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Wasser, Stürme, Horizont und Himmel - nach mehr als 500 Jahren erlebt der Leser Kolumbus´ erste Amerikareise in allen Einzelheiten mit: Fährnisse und Widrigkeiten, überwältigende Eindrücke von der tropischen Landschaft und von den Sitten der Indianer. Kolumbus notierte seine Erlebnisse mit peinlicher Genauigkeit. Die Übersetzung folgt der Zusammenfassung des Bordbuchs, die Bartolomé de las Casas in den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts anfertigte. Sie ist die bislang zuverlässigste Quelle.

Produktbeschreibung
Wasser, Stürme, Horizont und Himmel - nach mehr als 500 Jahren erlebt der Leser Kolumbus´ erste Amerikareise in allen Einzelheiten mit: Fährnisse und Widrigkeiten, überwältigende Eindrücke von der tropischen Landschaft und von den Sitten der Indianer. Kolumbus notierte seine Erlebnisse mit peinlicher Genauigkeit. Die Übersetzung folgt der Zusammenfassung des Bordbuchs, die Bartolomé de las Casas in den dreißiger Jahren des 16. Jahrhunderts anfertigte. Sie ist die bislang zuverlässigste Quelle.
Autorenporträt
Christopher Kolumbus (1451-1506) war italienischer Seefahrer in spanischen Diensten und gilt als Entdecker Amerikas. Er glaubte über den Atlantik den westlichen Seeweg nach Indien finden zu können. 1484 gewann er die Unterstützung Isabellas von Kastilien für diesen Plan. Auf seiner 1. Reise (1492/93) entdeckte er (mit den 3 Schiffen Niña, Pinta, Santa Maria) am 12. 10. 1492 die Bahama-Insel Guanahani sowie Kuba und Haiti; auf der 2. Reise (1493-1496) erreichte er die Kleinen Antillen, Puerto Rico und Jamaika; auf der 3. Reise (1498-1500) entdeckte er die Orinocomündung (Südamerika) und Trinidad. Beim spanischen Hof in Ungnade gefallen, wurde er in Ketten zurückgebracht, konnte sich aber rechtfertigen und ging auf die 4. Reise (1502-1504), die ihn bei Honduras an die mittelamerikanische Küste brachte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2000

Wilde waren schon immer vernünftiger
Ein patriotischer Spanier fälscht in den sechziger Jahren das Bordbuch des Christoph Kolumbus, und niemand hat bis heute etwas davon gemerkt

Lügen haben kurze Beine, weiß das Sprichwort - und irrt bisweilen. Ein geschickter Lügner vermag durchaus einiges zu bewirken, wenn er es nur versteht, seinen Gegenstand klug zu wählen. Was aber heißt hier klug? Bekannt sollte er sein, der Gegenstand. So bekannt am besten, dass, wer immer sich ihm nähert, dies kaum unbefangen tun wird, sondern geleitet von einer Vielzahl von Vorurteilen und Bildern, die sich fest in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt haben. Und forsch muss sie sein, die gute Lüge, forsch aber unspektakulär. Sie kann nicht mit einem Paukenschlag auftreten, denn je mehr unmittelbares Interesse sie weckt, desto wahrscheinlicher wird ihre Entlarvung. Die erfolgreiche Lüge wird unauffällig platziert. Ganz allmählich muss sie sich über ihren Gegenstand legen und ihn einspinnen, so lange, bis sie ihn schließlich fast vollständig bedeckt.

Carlos Sanz (1903 bis 1979), von Hause aus Spanier, Katholik und Historiker (in dieser Reihenfolge) war ein hervorragender Lügner, sein Meisterstück eine 1962 erschienene Fälschung, so plump, so wenig auf ein Verwischen der Spuren bedacht, dass wohl gerade die Offensichtlichkeit der Tat achtunddreißig Jahre lang ihre Aufdeckung verhinderte - bis heute. Mehr noch, seine Lüge wurde so eifrig reproduziert, dass es inzwischen schwer fällt, ihr nicht einen gewissen Wahrheitsgrad zuzugestehen. Denn kaum jemand wird ernsthaft bezweifeln wollen, dass die Arbeit zweier Forschergenerationen zum fraglichen Gegenstand das Verständnis desselben erweitert und bereichert hat - auch wenn sie auf einem manipulierten Dokument aufbaute. Der Text, den zu fälschen Sanz beliebte, erfüllte alle Voraussetzungen für einen erfolgreichen Eingriff. Es handelt sich um den berühmtesten aller Berichte von der Entdeckung Amerikas: das "Bordbuch" der ersten Reise des Christoph Kolumbus.

