zu studieren.
Im ersten Text, der behandelt, wie Dangarembga im Schreiben die eigene Geschichte mit der ihres Landes abzugleichen vermag, geht es um die persönliche Dimension dieser elterlichen Entscheidung, um das Trauma, in früher Kindheit mit den eigenen Ängsten alleingelassen zu werden, nur um sich Jahre später bei der Rückkehr ins Heimatland ebenfalls fremd zu fühlen - eine Erfahrung, die an die Cousine der Erzählerin Tambudzai aus Dangarembgas erstem Roman "Aufbrechen" erinnert.
Mit welchen Eindrücken und Einordnungen wartet das neue Buch auf, die Leser nicht bereits aus der Tambudzai-Trilogie kennen? Oder durch Tsitsi Dangarembgas öffentliche Äußerungen als Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2021? Oder zumindest durch den Prozess, der ihr und ihrer Mitstreiterin Julie Barnes gemacht worden ist, weil die beiden Frauen im Juli 2020 am Straßenrand in Harare mit Plakaten für "ein besseres Simbabwe für alle" demonstriert hatten? Das Verfahren trug alle Merkmale eines Schauprozesses und endete im Herbst mit beider Verurteilung zu einer Geldstrafe und zu sechsmonatiger Haft, für fünf Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Der Verdacht drängt sich auf, die Machthaber hätten so ihre prominente Kritikerin zumindest im Vorfeld der für dieses Jahr angesetzten Parlamentswahlen mundtot machen wollen.
Im englischen Original ist "Schwarz und Frau" schon im August erschienen, noch vor der Verurteilung. Dennoch stockt dem Leser der Atem angesichts nicht nur der bestürzenden biographischen Ableitungen, sondern auch der luziden Analysen der bestehenden Gewaltherrschaft in der Nachfolge Robert Mugabes. Dass sie konsequent und gleichsam unausweichlich auch auf die britische Kolonialherrschaft folgt, ohne mit deren Praktiken zu brechen, arbeitet die Schriftstellerin sorgfältig heraus.
Von persönlichen Schilderungen, von traumatisierenden Kindheitserlebnissen ausgehend, weitet Tsitsi Dangarembga den Blick auf die Situation ihres Landes, auf die schwarzer Menschen, insbesondere schwarzer Frauen und schließlich schwarzer Feministinnen als Folge der in Simbabwe ungebrochen gültigen Logik von Ausgrenzung und Unterdrückung. Nach dem Fokus auf das eigene Schreiben nimmt sie die Folgen von Kolonialismus und Postkolonialismus in Simbabwe in den Blick. Mögliche Verfahren der Dekolonisierung, ihre Bedingungen und erhofften Ergebnisse stehen im Zentrum des dritten Beitrags.
Hier erfährt der Leser auch, dass die elterliche Entscheidung, ihre Kinder aus Rhodesien - damals trug das Land noch den Namen seines ersten Kolonisten - nach England mitzubringen, um sie dort in Pflegefamilien zu geben, nicht etwa ein Einzelfall war, sondern den Planungen des Kolonialministeriums entsprach, um die Reintegration der afrikanischen Studenten - elftausend waren es im Jahr 1960 - zu erleichtern, die als einheimische Stützen der kolonialen Herrschaft in ihre Heimat zurückkehren sollten, und zudem die Verbindungen zwischen afrikanischen Studenten und britischen Frauen kleinzuhalten. Pflegefamilien für afrikanische Kinder wurden per Zeitschrifteninserat gesucht. Später sagte ihr ihre Mutter, sie habe geglaubt, dass eine Pflegefamilie in England "annähernd die Bedingungen einer afrikanischen Großfamilie widerspiegeln würde", schreibt Tsitsi Dangarembga. Schmerzvoller ist der feministische Grundsatz, das Persönliche sei politisch, selten beglaubigt worden. FRIDTJOF KÜCHEMANN
Tsitsi Dangarembga: "Schwarz und Frau".
Gedanken zur postkolonialen Gesellschaft.
Aus dem Englischen von Anette Grube. Quadriga Verlag, Köln 2023. 160 S., geb., 22,- Euro.
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