Max Porter
Gebundenes Buch
Shy
PAYBACK Punkte
0 °P sammeln!
Ein bravouröser und von Musik geradezu besessener Roman, in dem der Erfolgsautor Max Porter die Erkundung der Jugend aus Lanny fortsetzt.
Max Porter, 1981 geboren, studierte Kunstgeschichte und arbeitete jahrelang als unabhängiger Buchhändler und Lektor. Sein international gefeiertes Debüt Trauer ist das Ding mit Federn (2015) wurde u. a. mit dem International Dylan Thomas Prize und dem Europese Literatuurprijs ausgezeichnet. Mit Lanny (2019) stand Max Porter auf der Longlist des Booker Prize. Shy (2023) erreichte sofort nach Erscheinen Platz 1 der Sunday-Times-Bestsellerliste. Sein Werk wurde in über dreißig Sprachen übersetzt.
Produktdetails
- Verlag: Kein & Aber
- Originaltitel: Shy
- Artikelnr. des Verlages: 290/05015
- 1. Auflage
- Seitenzahl: 143
- Erscheinungstermin: 18. August 2023
- Deutsch
- Abmessung: 188mm x 118mm x 19mm
- Gewicht: 210g
- ISBN-13: 9783036950150
- ISBN-10: 303695015X
- Artikelnr.: 67851695
Herstellerkennzeichnung
Kein + Aber
Gutenbergstraße 1
82205 Gilching
vertrieb@keinundaber.ch
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Beeindruckt, aber zu einem gewissen Grad vielleicht auch befremdet liest Carlota Brandis diesen aus schmerzhaften Splittern zusammengesetzten Roman, der gewissermaßen als lyrisches Protokoll die Innenwelt eines deprimierten - und deprimiert heißt hier wirklich deprimiert - und rebellierenden bis gewalttätigen Jugendlichen wiedergibt. Der Roman ist anstrengend zu lesen, so Brandis. Dennoch kann sie Porters Aufschrei einer gequälten Seele auch einiges abgewinnen. Porters Roman sei der Versuch, das " das außen Wahrgenommene mit dem Inneren in Einklang zu bringen", und ist das nicht geradezu eine Definition von Literatur? Ausdrücklich lobt Brandis die Übersetzungsarbeit Uda Strätlings und Matthias Göritz'.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Drum and Bass im Dschungel
Unter der Kapuze geborgen: Max Porters Roman "Shy"
Wie würde ein depressiver Jugendlicher seine Erlebnisse in einem Internat für schwer erziehbare Kinder schildern? Gefangen zwischen Wutanfällen und Null-Bock-Einstellung, wäre das sicherlich kein leichter, aber ein interessanter Roman - das hat sich zumindest Max Porter für sein neues Buch "Shy" gedacht. In dem geht es um Drogen, Sex, Musik und Randale eines Teenagers, genannt Shy, aber vor allem um die Momente dazwischen, in denen sich der Junge aus England mit sich selbst und seinen Handlungen auseinandersetzt.
Denn "unter seiner Kapuze geborgen in einer perfekten Welt aus Breaks und Basslines und bretterndem Bombast hebt er
Unter der Kapuze geborgen: Max Porters Roman "Shy"
Wie würde ein depressiver Jugendlicher seine Erlebnisse in einem Internat für schwer erziehbare Kinder schildern? Gefangen zwischen Wutanfällen und Null-Bock-Einstellung, wäre das sicherlich kein leichter, aber ein interessanter Roman - das hat sich zumindest Max Porter für sein neues Buch "Shy" gedacht. In dem geht es um Drogen, Sex, Musik und Randale eines Teenagers, genannt Shy, aber vor allem um die Momente dazwischen, in denen sich der Junge aus England mit sich selbst und seinen Handlungen auseinandersetzt.
Denn "unter seiner Kapuze geborgen in einer perfekten Welt aus Breaks und Basslines und bretterndem Bombast hebt er
Mehr anzeigen
ab" - vor allem in diesen Momenten fällt der Rucksack, der "Sack Steine", von Shys Schultern ab. Und normalerweise ist der Beobachter kein Teil dieser Welt, jedoch macht Porter den Einblick möglich; in einer Mischung aus Erzählung, Lyrik und abgehackten Satzfragmenten kann der Leser Shys Gedankenwelt folgen.