Kolumbus hat während dieser Fahrt täglich Eintragungen in ein Schiffstagebuch vorgenommen und darin Fahrtrichtung und zurückgelegte Strecke, Beobachtungen und Mutmaßungen festgehalten. Dadurch gelang es ihm, die schwer fassbare räumliche Ordnung des offenen Meeres in eine zeitliche Ordnung zu überführen und die erfolgreiche Rückreise ebenso zu gewährleisten wie spätere Westfahrten. Vermutlich ohne sich dessen bewusst zu sein, hat er mit dieser Praxis zugleich dem systematisch geführten Logbuch den Weg bereitet. Vor allem aber hat er auf diese Weise dokumentiert, was andernfalls unweigerlich dem Vergessen anheim gefallen wäre: seine Wahrnehmung der karibischen Realität, sein Verstehen - oder, besser, Nichtverstehen - jener Neuen Welt, die sich vor seinen Augen auftat.

Leider verliert sich die Spur dieses Schiffstagebuchs im März des Jahres 1554. Am 9. des Monats erhält der Enkel des Entdeckers und dritte Admiral, Luis Colón, per königlichen Erlass für zehn Jahre die Druckrechte am Bordbuch seines Großvaters zugesprochen. Er hat sie nicht genutzt. Warum die Veröffentlichung unterlassen wurde, ist unbekannt. Auch der Weg des Textes bis zu jenem Zeitpunkt lässt sich nur lückenhaft rekonstruieren.

Unmittelbar nach seiner erfolgreichen Rückkehr nach Spanien im März 1493 überreichte Kolumbus das Original seines Logbuchs den Katholischen Königen Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón. Nachdem diese ihn kurz darauf offiziell mit einer zweiten Westfahrt beauftragt hatten, bat er darum, ihm das zur Navigation benötigte Bordbuch wieder zukommen zu lassen. Die Könige sicherten ihm dies brieflich zu, ließen jedoch zunächst unter größter Geheimhaltung eine Kopie anfertigen, die so genannte "Barcelona-Kopie", benannt nach dem damaligen Aufenthaltsort des Hofes, die Kolumbus wenige Tage vor seiner Abreise zur zweiten Fahrt zugesandt wurde.

Diese Kopie blieb zunächst im Besitz der Familie Kolumbus. Sie dürfte es gewesen sein, die Fernando Colón in den Jahren 1537-39 als Hauptquelle des ersten Teils seiner "Historia del Almirante" benutzte, einer Biographie seines Vaters. Ebenfalls die "Barcelona-Kopie" hat allem Anschein nach der Dominikaner Bartolomé de las Casas vor sich gehabt, als er, in den dreißiger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts, eine kommentierte Zusammenfassung des Bordbuches anfertigte, die er wenige Jahre später fast wörtlich in seine "Historia de las Indias" einbettete.

Mitte des sechzehnten Jahrhunderts existierten damit neben dem Original insgesamt vier Varianten des Bordbuches: Die wohl weitgehend originalgetreue "Barcelona-Kopie", Fernandos Manuskript der "Historia del Almirante" sowie die kommentierte Abschrift von las Casas, einmal als eigenständiges Dokument, einmal innerhalb des Manuskripts seiner "Historia de las Indias".

Die meisten dieser Texte gingen indes im Laufe der Zeit verloren. Sowohl das Original als auch die Barcelona-Kopie sind bis heute verschollen, der Text Fernando Colóns ist nur in einer von Luis Colón angeregten Übersetzung ins Italienische aus dem Jahr 1571 überliefert. Lediglich die beiden Versionen, die auf Bartolomé de las Casas zurückgehen, sind im Manuskript enthalten. Auch ihre Spur verlor sich jedoch zunächst für fast zweieinhalb Jahrhunderte. Die "Historia de las Indias" wurde bald nach las Casas' Tod vom Indienrat konfisziert und erst 1875/76 vollständig in Druck gegeben, die Existenz der Zusammenfassung des Bordbuches als eigenständiges Dokument war nicht bekannt. Erst 1790 wurde sie von Martin Fernández de Navarrete in der Privatsammlung des Duque de Infantada entdeckt. Es handelt sich dabei um siebenundsechzig beidseitig in einer im Großen und Ganzen gut lesbaren Kursiv-Minuskel beschriebene Blätter im Folio-Format. Der Text scheint von las Casas als Arbeitskopie angefertigt worden zu sein. Darauf deuten einerseits die zahlreichen Durch- und Unterstreichungen hin, andererseits die große Zahl von Einfügungen (entweder interlinear oder am rechten Blattrand). Den linken Blattrand hat las Casas für eigene Anmerkungen genutzt, die den Haupttext, mal nüchtern, mal ironisch, kommentieren.

