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Italo Svevo
Broschiertes Buch
Romane, 3 Bde.
Ein Leben; Senilita, Zenos Gewissen. Italos Svevos drei große Lebensromane
Übersetzung: Kleiner, Barbara
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Drei männliche Helden in unterschiedlichen Lebensaltern an der Schwelle zur Moderne, auf der Suche nach Erfolg und Liebesglück.
Italo Svevo, 'der italienische Schwabe', ist das Pseudonym des 1861 in Triest geborenen Ettore Schmitz. Er starb 1928 an den Folgen eines Autounfalls in der Nähe von Treviso. Väterlicherseits von deutschsprachigen Juden abstammend, besuchte Svevo die Schule in der Nähe von Würzburg. Er war Bankangestellter und später Unternehmer. In seinen Romanen nahm er Freud vorweg - und wurde daher zunächst verkannt. James Joyce, damals selbst noch unbekannt, ermutigte ihn auf seinem Weg. Heute gilt Svevo als Meilenstein der Literaturgeschichte.
Produktdetails
- detebe Diogenes Taschenbücher-Kassetten 23483
- Verlag: Diogenes
- Originaltitel: Una vita; Senilità; La coscienza di Zeno
- 2., Neuausg.
- Seitenzahl: 1568
- Erscheinungstermin: 20. Oktober 2011
- Deutsch
- Abmessung: 180mm x 113mm
- Gewicht: 1174g
- ISBN-13: 9783257234831
- ISBN-10: 325723483X
- Artikelnr.: 33372792
Herstellerkennzeichnung
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Und wer macht mir meinen Milchkaffee?
Grandioser Wortschwall eines tragikomischen Hypochonders: Mit Zeno Cosini ließ Italo Svevo die Moderne in die italienische Literatur einziehen. Jetzt liegt der Klassiker in einer frischen Übersetzung vor.
Rauchen oder nicht rauchen, das ist hier die Frage. Zeno Cosini, Protagonist von Italo Svevos "Zenos Gewissen", stellt sie sich täglich. Als Mann mit den besten Absichten gibt es für ihn nur eine Antwort: Schluss damit! Allein, es mangelt ihm an der Kraft zur Umsetzung. Was er nicht einsieht - oder sich schönredet. Zum Beispiel, wenn er nach einer halben Stunde Entzug konstatiert: "Ich war also völlig geheilt, aber unheilbar lächerlich!" Und wenn er eines nicht will, dann
Grandioser Wortschwall eines tragikomischen Hypochonders: Mit Zeno Cosini ließ Italo Svevo die Moderne in die italienische Literatur einziehen. Jetzt liegt der Klassiker in einer frischen Übersetzung vor.
Rauchen oder nicht rauchen, das ist hier die Frage. Zeno Cosini, Protagonist von Italo Svevos "Zenos Gewissen", stellt sie sich täglich. Als Mann mit den besten Absichten gibt es für ihn nur eine Antwort: Schluss damit! Allein, es mangelt ihm an der Kraft zur Umsetzung. Was er nicht einsieht - oder sich schönredet. Zum Beispiel, wenn er nach einer halben Stunde Entzug konstatiert: "Ich war also völlig geheilt, aber unheilbar lächerlich!" Und wenn er eines nicht will, dann
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lächerlich erscheinen oder "gesund sterben, nachdem ich das ganze Leben lang krank gelebt habe". Da hilft nur der neuerliche Griff zum Nikotin.
"Gli inetti" heißen solche Typen in der italienischen Literatur. Es sind die Trägen oder Untauglichen, die sich treiben lassen, den Zeitläuften nichts entgegensetzen, sich an ihre Illusionen verlieren und oft keinen Zugang zu ihrem Selbst haben. Es ist der moderne Mensch - in einer seiner Spielarten.