Allerdings ergeben Shys Eindrücke nicht immer Sinn. Mehrere Szenen folgen in Porters Roman direkt aufeinander, ohne dass sie zeitlich oder thematisch zu ordnen wären. Gesprächsabschnitte fließen wie Tagträume in Shys Alltag mit ein, deren Kontext den Lesern fehlt. Der Erzählstrang ist dadurch eben nicht stringent - so, wie Shys Heranwachsen es nicht ist. Immer wieder einmal versucht seine Mutter bei ihm durchzudringen, ohne Erfolg: Er "wollte sich tief in die Erde tunneln und verrecken, und seine Mum sagte: Red mit mir, bitte, erklärs mir, und er hielt sich die Ohren zu und zischte so lange ein Gewitter furios zerhackter Basslines in sein rot verschlossenes Hirn."
Das Einzige, worauf sich Shy verlassen kann? Die Musikrichtung Drum and Bass. Denn die halte, was sie verspreche. Ganz anders sehe es im Dschungel, in der Außenwelt, aus, in der er sich als Soldat behaupten müsse - in der alles ein Kampf sei.
Dem 42 Jahre alten Max Porter gelingt es, auf nur 144 Seiten das komplexe Innenleben eines aufgewühlten Jungen darzustellen. So brutal Shys Handlungen sind, etwa wenn er einem anderen Jungen während einer Prügelei das Gesicht mit einer zerbrochenen Glasflasche aufschlitzt oder er seine Mutter heftig beleidigt: Von innen, als Teil von Shys Gedankenwelt, wirkt das eher hilflos als aggressiv.
Die langen Sätze, in knappe Absätze gepackt, vermitteln Shys Versuche, das außen Wahrgenommene mit dem Inneren in Einklang zu bringen. Versuche, die meistens scheitern. Mithilfe von typographischen Mitteln und einer Art moderner Poesie ermöglicht der durch nach seinen erfolgreichen Debütroman "Trauer ist das Ding mit Federn" bekannt gewordene britische Schriftsteller Porter, die Welt durch die Augen eines rebellierenden und reuigen Teenagers zu sehen. Das ist nicht zuletzt auch Uda Strätlings und Matthias Göritz' Verdienst, die es geschafft haben, das so individuelle Spracherlebnis aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen.
Allerdings muss der Leser kreativ werden, um sich einige Lücken und Fragezeichen aus dem Text zu erschließen. Leichte Lektüre ist "Shy" nicht, und das steht sinnbildlich für die Lebenslage des Teenagers. Das erste Mal, dass eine Situation kontinuierlich beschrieben wird und über eine Seite hinaus andauert, ist auf Seite achtzig, als Shy sich in einer Therapiesitzung an einen friedlichen Urlaub aus seiner Kindheit mit Mutter und Stiefvater erinnert.
Am Ende landet Shy auf dem Internat "Letzte Chance" mit anderen schwer erziehbaren Kindern. Als er dort ausbricht und unter Marihuana-Einfluss Dachsleichen im See neben der Schule vermutet, beschreibt der Jugendliche, wie er sich fühlt: am "Kipppunkt zwischen lebenden und verwesenden Wesen gefangen, wo nicht einmal Gott ihnen sagen könnte, ob sie leben oder ob sie tot sind". Die neue Schule kann bei seinen Panikattacken, Wutausbrüchen und Depressionen nicht helfen. Der Roman endet auf einem Höhepunkt der Rebellion, an dem Shy nicht mal mehr Satzfragmente wahrnimmt, sondern nur noch einzelne Wörter. Die Syntax verstärkt dabei die Dramaturgie von Porters Roman und macht das Leseerlebnis einmalig. CARLOTA BRANDIS
Max Porter: "Shy".
Roman.
Aus dem Englischen von Uda Strätling und Matthias Göritz.