Die meisten Herausgeber des "Bordbuchs" (angefangen bei Navarrete, der 1825 im Auftrag der spanischen Krone die erste Druckfassung besorgte) verzichteten auf die Wiedergabe der Randbemerkungen, eine Praxis, über die man geteilter Meinung sein kann, wenngleich die Unterscheidung zwischen Haupttext und Glosse nicht immer eindeutig zu treffen ist. Ebenfalls verzichtet wurde allerdings häufig auf die einleitenden Worte von las Casas, in denen dieser deutlich macht, dass es sich bei seiner "Abschrift" mitnichten um eine getreue Kopie handelt, sondern vielmehr um eine Zusammenfassung. Folgerichtig ist denn auch der größte Teil des "Bordbuches" in der dritten Person Singular gehalten ("Der Admiral entfaltete das königliche Banner"). Direkte Zitate aus der Barcelona-Kopie werden im Manuskript deutlich markiert durch Formulierungen wie "Estas son las palabres del Almirante" (dies sind die Worte des Admirals) oder "dijo el Almirante" (sagte der Admiral).

Die so geschaffene Hierarchie der Stimmen lässt ein deutliches Autoritätsgefälle erkennen. Zugleich lässt sich parallel zum Wechsel der grammatischen Person auch ein ideologischer Wechsel beobachten: Wo Kolumbus die paradiesische Unschuld der Tainos beschreibt, ihre natürliche Güte, Religiosität und Gottgefälligkeit, scheint las Casas die entsprechende Passage in der Regel wörtlich zu übernehmen. Merkantile Überlegungen des Admirals hingegen, die von Ausbeutung und Versklavung sprechen, werden durchgängig in der dritten Person präsentiert, der als autoritative erste Person die kritische editorische Stimme des Dominikaners übergeordnet bleibt.

Fast alle deutschen Editionen des Bordbuches (darunter die wohl am weitesten verbreitete Ausgabe im Insel-Verlag) tilgen diesen Wechsel, indem sie den gesamten Text in die erste Person Singular setzen (die einzige löbliche Ausnahme stellt eine 1981 in Leipzig und kurz darauf in Frankfurt am Main in kleiner Auflage erschienene Übersetzung von Roland Erb dar). Ganz abgesehen von der generellen Fragwürdigkeit einer solchen editorischen Praxis, wird auf diese Weise dem Text eine monolithische Autorität und Homogenität verliehen, die das Manuskript des Dominikaners vermissen lässt. Die spanischen, italienischen, französischen und englischen Fassungen übernehmen zwar meist die uneinheitliche Erzählperspektive des Originals, fast alle aber weisen dennoch, selbst wenn man dem Vergleich nur den Haupttext (ohne die Randnotizen) zu Grunde legt, gegenüber der Handschrift eine auffällige Lücke auf.

Und genau hier kommt Carlos Sanz ins Spiel: Das Manuskript wird heute, sieht man von den beiden vor wenigen Jahren angefertigten Kopien auf Mikrofilm ab, für das Publikum unzugänglich in der Handschriftenabteilung der Bibliotéca Nacional in Madrid verwahrt. Sanz jedoch wurde 1961 noch einmal der Zugang zu den Originalen gewährt. Nachdem er sich bereits als Herausgeber und Interpret von Reiseberichten, alten Karten und nicht zuletzt der "Bibliotheca Americana Vetustissima" des Henry Harisse einen Namen gemacht hatte, beauftragte man ihn mit der Herausgabe einer Faksimile-Edition des "Bordbuchs", die fortan die Rolle des Originals als Bezugstext übernehmen sollte.

Dieses endet im Manuskript von las Casas mit einer wenig schmeichelhaften Einschätzung der Rolle Spaniens bei der Eroberung der Neuen Welt: "Und er hatte gewiss sehr recht und sprach als sehr kluger Mann und fast als Prophet", heißt es da, "weil die brutalen Menschen die geistigen und materiellen Güter, die Gott Spanien anbot, nicht zu schätzen wussten; indes war Spanien wegen seiner Herrschsucht und Habgier nicht würdig, sich der geistigen zu erfreuen; ausgenommen einige Diener Gottes." Dass las Casas, der sich zur Zeit der Abfassung des Textes bereits geraume Zeit in den Verhandlungen über die künftige Behandlung der indianischen Urbevölkerung als Verteidiger derselben engagiert hatte, diese Zeilen wichtig waren, steht außer Frage. Er hat sie komplett unterstrichen.

