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Schnipselgestrüpp
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Schnipselgestrüpp
Produktdetails
- Verlag: Beltz, J
- ISBN-13: 9783905871166
- ISBN-10: 3905871165
- Artikelnr.: 29873213
Herstellerkennzeichnung
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Doppelte Phantasie
Stecken wir den Frosch ins Stockbett und fangen ihm Fliegen: Julia Friese vergoldet öde Tage.
Von Silja von Rauchhaupt
Wozu Zeitungen außer zum Lesen so alles gut sind: zum Fensterputzen, als Malunterlage, für Papiermaché, Collagen. Wenn ein Kind gar nichts hat und nur Zeitungen, die als Teppichersatz auf dem Boden liegen, dann wird die Zeitung sogar zum Spielzeug. So erzählt es jedenfalls "Schnipselgestrüpp", das neue Bilderbuch von Julia Friese und Christian Duda. Ein Junge wächst in Armut, scheußlich grüngrauen Tapeten und unter andauerndem Fernsehgeräusch auf. Er zieht sich in sein Zimmer zurück und spielt. Mit Zeitungsschnipseln, die er an die Wand heftet. Schließlich gelingt es ihm,
Stecken wir den Frosch ins Stockbett und fangen ihm Fliegen: Julia Friese vergoldet öde Tage.
Von Silja von Rauchhaupt
Wozu Zeitungen außer zum Lesen so alles gut sind: zum Fensterputzen, als Malunterlage, für Papiermaché, Collagen. Wenn ein Kind gar nichts hat und nur Zeitungen, die als Teppichersatz auf dem Boden liegen, dann wird die Zeitung sogar zum Spielzeug. So erzählt es jedenfalls "Schnipselgestrüpp", das neue Bilderbuch von Julia Friese und Christian Duda. Ein Junge wächst in Armut, scheußlich grüngrauen Tapeten und unter andauerndem Fernsehgeräusch auf. Er zieht sich in sein Zimmer zurück und spielt. Mit Zeitungsschnipseln, die er an die Wand heftet. Schließlich gelingt es ihm,
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seinen Vater vom Fernseher in sein Phantasiespiel zu locken.
In "Schnipselgestrüpp" kann man miterleben, was Phantasie für ein Schatz ist, wie sie oft nur einen winzigen Schnipsel braucht, um zu einer wunderbaren Geschichte zu werden. In sparsamen, gut sitzenden Zeichnungen mit dem Kohlestift und gezielt eingesetzten Aquarellfarben entstehen die ausgedachten Welten des Jungen zunächst in Collagetechnik ganz realistisch an den grauen Wänden, um dann immer ausufernder, immer überbordender zu werden. Seite für Seite kann man sich immer mehr in die Faszination des Jungen hineinversetzen. Als er einen Artikel über Gottesanbeterinnen unter den Zeitungen entdeckt, beginnt er sich sofort festzulesen. Und man selbst auch, denn über die Schulter des Jungen kann man die überraschend interessanten Sachtexte ebenfalls verfolgen. Nicht nur der Vater wird in die Welt des Jungen gezogen, auch der Leser.
Frieses Seiten werden farbiger, wilder, phantasievoller. Bis hin zur Doppelseite, in der nichts mehr grau ist, sondern alles sattgrün, und der Junge selber zur Gottesanbeterin wird. Erstmals tauchen hier knallige Farben auf, Rot und Rosa in Form von ausgeschnittenen Blumen und Schmetterlingen. Schon auf der nächsten Seite ist die Verwandlung wieder durchbrochen, der Alltag ist da, Maßstab und Proportionen sind wieder richtig, der Junge ist ein Junge, kein Insekt.
Zum allerletzten Schluss aber sitzen Vater und Sohn als Gottesanbeterin und Frosch im Stockbett und fangen Fliegen. Und die Mutter, die sonst reglos vorm Fernseher sitzt, freut sich über eine Papierblume im Haar.
Julia Friese, Christian Duda: "Schnipselgestrüpp". Bajazzo Verlag, Zürich 2010. 44 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 5 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In "Schnipselgestrüpp" kann man miterleben, was Phantasie für ein Schatz ist, wie sie oft nur einen winzigen Schnipsel braucht, um zu einer wunderbaren Geschichte zu werden. In sparsamen, gut sitzenden Zeichnungen mit dem Kohlestift und gezielt eingesetzten Aquarellfarben entstehen die ausgedachten Welten des Jungen zunächst in Collagetechnik ganz realistisch an den grauen Wänden, um dann immer ausufernder, immer überbordender zu werden. Seite für Seite kann man sich immer mehr in die Faszination des Jungen hineinversetzen. Als er einen Artikel über Gottesanbeterinnen unter den Zeitungen entdeckt, beginnt er sich sofort festzulesen. Und man selbst auch, denn über die Schulter des Jungen kann man die überraschend interessanten Sachtexte ebenfalls verfolgen. Nicht nur der Vater wird in die Welt des Jungen gezogen, auch der Leser.
Frieses Seiten werden farbiger, wilder, phantasievoller. Bis hin zur Doppelseite, in der nichts mehr grau ist, sondern alles sattgrün, und der Junge selber zur Gottesanbeterin wird. Erstmals tauchen hier knallige Farben auf, Rot und Rosa in Form von ausgeschnittenen Blumen und Schmetterlingen. Schon auf der nächsten Seite ist die Verwandlung wieder durchbrochen, der Alltag ist da, Maßstab und Proportionen sind wieder richtig, der Junge ist ein Junge, kein Insekt.