Aron Hector (Ettore) Schmitz, in die Literaturgeschichte als Italo Svevo eingegangen, hat diesem Typus am Ende des neunzehnten, zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in drei Romanen ein Denkmal gesetzt und damit die italienische Literatur an die mitteleuropäische Moderne angeschlossen. Bereits das Pseudonym des 1861 in Triest geborenen Sohns eines Deutschen und einer Italienerin, beide mit jüdischem Hintergrund, war Programm: Die habsburgische Hafenstadt war ein Schmelztiegel venezianischer, deutscher und slawischer Einflüsse; gleichzeitig erfreute sich der Irredentismus, in diesem Falle ein panitalienischer Nationalismus, gerade unter Intellektuellen großer Beliebtheit. Italo Svevo, der italienische Schwabe - damit verband Schmitz Unvereinbares.
Einiges hatte er mit seinen Helden gemein. Auch ihn quälte ein von Schopenhauer geprägter Pessimismus, gleichzeitig zeichnete ihn ein Sinn für Humor aus. Humor indes heißt, Dürrenmatt zufolge, "nicht einverstanden sein mit der Welt, sondern sie eben als gerade das zu akzeptieren, was sie ist, als etwas sehr Fragwürdiges". Zudem war Svevo sozial engagiert, zu Emphase fähig und, wenn auch augenzwinkernd, von der Qualität seiner Texte überzeugt, "denn es genügt nicht, Meisterwerke zu schreiben, sondern man muss auch Zeno Cosini verstehen".
Der siebenundfünfzigjährige Zeno Cosini ist ein Mann aus gutem Hause, wirtschaftlich abgesichert und zumindest in einer Hinsicht ein echter "inetto": Vom Geschäftsleben versteht er rein gar nichts, was zur Folge hat, dass ihm sein Vater in der eigenen Firma den wirtschaftlichen Vormund Olivi vor die Nase setzt. Dergestalt um eine Aufgabe gebracht, flaniert er durch die Straßen Triests, gibt allenthalben den Connaisseur und kultiviert seine Hypochondrie. Sich selbst attestiert er ein besonderes Leiden: "Ohne ein Redner zu sein, hatte ich die Wortkrankheit." Das stimmt insofern, als er im Zuge einer Psychoanalyse rund 750 Seiten braucht, um sein ereignisarmes Leben darzulegen. Die sind freilich ein Feuerwerk an Bonmots sowie ins Groteske spielenden Situationen. In thematischen Blöcken handelt Zeno sein Leben ab, angefangen beim Rauchen über den Tod des Vaters, die Ehefrau und Geliebte bis hin zur Psychoanalyse. Nur zu einem zentralen Thema fehlt ein eigenes Kapitel: den eingebildeten Krankheiten.
Svevo verstand Krankheit als Chiffre seiner Zeit, Krankheit und Gesundheit galten ihm als austauschbare Begriffe, da jeder grundsätzlich an der Zeit, an der Existenz an sich leide. Zeno unterzieht sich einer Psychoanalyse, was seinem Schöpfer das Etikett des "psychoanalytischen Autors" eintrug (F.A.Z. vom 10. Dezember). Das verbat er sich strikt. Er hatte zwar Freuds "Traumdeutung" übersetzt, lehnte diesen Ansatz aber ab. Literarisch schlägt sich das gleich auf den ersten Seiten des "Zeno" in einer genial-komischen Verletzung der Abstinenzregel nieder: Ein Doktor S. veröffentlicht "aus Rache" die Manuskripte seines Patienten Zeno Cosini, weil dieser die Behandlung abgebrochen hat. Später gibt auch Zeno selbst noch Auskunft: "Meine Therapie musste beendet sein, weil meine Krankheit ausfindig gemacht worden war. Es war keine andere als die, welche vor Zeiten der selige Sophokles an dem armen Ödipus diagnostiziert hat: Ich hatte meine Mutter geliebt und hätte meinen Vater töten wollen!"
Sophokles und Ödipus, das ist die große Tragödie, die jedoch, erneut nach Dürrenmatt, eine gestaltete Welt voraussetzt. Doch die Zeiten waren vorbei. Aber auch die Komödie, die nach einer Welt im Umbruch verlangt, taugte nicht als Gestaltungsmittel. Aber dann wäre Zeno, der bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs nur eine Sorge kennt: Wie kommt er an seinen Milchkaffee?, nur eine Witzfigur. Nein, um seinem dürftigen, doch facettenreichen Innenleben gerecht zu werden, bedurfte es der Tragikomik. Der moderne Erzähler war geboren.