Sanz nun, der zunächst einmal Patriot und erst dann Historiker war, tat, was ihm zum Wohle Spaniens nötig schien: Er tilgte die Passage aus dem Faksimile. Wo das Original fünfeinhalb unterstrichene Zeilen zeigt, klafft im Nachdruck eine Lücke. Die Dreistigkeit, mit der die Retusche betrieben wurde, sucht durchaus ihresgleichen, zählen doch die letzten Zeilen eines Textes nicht gerade zu denen, die leicht überlesen werden. Und wenngleich am Ende der Tilgung ein Text stand, der sich mit der großen Mehrzahl der bis dahin veröffentlichten Ausgaben des Bordbuches deckte (auch der erste Herausgeber der Schrift, Navarrete, hatte in seiner Transkription auf eine Wiedergabe der Schluss-Sentenz verzichtet), hatten die fraglichen Zeilen doch mittlerweile längst Eingang in eine ganze Reihe von Publikationen gefunden (so etwa in die 1892 in Genua herausgegebene Sammlung der Schriften des Kolumbus, in eine deutsche Übersetzung aus den vierziger Jahren und in eine englische von 1960). Auch eine spanische Kolumbus-Bibliographie aus dem Jahr 1892 gibt sie wieder und moniert zugleich, dass sie in der Druckfassung bei Navarrete unterdrückt wurden. Ein schlechtes Gewissen plagte Sanz jedoch offensichtlich nicht. Ein Exemplar seines 1962 bei Gráficas Yagües in Madrid erschienenen "Faksimiles" schenkte er der Bibliotéca Nacional, wo es noch heute gerne als Ersatz für das Original im Lesesaal bereitgestellt wird.

Die Tilgung hatte weit reichende Folgen, denn die späteren Faksimile-Ausgaben, Transkriptionen und Druckfassungen des "Bordbuches" gingen, auch wenn ihre Herausgeber fast ohne Ausnahme etwas anderes behaupten, weder vom Original noch von den Mikrofilmen als Textgrundlage aus, sondern vom Sanzschen Faksimile. Selbst der Herausgeber eines 1984 gleichfalls in Madrid angefertigten (und einzigen vollständigen!) Faksimiles hat sich nicht die Mühe gemacht, seine anhand der Sanz-Edition angefertigte Transkription mit dem Original - oder auch nur mit dem eigenen Faksimile - zu vergleichen. Auch sein Begleitband bricht fünf Zeilen vor dem eigentlichen Ende ab.

Nun enthält die Passage auf den ersten Blick nichts, was eine grundlegende Revision unseres Bildes von der Entdeckung Amerikas nötig machte. Immer noch fand der erste Landfall am 12. Oktober 1492 statt, und immer noch lässt sich in Expertenkreisen trefflich darüber streiten, welches der zahllosen karibischen Eilande denn nun jenes Guanahani war, auf das Kolumbus an jenem Tag seinen Fuß setzte und dessen Bewohner Zeugen des komplizierten bürokratischen Prozederes wurden, mit dem Spanien "formal" von der Insel Besitz ergriff. Man kann allerdings in den unterstrichenen letzten Zeilen des Manuskripts auch eine Art "Leseanleitung" sehen, einen Hinweis darauf, wie der vorhergehende Text in seiner Gesamtheit zu interpretieren ist. In den größeren Kontext der "Historia de las Indias" gerückt, bedeutet dies vor allem, dass das "Bordbuch" als das erste Dokument einer langen und traurigen Liste von Quellen zum Völkermord an den Bewohnern der Neuen Welt gelesen werden soll.

Diese Anweisung kann man selbstverständlich ignorieren. Wie alle Texte weist auch las Casas' Fassung des Bordbuches einen Bedeutungsüberschuss auf, der dem intendierten Sinn der Schrift zuwiderläuft. So plappert etwa Carlos Sanz in seinen Kommentaren munter vom durch den Akt der formellen Besitzergreifung etablierten "völkerrechtlich legitimierten, ewigen Besitzanspruch Spaniens auf die Neue Welt" und dem "christlichen Heil", das den kannibalischen Wilden Amerikas zuteil wurde und das so ungleich schwerer wiege als die Lappalie der Ausrottung jener neu gewonnenen Kinder der heiligen Mutter Kirche. Beiden Interpretationen dürfte las Casas kaum zugestimmt haben.

