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Die Freundlichkeit währte kurz. In den Jahren nach der Wende sah es aus, als hätten Deutschland und Polen ihren Frieden miteinander gemacht - als sei genug Zeit vergangen. Die Bewohner beider Länder verstehen sich zwar weiterhin prächtig, aber ihre Regierenden? Alte Feindbilder werden entstaubt, alte Unachtsamkeit macht sich breit. Alles nur atmosphärische Störung - oder doch eine Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung beider Länder, der man so leicht nicht ausweichen kann? Die Publizisten Gunter Hofmann und Adam Krzeminski sichten das polnisch-deutsche Verhältnis - in aller Freundschaft. Dazu:…mehr

Produktbeschreibung
Die Freundlichkeit währte kurz. In den Jahren nach der Wende sah es aus, als hätten Deutschland und Polen ihren Frieden miteinander gemacht - als sei genug Zeit vergangen. Die Bewohner beider Länder verstehen sich zwar weiterhin prächtig, aber ihre Regierenden? Alte Feindbilder werden entstaubt, alte Unachtsamkeit macht sich breit. Alles nur atmosphärische Störung - oder doch eine Ungleichzeitigkeit in der Entwicklung beider Länder, der man so leicht nicht ausweichen kann? Die Publizisten Gunter Hofmann und Adam Krzeminski sichten das polnisch-deutsche Verhältnis - in aller Freundschaft. Dazu: Bilder vom eigenen Land, von zwei der eigenwilligsten Fotografen diesseits und jenseits der Oder. Wovon ist die denn Rede, wenn man von Polen und von Deutschland spricht? Die Fotos des jungen Krakauers Lukasz Trzcinski und des vor wenigen Jahren verstorbenen Aacheners Dirk Reinartz geben zwei Antworten. Persönliche, aber nicht beliebige Antworten.
Autorenporträt
Gunter Hofmann geboren 1942, Publizist, Redakteur der Hamburger Wochenzeitschrift "Die Zeit", einer der besten Kenner der politischen Szene in Deutschland, aufmerksamer Beobachter Polens, mehrere Bücher darunter "Abschiede, Anfänge. Die Bundesrepublik - eine Anatomie". Adam Krzeminski geboren 1945, Publizist, Redakteur der Warschauer Zeitschrift "Polityka", der Deutschland-Experte Polens, zahlreiche Bücher in beiden Ländern, darunter "Polen im 20. Jahrhundert. Ein historischer Essay".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2012

Wie der Papst
Revolution gemacht hat
Was genau geschah im Herbst 1989? Gunter Hofmann
hat deutsche und polnische Politiker befragt
Kein anderes Großereignis des vergangenen Vierteljahrhunderts ist auch nur annähernd so gründlich ausgeleuchtet worden wie der „Völkerfrühling im Herbst“ 1989 und die folgende deutsche Vereinigung. Gewiss gab, gibt und wird es Streit geben über Gewichtung und Deutung.
Er fängt schon bei dem Namen an: „Wende“, wie Helmut Kohl es nannte? „Revolution“, wie viele in Ostdeutschland wollen? „Refolution“, eine Mischung von Reform und Revolution, wie Timothy Garton Ash seinerzeit vorgeschlagen hat, vor allem mit Blick auf die Vorreiter Polen und Ungarn? Diese und ähnliche Auseinandersetzungen werden weitergehen, auch nachdem die geheimsten aller geheimen KGB- und CIA-Akten ans Tageslicht gekommen sind. Wer was wem und wann genau gesagt hat, darüber werden noch Generationen streiten.
Gunter Hofmann ist einen anderen Weg gegangen. Er sprach mit den großen Alten, die die bundesdeutsche Politik in den 70er und 80er Jahren bestimmten. Mehrere von ihnen haben bereits ihre Memoiren verfasst, befragt worden sind die meisten auch schon mehrfach. Die freie Nacherzählung der Gespräche mit Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker, mit Hans Dietrich Genscher und Egon Bahr stellt aber nur einen Teil des Buches dar. Im anderen Teil geht Hofmann auf die gesprochenen Erinnerungen der ostdeutschen Oppositionellen ein, womit er eine ziemlich andere Gattung von Biographien in den Blick nimmt und eine deutlich andere Perspektive ins Gespräch bringt. Obwohl sich Ausgangs- wie Fluchtpunkt wesentlich von dem der westdeutschen Politprofis unterscheiden: Die Zufriedenheit mit dem Gesamtergebnis vereint sie alle: Sie erinnern sich als Sieger.