Svevo unterlegte dem Handeln oder Nichthandeln seiner Protagonisten stets mehrere Motive. Sind diese im Widerstreit miteinander, verstärkt sich die typische Antriebslosigkeit noch. Verstricken sich die Figuren obendrein in Reflexionen über ihr Handeln, sind sie schnell beim Watzlawickschen "Behalten Sie doch Ihren Hammer!" Gerade diese subtile Beobachtungsgabe Svevos macht alle drei Romane zu herausragenden Werken. Der "Zeno" darf dabei getrost als Meisterwerk bezeichnet werden - das beinahe nicht entstanden wäre.
Nachdem Svevo 1892 "Una vita" und 1898 "Senilità" jeweils auf eigene Kosten veröffentlicht hatte, blieb der Erfolg aus. Svevo beschloss, nichts mehr zu publizieren, und war fest in seinen Beruf als Kaufmann eingebunden. Die Literatur entstand am Feierabend, für die Schublade. Dann kam Joyce. Die beiden Literaten lernten sich 1907 in Triest kennen. Joyce ermunterte Svevo weiterzuschreiben. 1923 erschien der "Zeno". In dieser langen Zwischenzeit muss es in Svevo gegärt haben: Er verabschiedete sich von Vorbildern, vor allem den französischen Naturalisten wie Zola, und ließ tradierte Erzählformen wie den chronologischen Handlungsablauf hinter sich. Der Protagonist darf als Ich-Erzähler hervortreten, der zuvor nur ironisch grundierte Ton reift zum ironiesatten Duktus heran.
Doch wieder bleibt der Erfolg aus. Und wieder macht sich Joyce verdient, indem er Svevo empfiehlt, sich an englische und französische Verlage zu wenden. Im Ausland schlagen alle drei Romane ein. In Italien setzt sich dann Montale für ihn ein. Svevo hat diesen späten Ruhm noch erlebt, aber kaum mehr genießen können, 1928 starb er.
In der knappen Zeit, die ihm verblieb, hat er sich intensiv um Übersetzungen gekümmert. Nach der Kritik in Italien, die ihm immer wieder Dialektismen und grammatische Fehler vorgehalten hatte, legte er größten Wert auf gelungene Übertragungen in anderer Sprache. Aus Anlass seines hundertfünfzigsten Geburtstages am 19. Dezember hat der Manesse Verlag nun die überarbeitete Neuübersetzung Barbara Kleiners aus dem Jahr 2000 wiederaufgelegt.
Obwohl der deutsche Erstübersetzer Piero Rismondo noch mit Svevo zusammengearbeitet hat und seine Version sich keineswegs angestaubt liest, zeigt der Vergleich, was Genuss von Hochgenuss trennt. Als Svevo etwa ins Haus eines väterlichen Freundes kommt, hat er bereits beschlossen, eine der vier Töchter zur Frau zu nehmen, obwohl er noch keine von ihnen kennt. "Jenes erste Mal betrachtete ich Ada mit dem alleinigen Wunsch, mich in sie zu verlieben. Das war der einzige Weg, wenn ich sie heiraten wollte." Das ist nicht der einzige, aber ein sicherer Weg, die Pointe zu killen. Aber das muss nicht sein, wie Kleiner beweist: "Jenes erste Mal betrachtete ich Ada mit einem einzigen Wunsch: dem, mich in sie zu verlieben, denn da musste ich durch, um sie zu heiraten."
Diese Stelle ist auch insofern symptomatisch, als sie Rismondos Umgang mit der Syntax veranschaulicht. Setzt Svevo selbst einmal einen Doppelpunkt, verzichtet Rismondo prompt darauf, obwohl er ihn sonst gern einfügt. Zudem zerhackt er Svevos lange Sätze ständig, was einen wesentlich entschlosseneren, tatkräftigen Ton suggeriert; unterstützt wird dieser Eindruck durch weitere Eingriffe wie die Transformation von indirekter Rede in direkte. Dass all dies nicht notwendig ist, zeigt die Übersetzung Barbara Kleiners, die ebenso elegant wie klar ist. Svevo wäre entzückt gewesen.