Zum allerletzten Schluss aber sitzen Vater und Sohn als Gottesanbeterin und Frosch im Stockbett und fangen Fliegen. Und die Mutter, die sonst reglos vorm Fernseher sitzt, freut sich über eine Papierblume im Haar.
Julia Friese, Christian Duda: "Schnipselgestrüpp". Bajazzo Verlag, Zürich 2010. 44 S., geb., 14,90 [Euro]. Ab 5 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Was ist Fantasie? Nach dem Anschauen dieses Bilderbuchs von Julia Friese und Christian Duda hat Rezensentin Silja von Rauchhaupt immerhin eine Ahnung. Fantasie weiß sie jetzt, kann aus den kleinsten Schnipseln Schätze bergen. Ein Junge klaubt sich aus Zeitungsüberresten eine ganze Welt zusammen und verändert seine eigene, eigentlich ziemlich triste dadurch. Gezeichnet ist das laut Rauchhaupt so sparsam wie treffend mit Kohle und Aquarell. Und es ist ansteckend!
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Das Zimmer des Jungen ist voller Papierschnipsel. Seine Eltern haben kein Geld für Spielzeug, statt dessen holt seine Mutter Zeitungen aus dem Mülleimer im Hof, aus denen sich der Junge seine eigene Welt bastelt. Sie fahren nicht in Urlaub, dafür fliegt der Junge um die Welt. Sie …
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Das Zimmer des Jungen ist voller Papierschnipsel. Seine Eltern haben kein Geld für Spielzeug, statt dessen holt seine Mutter Zeitungen aus dem Mülleimer im Hof, aus denen sich der Junge seine eigene Welt bastelt. Sie fahren nicht in Urlaub, dafür fliegt der Junge um die Welt. Sie machen keine Ausflüge in den Zoo oder in den Zirkus, aber in seinem Zimmer gibt es nicht nur Tiere an der Wand, sondern auch Kino und manchmal sogar Theater.
Papierschnipsel, Klebeband und Fantasie verwandeln ein graues, langweiliges Kinderzimmer in einen grünen, lebendigen Dschungel, an denen Gottesanbeterinnen an den Zweigen hängen und der Junge sich wohlfühlt. Können die Eltern verstehen, dass seine Welt allein durch Fantasie funktioniert, oder halten sie alles für Quatsch?
Auf dem Einband das Bilderbuchs in Querformat dominieren die Grautöne. Nur ein Junge in blauer Kleidung sitzt auf einem Berg alten Zeitungspapier und schneidet mit einer Schere Wörter und Bilder aus, an der Wand in seinem Rücken hat er bereits einen roten Schnipsel befestigt. Passend zur Thematik sind Titel und Autoren auf dem Cover aus einzelnen Buchstaben "aufgeklebt".
Der Einband wirkt auf den ersten Blick nicht einladend und auch die Familie bleibt zunächst fremd. Erzählt wird die Geschichte von einem Jungen, dessen Mutter und dessen Vater. Die Personen haben keine Namen, in den Zimmern sind keine persönlichen Gegenstände zu sehen, nur ein paar vereinzelte Möbel und im Hintergrund eine altmodische, grüne Tapete. "Schnipselgestrüpp" ist kein Buch, das die Blicke durch putzige, kindgerechte Illustrationen auf sich zieht, allerdings durch eine ungewöhnliche Umsetzung und außergewöhnliche Techniken: das grüne Kleid der Mutter wirkt wie mit einem Filzstift ausgemalt, die Linienführung geht kreuz und quer, so wie man selbst als Kind großflächige Bilder ausgemalt hat. Die Fantasiewelt des Jungen aus Zeitungsausschnitten hebt sich durch fotorealistische Darstellungen von den Illustrationen hervor. Viele Motive wirken durch Grau- und Schwärztöne wie Druckerschwärze, manchmal gelbstichig, wie altes, vergilbtes Zeitungspapier. "Schnipselgestrüpp" ist keines der Bilderbücher, die man auf den ersten Blick in sein Herz schließt, es wirkt zunächst spröde und unzugänglich durch die namenlosen Personen und die tristen Farben. Um den besonderen Zauber der Geschichte zu erschließen, muss man auch zwischen den Zeilen lesen. Nicht alles steht schwarz und weiß im Text geschrieben, Bilder und Textpassagen komunizieren miteinander und erzählen in Verbindung von der fantastischen Fantasiewelt eines kleinen Jungen, der mit ihrer Hilfe den Alltagstrott durchbricht und diesen Zauber am Ende sogar auf seine Eltern übertragen kann. Auf der letzten Doppelseite hat sich das Zimmer des Jungen in einen blühenden und farbenprächtigen Dschungel verwandelt, dessen Pflanzen ganz langsam auch in den Rest der vormals tristen Wohnung vordringen.
Ein wunderbares Buch über den Zauber der Fantasie, das seine Magie erst in seinem Inneren preisgibt. Eine Anregung für Eltern und ihre Kinder, dass kein teures Spielzeug, Reisen oder Ausflüge nötig sind, um Spaß zu haben oder Außergewöhnliches zu Erleben. Ein Buch für die ganze Familie, dessen tieferen Sinn man am besten beim gemeinsamen Lesen und Ansehen entdeckt und auf jeden Fall ein Geheimtipp auch für erwachsene Bildergeschichtenliebhaber. Ein großartiges Plädoyer dafür, wieder mehr Zeit miteinander zu verbringen und selbst etwas zu entdecken, statt sich alles von dem die Wohnung dominierenden Fernseher vorführen zu lassen.
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Antworten 1 von 1 finden diese Rezension hilfreich
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