Und noch ein Punkt ist der Überlegung wert, auch wenn man sich dabei auf spekulatives Terrain begibt: Las Casas bekennt sich in seiner Einleitung ausdrücklich dazu, kein getreuer Kopist der Worte des Kolumbus sein zu wollen. Sein Ziel ist, den Bericht über die erste Fahrt "summarisch zusammenzufassen", ein Unternehmen, das ohne Auslassungen kaum zu bewerkstelligen ist. Der von Sanz unterdrückte Abschlusskommentar gestattet zumindest Vermutungen darüber, welcher Art die von las Casas zu verantwortenden Abweichungen vom ursprünglichen Text des Kolumbus waren. Sie dürften vor allem solche Abschnitte betroffen haben, die sich mit dem Bild des edlen Wilden und der brutalen und skrupellosen Europäer nicht in Einklang bringen ließen. Zwar lässt sich auf der Basis der erhaltenen Texte nicht sagen, ob das Original des Bordbuches entsprechende Passagen enthielt, dass diesen aber die Übernahme in die Zusammenfassung des Dominikaners verwehrt geblieben wäre, erscheint im Lichte der von Sanz getilgten Zeilen wahrscheinlich.

Wie dem auch sei, es ist unredlich, ein Faksimile herauszugeben, das seinem Namen Hohn spricht und gerade nicht "gleich gemacht" ist. Der eigentliche Skandal aber ist wohl eher darin zu sehen, dass die Fälschung eines so wichtigen Dokumentes wie des Bordbuchs der ersten Reise des Kolumbus bis heute achtunddreißig Jahre lang und ungezählte Editionen hindurch unbeanstandet reproduziert werden konnte, dass ein gewaltiges Korpus an Sekundärliteratur auf einer Ausgabe aufbaut, deren Herausgeber nationalistische Interessen über die Treue zur Vorlage gingen.

Die dadurch entstandene Situation trägt paradoxe Züge, denn trotz der inzwischen kaum mehr überschaubaren Zahl von Bordbuch-Ausgaben ist eine vollständige Druckfassung des Berichts über die erste Amerikafahrt bis heute nicht greifbar - weder in der Originalsprache noch in Übersetzung. Dem Original am nächsten kommt noch immer die von Cesare de Lollis besorgte Transkription, die 1892 anlässlich der vierhundertsten Wiederkehr der Entdeckung in Rom veröffentlicht wurde. Die Chance, ihrer habhaft zu werden, ist jedoch relativ gering. Sie wurde in einer Auflage von lediglich 560 Exemplaren gedruckt, von denen wiederum lediglich ein kleiner Teil in europäischen Bibliotheken zugänglich ist.

So bleibt für eine ernsthafte quellenkritische Auseinandersetzung mit dem Text lediglich doch nur der Gang in die spanische Nationalbibliothek oder aber die Arbeit mit einem der 1984 bei Testimonio Editorial erschienenen vollständigen Faksimiles des "Libro de la primera navegación". Was darüber hinaus bleibt, ist ein schaler Beigeschmack. Denn wer immer sich mit der Geschichte der europäischen Expansion auseinander setzt, hat recht gute Chancen, früher oder später auf eines der immerhin mehreren hundert von Carlos Sanz herausgegebenen und als Faksimile deklarierten Dokumente zu stoßen, deren Zuverlässigkeit bislang ebenso unhinterfragt vorausgesetzt wurde wie die seiner Bordbuch-Ausgabe.

THOMAS REINHARDT

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"Gut 180 Seiten umfasst das Taschenbuch und gibt darauf einen Einblick in die Mühsal und die Gefahren, denen die Seeleute des 15. Jahrhunderts auf den oft mehrere Monate, mitunter Jahre dauernden Fahrten ausgesetzt waren. Daneben schildert das Tagebuch aber auch die unglaublichen Entdeckungen, die Kolumbus machte. Seltene Vögel werden ebenso beschrieben, wie die Lebensweise der Eingeborenen, deren Inseln die drei spanischen Karawellen vor rund 500 Jahren anliefen." Westfalen-Blatt

"Sollte er je Angst verspürt haben, in stürmischen Meeren ohne Horizont, in Sonnenglut, die Wasservorräte in Dunst verwandelten - er hat es im Schiffstagebuch seiner Entdeckungsreise nie zugegeben: Christoph Kolumbus. Und doch spürt man sie in einigen Einträgen. So viel zur Macht der authentischen Sprache. Welt am Sonntag