CHRISTIANE PÖHLMANN.
Italo Svevo: "Zenos Gewissen". Roman.
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Mit einem Nachwort von Maike Albath. Manesse Verlag, München 2011. 796 S., geb., 24,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Gli inetti" heißen solche Typen in der italienischen Literatur. Es sind die Trägen oder Untauglichen, die sich treiben lassen, den Zeitläuften nichts entgegensetzen, sich an ihre Illusionen verlieren und oft keinen Zugang zu ihrem Selbst haben. Es ist der moderne Mensch - in einer seiner Spielarten.
Aron Hector (Ettore) Schmitz, in die Literaturgeschichte als Italo Svevo eingegangen, hat diesem Typus am Ende des neunzehnten, zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in drei Romanen ein Denkmal gesetzt und damit die italienische Literatur an die mitteleuropäische Moderne angeschlossen. Bereits das Pseudonym des 1861 in Triest geborenen Sohns eines Deutschen und einer Italienerin, beide mit jüdischem Hintergrund, war Programm: Die habsburgische Hafenstadt war ein Schmelztiegel venezianischer, deutscher und slawischer Einflüsse; gleichzeitig erfreute sich der Irredentismus, in diesem Falle ein panitalienischer Nationalismus, gerade unter Intellektuellen großer Beliebtheit. Italo Svevo, der italienische Schwabe - damit verband Schmitz Unvereinbares.
Einiges hatte er mit seinen Helden gemein. Auch ihn quälte ein von Schopenhauer geprägter Pessimismus, gleichzeitig zeichnete ihn ein Sinn für Humor aus. Humor indes heißt, Dürrenmatt zufolge, "nicht einverstanden sein mit der Welt, sondern sie eben als gerade das zu akzeptieren, was sie ist, als etwas sehr Fragwürdiges". Zudem war Svevo sozial engagiert, zu Emphase fähig und, wenn auch augenzwinkernd, von der Qualität seiner Texte überzeugt, "denn es genügt nicht, Meisterwerke zu schreiben, sondern man muss auch Zeno Cosini verstehen".
Der siebenundfünfzigjährige Zeno Cosini ist ein Mann aus gutem Hause, wirtschaftlich abgesichert und zumindest in einer Hinsicht ein echter "inetto": Vom Geschäftsleben versteht er rein gar nichts, was zur Folge hat, dass ihm sein Vater in der eigenen Firma den wirtschaftlichen Vormund Olivi vor die Nase setzt. Dergestalt um eine Aufgabe gebracht, flaniert er durch die Straßen Triests, gibt allenthalben den Connaisseur und kultiviert seine Hypochondrie. Sich selbst attestiert er ein besonderes Leiden: "Ohne ein Redner zu sein, hatte ich die Wortkrankheit." Das stimmt insofern, als er im Zuge einer Psychoanalyse rund 750 Seiten braucht, um sein ereignisarmes Leben darzulegen. Die sind freilich ein Feuerwerk an Bonmots sowie ins Groteske spielenden Situationen. In thematischen Blöcken handelt Zeno sein Leben ab, angefangen beim Rauchen über den Tod des Vaters, die Ehefrau und Geliebte bis hin zur Psychoanalyse. Nur zu einem zentralen Thema fehlt ein eigenes Kapitel: den eingebildeten Krankheiten.
