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Hannelore Schlaffer entwirft mit ihren Essays ein Sittenbild unserer geschmacksunsicheren Zeit. Sie erklärt, warum die Schönheit zu entschwinden droht - im Pulverdampf der Architekturdebatten, Hochglanzzeitschriften, Talk-Shows, Diskotheken, auf Autosalons, Cocktails und Tourismusbörsen tobenden Auseinandersetzungen um Lifestyle und ästhetische Verpackung des Alltags.

Produktbeschreibung
Hannelore Schlaffer entwirft mit ihren Essays ein Sittenbild unserer geschmacksunsicheren Zeit. Sie erklärt, warum die Schönheit zu entschwinden droht - im Pulverdampf der Architekturdebatten, Hochglanzzeitschriften, Talk-Shows, Diskotheken, auf Autosalons, Cocktails und Tourismusbörsen tobenden Auseinandersetzungen um Lifestyle und ästhetische Verpackung des Alltags.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.1996

Im Jogginganzug in die Oper
Hannelore Schlaffer ärgert sich über das Design des Alltags und ist durch Straßenfeste nicht aufzuheitern

Der Untertitel dieses Bandes kündigt Überlegungen zu "Sitten und Unsitten unserer Zeit" an, aber was Hannelore Schlaffer in den zwölf Essays tatsächlich beschäftigt, sind allein die Unsitten unserer Zeit. Die Jogginganzüge, die von allen überall getragen werden, die Besessenheit von Duft und Geruch, die von der Kosmetikindustrie propagiert wird, die inflationären Straßenfeste, die öffentliche Fröhlichkeit simulieren, und das allgegenwärtige Design, das jeden Gegenstand zum Anschauungsobjekt stilisiert - alles paßt in das Bild einer narzißtischen, der Werbung verfallenen und oberflächlichen Gesellschaft, die im Konsum eine vordergründige Demokratisierung vollzieht und die Schönheit als Statussymbol geschaffen hat. So ist Schönheit nicht mehr, was sie einmal war: sie ist keine ästhetische, sondern eine soziologische Kategorie. Schlaffer beschreibt das Verschwinden der Schönheit und die allgemeine Verbreitung einer Ästhetik des Unschönen als Merkmal einer aufgeklärten Gesellschaft.

Nicht zuletzt die Linke, die "sich zur Aufklärung über das hierarchische Wesen der Schönheit und den Konservativismus kultureller Rituale verpflichtet glaubte", habe mit ihrem politischen Protest der Häßlichkeit Tür und Tor geöffnet. Die Krise der Linken, glaubt Schlaffer, führe heute zu einer neuen "Unbeschwertheit der Schönheit gegenüber". Aber die neue Schönheit ist nicht natürlich, sie ist durch die Bilder der Werbungs- und der Unterhaltungsindustrie infiziert, ist gesellschaftliches Gehabe jenseits der Ästhetik, das schließlich die offen getragene Unschönheit für schön erklärt. "Schönheit ist eine Geste, keine Naturgegebenheit", erklärt Schlaffer und zeigt, wie jeder sich durch Kleidung, Duft, Wohnungseinrichtung, Freizeitbeschäftigung Schönheit kaufen kann, denn: "Schön sein heißt heute Stil haben, was nicht unbedingt etwas mit einem wohlgefälligen Äußeren zu tun haben muß." In einer Gesellschaft, die die ideologische Destruktion der Schönheit betreibt, wird der Lebensstil zum Merkmal dessen, was schön ist oder Schönheit verleiht.

So gilt die "Freizeitkleidung", die inzwischen weit über die Freizeit hinaus getragen wird, als schön, weil sie einen gewissen Wohlstand suggeriert. Die zur Schau getragene, bewußte und gewollte Schlampigkeit entspricht einer neuen Ästhetik, die nur der "Nörgler, zu dem der Intellektuelle in der Moderne geworden ist", häßlich nennt. Die schlampige Freizeitkleidung setzt Schönheit außer Kraft und löst das demokratische Versprechen von der allgemeinen Gleichheit ein. Ähnlich ist die Banalisierung des Feierns durch die unzähligen Straßenfeste, Museumsfeste und Festspiele ein "Akt der Demokratisierung".

Auch das allumfassende Design, das den Alltag bestimmt, entspricht einer liberalen Ästhetik, die keiner Tradition und keinem sozialen Konsens verpflichtet ist. Anders als Schönheit ist Design eine Modeerscheinung, es lebt von immer neuen Einfällen, von der ständigen Erneuerung und verkündet so Zuversicht und Fröhlichkeit. Indem es das Bedürfnis, dem Alltag zu entkommen, befriedigt, ist es der Schönheit immerhin ähnlich, denn Schönheit, so postuliert Schlaffer, "ist der Traum des Menschen von einer anderen, einer besseren Welt jenseits der Wirklichkeit". Für Schlaffer ist Schönheit heute ein Konzept, keine Eigenschaft, und sie versucht, die Merkmale dieses Konzepts zu skizzieren. Trotz mancher argumentativen Übertreibung sind ihre Essays unterhaltende Analysen der Alltagskultur. STEFANA SABIN

Hannelore Schlaffer: "Schönheit". Über Sitten und Unsitten unserer Zeit. Verlag Antje Kunstmann, München 1996. 125 S., br., 28,- DM.

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