Verlag Kein & Aber, Zürich 2023. 144 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Allerdings ergeben Shys Eindrücke nicht immer Sinn. Mehrere Szenen folgen in Porters Roman direkt aufeinander, ohne dass sie zeitlich oder thematisch zu ordnen wären. Gesprächsabschnitte fließen wie Tagträume in Shys Alltag mit ein, deren Kontext den Lesern fehlt. Der Erzählstrang ist dadurch eben nicht stringent - so, wie Shys Heranwachsen es nicht ist. Immer wieder einmal versucht seine Mutter bei ihm durchzudringen, ohne Erfolg: Er "wollte sich tief in die Erde tunneln und verrecken, und seine Mum sagte: Red mit mir, bitte, erklärs mir, und er hielt sich die Ohren zu und zischte so lange ein Gewitter furios zerhackter Basslines in sein rot verschlossenes Hirn."
Das Einzige, worauf sich Shy verlassen kann? Die Musikrichtung Drum and Bass. Denn die halte, was sie verspreche. Ganz anders sehe es im Dschungel, in der Außenwelt, aus, in der er sich als Soldat behaupten müsse - in der alles ein Kampf sei.
Dem 42 Jahre alten Max Porter gelingt es, auf nur 144 Seiten das komplexe Innenleben eines aufgewühlten Jungen darzustellen. So brutal Shys Handlungen sind, etwa wenn er einem anderen Jungen während einer Prügelei das Gesicht mit einer zerbrochenen Glasflasche aufschlitzt oder er seine Mutter heftig beleidigt: Von innen, als Teil von Shys Gedankenwelt, wirkt das eher hilflos als aggressiv.
Die langen Sätze, in knappe Absätze gepackt, vermitteln Shys Versuche, das außen Wahrgenommene mit dem Inneren in Einklang zu bringen. Versuche, die meistens scheitern. Mithilfe von typographischen Mitteln und einer Art moderner Poesie ermöglicht der durch nach seinen erfolgreichen Debütroman "Trauer ist das Ding mit Federn" bekannt gewordene britische Schriftsteller Porter, die Welt durch die Augen eines rebellierenden und reuigen Teenagers zu sehen. Das ist nicht zuletzt auch Uda Strätlings und Matthias Göritz' Verdienst, die es geschafft haben, das so individuelle Spracherlebnis aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen.
Allerdings muss der Leser kreativ werden, um sich einige Lücken und Fragezeichen aus dem Text zu erschließen. Leichte Lektüre ist "Shy" nicht, und das steht sinnbildlich für die Lebenslage des Teenagers. Das erste Mal, dass eine Situation kontinuierlich beschrieben wird und über eine Seite hinaus andauert, ist auf Seite achtzig, als Shy sich in einer Therapiesitzung an einen friedlichen Urlaub aus seiner Kindheit mit Mutter und Stiefvater erinnert.
Am Ende landet Shy auf dem Internat "Letzte Chance" mit anderen schwer erziehbaren Kindern. Als er dort ausbricht und unter Marihuana-Einfluss Dachsleichen im See neben der Schule vermutet, beschreibt der Jugendliche, wie er sich fühlt: am "Kipppunkt zwischen lebenden und verwesenden Wesen gefangen, wo nicht einmal Gott ihnen sagen könnte, ob sie leben oder ob sie tot sind". Die neue Schule kann bei seinen Panikattacken, Wutausbrüchen und Depressionen nicht helfen. Der Roman endet auf einem Höhepunkt der Rebellion, an dem Shy nicht mal mehr Satzfragmente wahrnimmt, sondern nur noch einzelne Wörter. Die Syntax verstärkt dabei die Dramaturgie von Porters Roman und macht das Leseerlebnis einmalig. CARLOTA BRANDIS
Max Porter: "Shy".
Roman.
Aus dem Englischen von Uda Strätling und Matthias Göritz.