Svevo verstand Krankheit als Chiffre seiner Zeit, Krankheit und Gesundheit galten ihm als austauschbare Begriffe, da jeder grundsätzlich an der Zeit, an der Existenz an sich leide. Zeno unterzieht sich einer Psychoanalyse, was seinem Schöpfer das Etikett des "psychoanalytischen Autors" eintrug (F.A.Z. vom 10. Dezember). Das verbat er sich strikt. Er hatte zwar Freuds "Traumdeutung" übersetzt, lehnte diesen Ansatz aber ab. Literarisch schlägt sich das gleich auf den ersten Seiten des "Zeno" in einer genial-komischen Verletzung der Abstinenzregel nieder: Ein Doktor S. veröffentlicht "aus Rache" die Manuskripte seines Patienten Zeno Cosini, weil dieser die Behandlung abgebrochen hat. Später gibt auch Zeno selbst noch Auskunft: "Meine Therapie musste beendet sein, weil meine Krankheit ausfindig gemacht worden war. Es war keine andere als die, welche vor Zeiten der selige Sophokles an dem armen Ödipus diagnostiziert hat: Ich hatte meine Mutter geliebt und hätte meinen Vater töten wollen!"
Sophokles und Ödipus, das ist die große Tragödie, die jedoch, erneut nach Dürrenmatt, eine gestaltete Welt voraussetzt. Doch die Zeiten waren vorbei. Aber auch die Komödie, die nach einer Welt im Umbruch verlangt, taugte nicht als Gestaltungsmittel. Aber dann wäre Zeno, der bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs nur eine Sorge kennt: Wie kommt er an seinen Milchkaffee?, nur eine Witzfigur. Nein, um seinem dürftigen, doch facettenreichen Innenleben gerecht zu werden, bedurfte es der Tragikomik. Der moderne Erzähler war geboren.
Svevo unterlegte dem Handeln oder Nichthandeln seiner Protagonisten stets mehrere Motive. Sind diese im Widerstreit miteinander, verstärkt sich die typische Antriebslosigkeit noch. Verstricken sich die Figuren obendrein in Reflexionen über ihr Handeln, sind sie schnell beim Watzlawickschen "Behalten Sie doch Ihren Hammer!" Gerade diese subtile Beobachtungsgabe Svevos macht alle drei Romane zu herausragenden Werken. Der "Zeno" darf dabei getrost als Meisterwerk bezeichnet werden - das beinahe nicht entstanden wäre.
Nachdem Svevo 1892 "Una vita" und 1898 "Senilità" jeweils auf eigene Kosten veröffentlicht hatte, blieb der Erfolg aus. Svevo beschloss, nichts mehr zu publizieren, und war fest in seinen Beruf als Kaufmann eingebunden. Die Literatur entstand am Feierabend, für die Schublade. Dann kam Joyce. Die beiden Literaten lernten sich 1907 in Triest kennen. Joyce ermunterte Svevo weiterzuschreiben. 1923 erschien der "Zeno". In dieser langen Zwischenzeit muss es in Svevo gegärt haben: Er verabschiedete sich von Vorbildern, vor allem den französischen Naturalisten wie Zola, und ließ tradierte Erzählformen wie den chronologischen Handlungsablauf hinter sich. Der Protagonist darf als Ich-Erzähler hervortreten, der zuvor nur ironisch grundierte Ton reift zum ironiesatten Duktus heran.
Doch wieder bleibt der Erfolg aus. Und wieder macht sich Joyce verdient, indem er Svevo empfiehlt, sich an englische und französische Verlage zu wenden. Im Ausland schlagen alle drei Romane ein. In Italien setzt sich dann Montale für ihn ein. Svevo hat diesen späten Ruhm noch erlebt, aber kaum mehr genießen können, 1928 starb er.
In der knappen Zeit, die ihm verblieb, hat er sich intensiv um Übersetzungen gekümmert. Nach der Kritik in Italien, die ihm immer wieder Dialektismen und grammatische Fehler vorgehalten hatte, legte er größten Wert auf gelungene Übertragungen in anderer Sprache. Aus Anlass seines hundertfünfzigsten Geburtstages am 19. Dezember hat der Manesse Verlag nun die überarbeitete Neuübersetzung Barbara Kleiners aus dem Jahr 2000 wiederaufgelegt.
