexte im Ding", scheinbar unentrinnbare Zukunftsängste wie die vor der Auflösung des Greifbaren, Materiellen ins Virtuelle.

Dabei möchte er nicht "wissenschaftlich argumentieren", sondern mit einer "spielerischen Offenheit" an das Thema herangehen. Mit dieser "Offenheit" hat es der Autor jedoch übertrieben. Sie gibt dem Buch eine träge Gemütlichkeit. Das Staunen über Altbekanntes ist in vielen Fällen scheinheilig und penetrant. Bei Selle ist die Büroklammer das "kleine, dumme Stück gebogener Draht"; der Sperrmüll "jene surrealistisch anmutende Versammlung am Straßenrand"; das weiße Blatt Papier ein Stück Luxus, "es steht nichts drauf, dennoch macht es nachdenklich". Mag auch das Staunen aller Überlegung Anfang sein - so naiv sehen wir die Dinge denn doch wieder nicht.

Bieder ist Selles Hang zur Anekdote. Er gibt sein manuelles Ungeschick im Heimwerkerkeller preis, beschreibt seine liebste Teetasse, "die alle Fährnisse fremden Gebrauchs überstanden hat", und erinnert sich an die Zeit, als er auf dem Bau arbeitete und erkannte: "Ein Maurer braucht seine Kelle und keine andere." Immer wieder trifft man auf abgedroschene Weisheiten: "Ohne Objekt gibt es kein Subjekt"; "Die Geschichte kennt keinen Konjunktiv"; "Nicht alles, was glänzt, ist Gold".

Gelegentlich wählt Selle Gegenstände, an denen er Kulturkritik übt. Da bietet sich natürlich das Handy an. Diese Insignie heutiger Kommunikation allein als Zeichen von Wichtigtuerei abzutun, in der sich die "Kultur als Gefängnis" offenbart, "aus dem niemand ausbrechen kann", ist wenig originell. Nur selten bietet Selle greifbare Information und Anlaß zur Auseinandersetzung wie im Rückblick auf den "Traum von Schönheit und Vernunft des Gegenstandes". Darin beleuchtet er die Ideologie der Funktionalität in den zwanziger Jahren als fragwürdiges Maß aller Dinge. Auch wer die "Verbindungslinie" zwischen dem "Funktionsbegriff des Bauhauses" und dem späteren "technisch-industriellen Großkrieg" nicht, wie Selle, für eine "aparte Theorie" hält, sieht sich dadurch herausgefordert. Das Auffahren von so schwerem gedanklichen Geschütz hätte aber ausführlicher begründet werden müssen. Der Hinweis auf den rigorosen, universalen Anspruch des Bauhauses, der ans Totalitäre grenze, greift hier zu kurz.

Schon bei der Lektüre des Vorworts hatte uns der Verdacht beschlichen, manche Gedanken auf den folgenden knapp dreihundert Seiten könnten es sich arg bequem machen. "Manche These mag provozieren, mancher Gedankengang abwegig erscheinen, manches Beispiel amüsieren." Solche Sätze klingen nicht so, als wäre es dem Autor besonders wichtig, ob der Leser sich nun tatsächlich provoziert sieht. Amüsiert haben uns Selles Beispiele kaum, provoziert nur selten, oft aber gelangweilt. GEORG IMDAHL

Gert Selle: "Siebensachen". Ein Buch über die Dinge. Campus Verlag, Frankfurt am Main 1997.294 S., geb., 39,80 DM.

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