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Putin's war is a "special operation" against modernity. The invasion has been directed against Ukraine, but the war has a broader target: the modern world of climate awareness, energy transition and digital labor. By trading oil and gas, promoting Trump and Brexit, spreading corruption, boosting inequality and homophobia, subsidizing far-right movements and destroying Ukraine, Putin's clique aims at suppressing the ongoing transformation of modern societies.
Alexander Etkind distinguishes between Russia's pompous, weaponized paleomodernity, on the one hand, and the lean, decentralized
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Produktbeschreibung
Putin's war is a "special operation" against modernity. The invasion has been directed against Ukraine, but the war has a broader target: the modern world of climate awareness, energy transition and digital labor. By trading oil and gas, promoting Trump and Brexit, spreading corruption, boosting inequality and homophobia, subsidizing far-right movements and destroying Ukraine, Putin's clique aims at suppressing the ongoing transformation of modern societies.

Alexander Etkind distinguishes between Russia's pompous, weaponized paleomodernity, on the one hand, and the lean, decentralized gaiamodernity of the Anthropocene, on the other. Putin's clique has used various strategies - from climate denialism and electoral interference to war and genocide - to resist and subvert modernity. Working on political, cultural and even demographic levels, social mechanisms convert the vicious energy of the oil curse into all-out aggression. Dissecting these mechanisms, Etkind's brief but rigorous analyses of social structuration, cultural dynamics and family models reveal the agency that drives the Russian war against modernity. This short, sharp critique of the Russian regime combines political economy, social history and demography to predict the decolonizing and defederating of Russia.
Autorenporträt
Alexander Etkind is a professor at the Central European University in Vienna.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.2023

Putin als Nemesis seiner eigenen Herrschaftsform
Alexander Etkind blickt zurück auf ein Russland, das seine Modernitätsverweigerung ans Ende gebracht haben wird

Alexander Etkind warnt seine Leser schon im Vorwort, dass er ungeduldig mit seinem Heimatland sei. In der Tat zeigt der atemlose Duktus seines Buchs, dass Russlands Zukunftsverweigerung für den Professor an der Central European University in Wien mehr als ein wissenschaftliches Problem darstellt. Etkind beugt sich über zahlreiche Rankings und findet Russland immer auf den hintersten Plätzen in der Nachbarschaft von Diktaturen oder Failed States. Sei es das Medianeinkommen, Pressefreiheit, Lebenserwartung oder auch nur das subjektive Glücksgefühl - Russland weist nicht nur enttäuschende, sondern erschreckende Daten aus. Etkinds zentrale Frage lautet: Wie konnte es dazu kommen, dass Russland mit seiner gut ausgebildeten Bevölkerung und seinen reichen Rohstoffvorkommen heute so arm und unfrei ist?

Etkind erblickt den Ursprung allen Übels im russischen Staat, der von einer Pseudoelite gekapert worden sei. Dieses Machtkartell besteht heute hauptsächlich aus Siebzigjährigen, die noch vom sowjetischen Wirtschaftshabitus der schnellen Ausbeutung endlicher Ressourcen geprägt sind. Moderne Konzepte wie ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit oder internationale Kooperation sind diesem eingeschworenen Zirkel fremd. Russland setzt fast ausschließlich auf fossile und nukleare Brennstoffe. Bereits 2010 hatte sich Putin über die westliche Energiepolitik lustig gemacht und maliziös darauf hingewiesen, dass die Abhängigkeit von Russland in jedem Fall bestehen bleibe: Wenn man weder mit Gas noch mit Atomstrom heizen wolle, dann müsse man auf Feuerholz zurückgreifen - und das gebe es in Sibirien. Der Kreml macht sich ohnehin wenig Sorgen wegen des Klimawandels. Entweder stellt man sich auf den Standpunkt, dass eine generelle Erwärmung für das kalte Russland sogar wünschenswert sei, oder man leugnet die klimatischen Veränderungen überhaupt.

Die Ablehnung der Moderne zeigt sich auch in den Strukturen der russischen Gesellschaft. Die Kernfamilie existiert kaum mehr. Durch hohe Scheidungsraten, die tiefe Lebenserwartung für Männer und die Ungleichbehandlung der Geschlechter im Berufsleben habe sich Russland in eine kollektive Vaterlosigkeit begeben. Etkind vergleicht die aktuelle russische Situation mit der ersten deutschen Nachkriegsgeneration, die als "Horde von Geschwistern ohne Väter" aufwuchs. Das Verschwinden der Väter führe auch zu einem Rückzug der Mütter, die eine doppelte Belastung von Erwerbsarbeit und Familie schultern müssen; viele Kinder wachsen bei den Großmüttern auf. Etkind verweist darauf, dass neue gesellschaftliche Ideale in Russland deshalb nicht nach dreißig, sondern nach sechzig Jahren an eine nächste Generation weitergegeben werden.