In diesen Kreis gehören auch die meisten polnischen Gesprächspartner. Selbst die großen Verlierer von 1989, die beiden damaligen KP-Chefs (der eine inzwischen verstorben, der andere heute schwer krank) lassen wenig Bitterkeit erkennen: „Helden des Rückzugs“ hatte sie einst Hans Magnus Enzensberger genannt. Die meisten Polen, mit denen Hofmann sprach – darunter der 2008 verunglückte Bronislaw Geremek und Tadeusz Mazowiecki – nehmen aber in derselben Runde Platz wie die interviewten Wessis und Ossis: Sie haben eine Geschichte mitgestaltet, auf deren Ausgang sie zu Recht stolz sind. Obwohl es bis zuletzt Zweifel gab, ob das Ganze gut gehen werde.
Hofmann bringt seine Partner zum Sprechen, hört sich ihre „Wahrheiten“ an, bringt Verständnis auf für Lebensläufe und Befindlichkeiten – außer für Kohl, den „steinernen Gast in diesem Buch“. Lange Passagen lesen sich wie eine einzige Polemik gegen den Altbundeskanzler, der schon immer alles besser gewusst hat. Auch sonst fehlt es nicht an persönlichen Regungen, Emotionen und Reaktionen, aus denen die Politik mitbesteht – auch wenn sie in Strategiepapieren gemieden und in Memoiren in der Regel glatt gebügelt werden.
In drei Punkten hakt Hofmann immer wieder nach. Der erste ist der Streit zwischen „Realpolitikern“ und „Romantikern“, überlagert von der Auseinandersetzung, ob die US-Politik der Stärke mehr für die Deutsche Einheit geleistet hat als das Bonner Festhalten an der Détente. Aus polnischer Sicht sind es Ronald Reagan und Johannes Paul II., „Solidarnosz“ und Widerstand mit Augenmaß, die zum Erfolg von 1989 führten.
Die Westdeutschen erinnern übereinstimmend an die Ostverträge, Willy Brandts Kniefall und die KSZE-Schlussakte; die damaligen Bonner Geister scheiden sich noch immer am Nachrüstungsbeschluss, der aus polnischer Sicht lediglich eine zweitrangige Episode darstellt. „Die polnischen Wahrheiten klingen anders als die deutschen“, resümiert Hofmann. Zusammen kommen diese Erinnerung erst mit Gorbatschow, ohne den sich West- und Ostdeutsche ebenso wie deren östliche Nachbarn „1989“ nicht wirklich vorstellen können.
Das zweite, was in Hofmanns Buch im Vordergrund steht, ist die Rolle Polens vor und während des Jahres 1989. Überraschenderweise gestehen die meisten von Hofmanns westdeutschen Gesprächspartner, man habe seinerzeit vieles unterschätzt: die Papstwahl 1978, die „Solidarnosz“ als eiternde Wunde im Fleisch des Staatssozialismus und deren Bedeutung als Vorbild für Dissidenten in anderen Ländern des Ostblocks.
Dass die ostdeutschen Oppositionellen mit dieser Einschätzung keine Probleme haben, wissen wir seit langem. Nun sagen es mehrere westdeutsche Akteure, die seinerzeit den Krisen an der Weichsel kühler als reserviert gegenüberstanden. „Die Polen hatten Moskau entwaffnet“, lautet Hofmanns Fazit. Ob es sich je durchsetzen und außerhalb von Polen mehr als Lippenbekenntnis werden wird – man darf gespannt sein.
WLODZIMIERZ BORODZIEJ
GUNTER HOFMANN: Polen und Deutsche. Der Weg zur europäischen Revolution 1989/90. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2011. 504 Seiten, 4,50 Euro.
Wlodzimierz Borodziej lehrt Zeitgeschichte an der Universität Warschau. Er ist Co-Direktor des Imre Kertész Kollegs der Universität Jena).
Bis zuletzt war man in Polen
in Sorge: Ob das Ganze
gutgehen würde.
Aus polnischer Sicht haben
Reagan, Johannes Paul II. und die
Solidarnosz den Umsturz bewirkt.
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