Als der elfjährige Jakob von Metzler im Oktober 2002 tot aufgefunden wird, geht eine Woge des Entsetzens durch Deutschland. Kaum ein Verbrechen hat die Menschen so aufgewühlt wie die Entführung und Ermordung des Kindes der angesehenen Bankiersfamilie.
Der Urteilsspruch des Richters war eindeutig: »Lebenslang mit besonderer Schwere der Schuld« hieß es für Magnus Gäfgen, den 27-jährigen Ent-führer von Jakob.
Dennoch bleiben viele Fragen offen: Was sind die wahren Beweggründe und Umstände dieses schrecklichen Verbrechens? Wie konnte ausgerechnet ein Jurastudent und Jugendgruppenleiter einer katholischen Gemeinde zum kaltblütigen Kindermörder werden? Wer ist Gäfgen wirklich? Und nicht zuletzt: Was trieb den untadeligen Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner zum Äußersten: zur Androhung von »Folter«?
Mit kriminalistischem Gespür deckt Adrienne Lochte soziale und psychologische Hintergründe des Mordes auf. Die ehemalige Polizeireporterin der FAZ hat den Fall von Grund auf neu recherchiert. Viele Bekannte und Vertraute von Täter und Opfer haben sich der Autorin gegenüber erstmals geäußert und erstaunliche wie erschreckende Einblicke in die Geschichte des Verbrechens gewährt.
Der Urteilsspruch des Richters war eindeutig: »Lebenslang mit besonderer Schwere der Schuld« hieß es für Magnus Gäfgen, den 27-jährigen Ent-führer von Jakob.
Dennoch bleiben viele Fragen offen: Was sind die wahren Beweggründe und Umstände dieses schrecklichen Verbrechens? Wie konnte ausgerechnet ein Jurastudent und Jugendgruppenleiter einer katholischen Gemeinde zum kaltblütigen Kindermörder werden? Wer ist Gäfgen wirklich? Und nicht zuletzt: Was trieb den untadeligen Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Daschner zum Äußersten: zur Androhung von »Folter«?
Mit kriminalistischem Gespür deckt Adrienne Lochte soziale und psychologische Hintergründe des Mordes auf. Die ehemalige Polizeireporterin der FAZ hat den Fall von Grund auf neu recherchiert. Viele Bekannte und Vertraute von Täter und Opfer haben sich der Autorin gegenüber erstmals geäußert und erstaunliche wie erschreckende Einblicke in die Geschichte des Verbrechens gewährt.
"Fall Jakob von Metzler" als Buch
Einen Monat bevor der Mord an Jakob von Metzler abermals ins grelle Licht eines Gerichtssaals gezogen wird, erscheint am Donnerstag ein Buch über die, wie es auf dem Einband heißt, "Anatomie" dieses Verbrechens. Die Autorin Adrienne Lochte, ehemals Redakteurin dieser Zeitung und heute Pressesprecherin des hessischen Wissenschaftsministers Udo Corts (CDU), tut sich selbst schwer, eine Kategorie für ihr Erstlingswerk zu benennen. Fiktion sei zwar eingeflossen, jedoch nur auf der Basis gesicherter Tatsachen,sagte sie gestern bei der Präsentation im Literaturhaus.
Im Grunde ist die Frage der Gattung kaum von Belang, der Anspruch des "erzählten Sachbuches", von dem der Verlag spricht, ist vor allem ein journalistischer: neue Einblicke zu liefern in soziale und psychologische Hintergründe des Täters, aber auch seines indirekten Gegenspielers in der Debatte um die gesellschaftliche Dimension dieses Falles, des Vizepräsidenten der Frankfurter Polizei, Wolfgang Daschner.
Viele Leser werden sich am ehesten für das Motiv des Jurastudenten Magnus Gäfgen interessieren, mit dem Lösegeld von der Frankfurter Bankiersfamilie seine Scheinexistenz in gutsituierten Kreisen zu sichern. Lochte hat unter anderen mit der Freundin des Mörders gesprochen, dem Mädchen, dessen angebliche Konsumsucht Gäfgen in eine von ihm als ausweglos empfundene Lage getrieben haben soll.
Die vielleicht wichtigeren Kapitel aber zeichnen ein Porträt von Wolfgang Daschner und beschreiben die dramatischen Umstände am Morgen des 1. Oktober 2002 im Frankfurter Polizeipräsidium. Daschner hatte dem der Entführung dringend Verdächtigen, in Sorge um den seit vier Tagen verschwundenen Jungen, androhen lassen, ihm würden Schmerzen zugefügt, wie er sie bisher nicht gekannt habe, wenn er nicht verrate, wo er sein Opfer versteckt halte.
Die Laufbahn des preußisch anmutenden Beamten, seine strikten Vorstellungen von den Aufgaben und Grenzen der Polizei, die Kolportage, daß das Schlimmste, was einem Menschen passieren könne, seiner Meinung nach sei, ein Kind zu verlieren - all dies wird auch die Strafkammer des Landgerichts ausloten, die von Mitte November gegen den inzwischen ins Innenministerium versetzten, den Medien entzogenen hohen Polizeibeamten verhandelt.
Die Autorin wollte nicht sagen, ob sie den Einundsechzigjährigen, der für den Generalverdacht steht, die deutsche Polizei scheue nicht vor Folter zurück, für das Buch interviewt habe. An ihrer eigenen Gefühlslage läßt Lochte freilich keinen Zweifel: Sie habe weiterhin großen Respekt vor Daschners mutiger Entscheidung.
hs.
Adrienne Lochte: "Sie werden dich nicht finden, Der Fall Jakob von Metzler", Verlag Droemer, 18,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main