Verlag Kein & Aber, Zürich 2023. 144 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schließen
»Man wird viele Sätze finden, die die Wut, das Gefühl der Ohnmacht, aber auch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft perfekt beschreiben.« Samira Lazarovic, n-tv, 07.01.2024 ntv 20240107
Drum and Bass im Dschungel
Unter der Kapuze geborgen: Max Porters Roman "Shy"
Wie würde ein depressiver Jugendlicher seine Erlebnisse in einem Internat für schwer erziehbare Kinder schildern? Gefangen zwischen Wutanfällen und Null-Bock-Einstellung, wäre das sicherlich kein leichter, aber ein interessanter Roman - das hat sich zumindest Max Porter für sein neues Buch "Shy" gedacht. In dem geht es um Drogen, Sex, Musik und Randale eines Teenagers, genannt Shy, aber vor allem um die Momente dazwischen, in denen sich der Junge aus England mit sich selbst und seinen Handlungen auseinandersetzt.
Denn "unter seiner Kapuze geborgen in einer perfekten Welt aus Breaks und Basslines und bretterndem Bombast hebt er
Unter der Kapuze geborgen: Max Porters Roman "Shy"
Wie würde ein depressiver Jugendlicher seine Erlebnisse in einem Internat für schwer erziehbare Kinder schildern? Gefangen zwischen Wutanfällen und Null-Bock-Einstellung, wäre das sicherlich kein leichter, aber ein interessanter Roman - das hat sich zumindest Max Porter für sein neues Buch "Shy" gedacht. In dem geht es um Drogen, Sex, Musik und Randale eines Teenagers, genannt Shy, aber vor allem um die Momente dazwischen, in denen sich der Junge aus England mit sich selbst und seinen Handlungen auseinandersetzt.
Denn "unter seiner Kapuze geborgen in einer perfekten Welt aus Breaks und Basslines und bretterndem Bombast hebt er
Mehr anzeigen
ab" - vor allem in diesen Momenten fällt der Rucksack, der "Sack Steine", von Shys Schultern ab. Und normalerweise ist der Beobachter kein Teil dieser Welt, jedoch macht Porter den Einblick möglich; in einer Mischung aus Erzählung, Lyrik und abgehackten Satzfragmenten kann der Leser Shys Gedankenwelt folgen.
Allerdings ergeben Shys Eindrücke nicht immer Sinn. Mehrere Szenen folgen in Porters Roman direkt aufeinander, ohne dass sie zeitlich oder thematisch zu ordnen wären. Gesprächsabschnitte fließen wie Tagträume in Shys Alltag mit ein, deren Kontext den Lesern fehlt. Der Erzählstrang ist dadurch eben nicht stringent - so, wie Shys Heranwachsen es nicht ist. Immer wieder einmal versucht seine Mutter bei ihm durchzudringen, ohne Erfolg: Er "wollte sich tief in die Erde tunneln und verrecken, und seine Mum sagte: Red mit mir, bitte, erklärs mir, und er hielt sich die Ohren zu und zischte so lange ein Gewitter furios zerhackter Basslines in sein rot verschlossenes Hirn."
Das Einzige, worauf sich Shy verlassen kann? Die Musikrichtung Drum and Bass. Denn die halte, was sie verspreche. Ganz anders sehe es im Dschungel, in der Außenwelt, aus, in der er sich als Soldat behaupten müsse - in der alles ein Kampf sei.
Dem 42 Jahre alten Max Porter gelingt es, auf nur 144 Seiten das komplexe Innenleben eines aufgewühlten Jungen darzustellen. So brutal Shys Handlungen sind, etwa wenn er einem anderen Jungen während einer Prügelei das Gesicht mit einer zerbrochenen Glasflasche aufschlitzt oder er seine Mutter heftig beleidigt: Von innen, als Teil von Shys Gedankenwelt, wirkt das eher hilflos als aggressiv.
Die langen Sätze, in knappe Absätze gepackt, vermitteln Shys Versuche, das außen Wahrgenommene mit dem Inneren in Einklang zu bringen. Versuche, die meistens scheitern. Mithilfe von typographischen Mitteln und einer Art moderner Poesie ermöglicht der durch nach seinen erfolgreichen Debütroman "Trauer ist das Ding mit Federn" bekannt gewordene britische Schriftsteller Porter, die Welt durch die Augen eines rebellierenden und reuigen Teenagers zu sehen. Das ist nicht zuletzt auch Uda Strätlings und Matthias Göritz' Verdienst, die es geschafft haben, das so individuelle Spracherlebnis aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen.