Russlands Position in der internationalen Politik ist für Etkind von einem gigantischen Ödipuskomplex geprägt, der sich mit einem Fetisch verbindet. Verräterisch sind für ihn dabei Putins gegen die USA gerichteten Monologe: Im August 2022 behauptete der russische Präsident, nur Maskulinität könne die unabhängigen Staaten vor dem amerikanischen Imperialismus retten. Gleichzeitig diene ihm die Ukraine als Fetisch. Warum sonst sollte der flächenmäßig größte Staat der Welt weiteres Territorium erobern, das nicht einmal über Bodenschätze verfügt? Die Begründung des russischen Überfalls lautet, dass die Ukraine einmal "uns" gehörte und nun zurückgeholt werden muss. Etkind führt die Ödipus-Linie noch weiter: Der überhebliche Putin sei selbst zur Nemesis des Putinismus geworden, die Kriegsentscheidung untergräbt auch die Grundlagen seines eigenen Herrschens.

Etkind beendet seine Analyse der russischen Misere mit einem Blick in die Nachkriegszeit, die er kaum erwarten kann und deshalb in der Vergangenheitsform präsentiert. Aus Etkinds Sicht wird Russland das gleiche Schicksal ereilen wie die Sowjetunion: Die Föderation wird auseinanderfallen. Die Auflösung Russlands stand nach der Oktoberrevolution schon einmal auf der internationalen Agenda. Zwei Berater von Präsident Woodrow Wilson, Edward House und William Bullitt, schlugen damals vor, den Bürgerkrieg durch die Aufteilung des russischen Territoriums unter den Kriegsparteien zu beenden. Kurz vor dem Überfall auf die Ukraine wies Putin auf diese Pläne hin und warnte vor einem amerikanischen Teilungsplan für Russland. Er erwähnte allerdings nicht, dass Wilson sich damals für die territoriale Integrität Russlands eingesetzt hatte.

Etkind erwartet eine Niederlage Russlands in diesem Krieg, und die Führungsclique im Kreml werde an den Folgen des eigenen Machthungers ersticken. An den Rändern der zerfallenden russischen Föderation melden sich Stimmen, die neue Formen der staatlichen Organisation der Gesellschaft fordern. Die entstehenden Staaten werden demokratisch oder autoritär sein, aber sie werden sich wirtschaftlich und politisch in die internationale Gemeinschaft einbinden. Es ist kein Zufall, dass Etkind in einem Facebook-Beitrag eine frühere Version dieser Vision als Märchen vorgetragen hat. Möglicherweise ist die Beharrungskraft des ausbeuterischen russischen Staates doch stärker als der Erneuerungswille einer entmündigten und erschöpften Gesellschaft. Recht hat Etkind aber mit Sicherheit in einem zentralen Aspekt seiner Analyse: Ein System, das seinen Reichtum aus "Erdlöchern" bezieht und unter wenigen Privilegierten verteilt, widerspricht allen Forderungen der Moderne und muss deshalb versuchen, die Geschichte selbst anzuhalten. Die katastrophalen Folgen dieses "stopmodernistischen" Projekts lassen sich in der Ukraine beobachten. ULRICH SCHMID

Alexander Etkind: "Russia Against Modernity".

Polity Press, Cambridge 2023. 166 S., br., 17,99 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Etkind situates Putin's 2022 war in a much bigger story about Russian history and the country's role as a major oil producer in a world facing a climate crisis. A concise book packed with big ideas."
Shaun Walker, The Guardian

"a sophisticated and sustained critique of Putin's Russia... Etkind has published an important essay that stimulates rational thinking about fundamental issues that affect us all."
Eurasian Geography and Economics

"The most thought-provoking of the new crop of books about the war in Ukraine is Alexander Etkind's quick and incisive Russia Against Modernity."
The New York Times

"Etkind combines brevity and playfulness with a degree of erudition that other works covering the Russia-Ukraine conflict seldom manage."
Jon Richardson, Inside Story

"Etkind charges through the corrupt and kleptocratic history of the Putin-era state, deftly traversing complex theoretical ground ... Even the most antagonistic reader will find the work thought-provoking."
Ian Garner, The Russian Review