Die "Logisch-Philosophische Abhandlung" von Ludwig Wittgenstein ist eines der komplexesten philosophischen Werke des 20. Jahrhunderts. Es verwundert daher nicht, daß dieser "Tractatus" in seiner Mehrdimensionalität noch nicht als befriedigend interpretiert gelten kann. Der Tractatus sieht aus wie eine kompakte Systemphilosophie, ist aber keine. Eher ist er Auffindung des archimedischen Punktes der abendländischen Philosophie. Positivistische Interpretationen können das auch deshalb nicht erkennen, weil ihnen das Literarische dieses Werks verschlossen bleibt, das sich mit Wittgensteins scharfer Begriffsanalyse paart. Oft genug wurde bemerkt, daß es sich nicht um "Aphorismen" handelt; doch die entscheidenden Sätze des Tractatus haben neben der begrifflichen eine poesieförmige Bedeutung: sie sind Verdichtung sehr weitreichender und offener Gedanken. Die 15 Texte dieses Sammelbandes sind ein Interpretationsbeitrag, indem sie semiotische, linguistische, ästhetische, poetologische, musik- und architekturtheoretische Aspekte und Konsequenzen aus dem Tractatus reflektieren und Verbindungslinien zu anderen Autoren ziehen, z.B. Kant, Peirce, Mauthner und Goodman.