Allerdings muss der Leser kreativ werden, um sich einige Lücken und Fragezeichen aus dem Text zu erschließen. Leichte Lektüre ist "Shy" nicht, und das steht sinnbildlich für die Lebenslage des Teenagers. Das erste Mal, dass eine Situation kontinuierlich beschrieben wird und über eine Seite hinaus andauert, ist auf Seite achtzig, als Shy sich in einer Therapiesitzung an einen friedlichen Urlaub aus seiner Kindheit mit Mutter und Stiefvater erinnert.
Am Ende landet Shy auf dem Internat "Letzte Chance" mit anderen schwer erziehbaren Kindern. Als er dort ausbricht und unter Marihuana-Einfluss Dachsleichen im See neben der Schule vermutet, beschreibt der Jugendliche, wie er sich fühlt: am "Kipppunkt zwischen lebenden und verwesenden Wesen gefangen, wo nicht einmal Gott ihnen sagen könnte, ob sie leben oder ob sie tot sind". Die neue Schule kann bei seinen Panikattacken, Wutausbrüchen und Depressionen nicht helfen. Der Roman endet auf einem Höhepunkt der Rebellion, an dem Shy nicht mal mehr Satzfragmente wahrnimmt, sondern nur noch einzelne Wörter. Die Syntax verstärkt dabei die Dramaturgie von Porters Roman und macht das Leseerlebnis einmalig. CARLOTA BRANDIS
Max Porter: "Shy".
Roman.
Aus dem Englischen von Uda Strätling und Matthias Göritz.
Verlag Kein & Aber, Zürich 2023. 144 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Allerdings ergeben Shys Eindrücke nicht immer Sinn. Mehrere Szenen folgen in Porters Roman direkt aufeinander, ohne dass sie zeitlich oder thematisch zu ordnen wären. Gesprächsabschnitte fließen wie Tagträume in Shys Alltag mit ein, deren Kontext den Lesern fehlt. Der Erzählstrang ist dadurch eben nicht stringent - so, wie Shys Heranwachsen es nicht ist. Immer wieder einmal versucht seine Mutter bei ihm durchzudringen, ohne Erfolg: Er "wollte sich tief in die Erde tunneln und verrecken, und seine Mum sagte: Red mit mir, bitte, erklärs mir, und er hielt sich die Ohren zu und zischte so lange ein Gewitter furios zerhackter Basslines in sein rot verschlossenes Hirn."
Das Einzige, worauf sich Shy verlassen kann? Die Musikrichtung Drum and Bass. Denn die halte, was sie verspreche. Ganz anders sehe es im Dschungel, in der Außenwelt, aus, in der er sich als Soldat behaupten müsse - in der alles ein Kampf sei.
Dem 42 Jahre alten Max Porter gelingt es, auf nur 144 Seiten das komplexe Innenleben eines aufgewühlten Jungen darzustellen. So brutal Shys Handlungen sind, etwa wenn er einem anderen Jungen während einer Prügelei das Gesicht mit einer zerbrochenen Glasflasche aufschlitzt oder er seine Mutter heftig beleidigt: Von innen, als Teil von Shys Gedankenwelt, wirkt das eher hilflos als aggressiv.
Die langen Sätze, in knappe Absätze gepackt, vermitteln Shys Versuche, das außen Wahrgenommene mit dem Inneren in Einklang zu bringen. Versuche, die meistens scheitern. Mithilfe von typographischen Mitteln und einer Art moderner Poesie ermöglicht der durch nach seinen erfolgreichen Debütroman "Trauer ist das Ding mit Federn" bekannt gewordene britische Schriftsteller Porter, die Welt durch die Augen eines rebellierenden und reuigen Teenagers zu sehen. Das ist nicht zuletzt auch Uda Strätlings und Matthias Göritz' Verdienst, die es geschafft haben, das so individuelle Spracherlebnis aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen.
Allerdings muss der Leser kreativ werden, um sich einige Lücken und Fragezeichen aus dem Text zu erschließen. Leichte Lektüre ist "Shy" nicht, und das steht sinnbildlich für die Lebenslage des Teenagers. Das erste Mal, dass eine Situation kontinuierlich beschrieben wird und über eine Seite hinaus andauert, ist auf Seite achtzig, als Shy sich in einer Therapiesitzung an einen friedlichen Urlaub aus seiner Kindheit mit Mutter und Stiefvater erinnert.
Am Ende landet Shy auf dem Internat "Letzte Chance" mit anderen schwer erziehbaren Kindern. Als er dort ausbricht und unter Marihuana-Einfluss Dachsleichen im See neben der Schule vermutet, beschreibt der Jugendliche, wie er sich fühlt: am "Kipppunkt zwischen lebenden und verwesenden Wesen gefangen, wo nicht einmal Gott ihnen sagen könnte, ob sie leben oder ob sie tot sind". Die neue Schule kann bei seinen Panikattacken, Wutausbrüchen und Depressionen nicht helfen. Der Roman endet auf einem Höhepunkt der Rebellion, an dem Shy nicht mal mehr Satzfragmente wahrnimmt, sondern nur noch einzelne Wörter. Die Syntax verstärkt dabei die Dramaturgie von Porters Roman und macht das Leseerlebnis einmalig. CARLOTA BRANDIS
Max Porter: "Shy".
Roman.
Aus dem Englischen von Uda Strätling und Matthias Göritz.
Verlag Kein & Aber, Zürich 2023. 144 S., geb., 22,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schließen
Tote Dachse
“Shy” zu beschreiben ist gar nicht so einfach.
Man muss sich definitiv darauf einlassen und unvoreingenommen an ein Buch bzw. dessen Inhalt gehen können.
Shy, der Hauptprotagonist, hat ein Leben, dass etwas aus der Kontrolle geraten ist. Er will flüchten. …
Mehr
Tote Dachse
“Shy” zu beschreiben ist gar nicht so einfach.
Man muss sich definitiv darauf einlassen und unvoreingenommen an ein Buch bzw. dessen Inhalt gehen können.
Shy, der Hauptprotagonist, hat ein Leben, dass etwas aus der Kontrolle geraten ist. Er will flüchten. Wenigstens kurz. Auf dem Weg durch die Nacht und mit Steinen im Rucksack denkt er an das jetzt und an seine Vergangenheit.
Und wie Gedanken so sind, ist auch das Buch geschrieben. Mal kurze abgehackte Sätze, frühere Erinnerungen und dann gibt es Schachtelsätze, die fast über 3 Seiten gehen. Der Leser hat so tatsächlich das Gefühl, im Kopf von Shy zu sein. Zwischendurch gibt es kurze Passagen rund um das Heim/Einrichtung für kriminelle Kinder, in dem er nun lebt. Es soll wohl eine Doku gedreht werden, doch Shy möchte daran nicht teilnehmen. Es passiert viel und doch auch irgendwie kaum etwas. Es ist eine kurze Nacht mit vielen Gedanken und ein paar kleinen Erlebnissen.
Man muss sich definitiv auf das Buch einlassen. Auch wenn ich es an einem Nachmittag gelesen habe, halte es dennoch eine Zeit nach. Man kennt seine eigenen Gedanken, aber wie sieht es in anderen Köpfen aus? Wie gehen andere Menschen mit ihren Erlebnissen und Taten um? Wie denken sie darüber? Natürlich ist auch das hier nur Fiktion, aber für mich kam es schon ganz nah ran, sich im Kopf von einem Fremden wiederzufinden.
Was sicher wichtig für manche Leser ist - es wird eine sehr explizite und deutliche Sprache benutzt. Es wird nichts umschrieben, sondern klar ausgesprochen. So wie es unter Jugendlichen eben oft der Fall ist.
Es ist kein einfaches Buch, dennoch sicher empfehlenswert für Leser, die sich für die Materie interessieren.
Weniger
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Antworten 0 von 0 finden diese Rezension hilfreich
Andere Kunden interessierten sich für