Obwohl der deutsche Erstübersetzer Piero Rismondo noch mit Svevo zusammengearbeitet hat und seine Version sich keineswegs angestaubt liest, zeigt der Vergleich, was Genuss von Hochgenuss trennt. Als Svevo etwa ins Haus eines väterlichen Freundes kommt, hat er bereits beschlossen, eine der vier Töchter zur Frau zu nehmen, obwohl er noch keine von ihnen kennt. "Jenes erste Mal betrachtete ich Ada mit dem alleinigen Wunsch, mich in sie zu verlieben. Das war der einzige Weg, wenn ich sie heiraten wollte." Das ist nicht der einzige, aber ein sicherer Weg, die Pointe zu killen. Aber das muss nicht sein, wie Kleiner beweist: "Jenes erste Mal betrachtete ich Ada mit einem einzigen Wunsch: dem, mich in sie zu verlieben, denn da musste ich durch, um sie zu heiraten."
Diese Stelle ist auch insofern symptomatisch, als sie Rismondos Umgang mit der Syntax veranschaulicht. Setzt Svevo selbst einmal einen Doppelpunkt, verzichtet Rismondo prompt darauf, obwohl er ihn sonst gern einfügt. Zudem zerhackt er Svevos lange Sätze ständig, was einen wesentlich entschlosseneren, tatkräftigen Ton suggeriert; unterstützt wird dieser Eindruck durch weitere Eingriffe wie die Transformation von indirekter Rede in direkte. Dass all dies nicht notwendig ist, zeigt die Übersetzung Barbara Kleiners, die ebenso elegant wie klar ist. Svevo wäre entzückt gewesen.
CHRISTIANE PÖHLMANN.
Italo Svevo: "Zenos Gewissen". Roman.
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Mit einem Nachwort von Maike Albath. Manesse Verlag, München 2011. 796 S., geb., 24,95 [Euro].
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Der italienische Schriftsteller Italo Svevo (1861 - 1928) gilt als führender italienischer Romanautor des 20. Jahrhunderts. Er war einer der ersten Autoren einer weltliterarischen Modernität und zugleich ein Außenseiter im nationalen literarischen Leben. Mit seinem Pseudonym …
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Der italienische Schriftsteller Italo Svevo (1861 - 1928) gilt als führender italienischer Romanautor des 20. Jahrhunderts. Er war einer der ersten Autoren einer weltliterarischen Modernität und zugleich ein Außenseiter im nationalen literarischen Leben. Mit seinem Pseudonym (eigentlich Aaron Hector Schmitz) wollte er seine italienisch-deutsche Herkunft versinnbildlichen.
Svevo war zwanzig Jahre als Bankbeamter tätig, ehe er 1899 Unternehmer wurde. Nach-dem seine beiden ersten Romane „Ein Leben“ (1892) und „Senilita“ (1898, dt. „Ein Mann wird älter“) von der Kritik überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden waren, unterbrach er für 25 Jahre seine literarische Tätigkeit. Erst durch die Lektüre Freuds und Prousts angeregt, veröffentlichte er den Roman „Zenos Gewissen“ (1923), womit er in und außerhalb Italiens sofort bekannt wurde. Fünf Jahre später starb er bei einem Autounfall.
Nun liegen im Diogenes Verlag diese drei großen Lebensromane von Italo Svevo als Ta-schenbücher in einem Schmuckschober vor. Bereits in seinem umfangreichen Erstlings-roman „Ein Leben“, der noch vom Naturalismus beeinflusst war, liegt der Hauptakzent auf der Selbstanalyse des Helden. In der Welt der Angestellten spielt das Schicksal des Bankangestellten Alfonso Nitti, der große Schwierigkeiten mit mechanischen Arbeitsvorgängen und der Kontrolle seiner Arbeit durch andere hat. Dem großen Pechvogel der italienischen Literaturgeschichte öffnet sich zwar zunächst durch die Literatur der Weg zum Aufstieg, doch nach verheißungsvollem Anfang scheitert er kläglich. Wieder im verhassten Büroalltag gelandet, münden Alfonsos Zwangsvorstellungen schließlich in den Selbstmord.
„Senilita“ ist die Geschichte eines amourösen Abenteuers, das der dreißigjährige kauf-männische Angestellte Emilio Brentani ganz bewusst in den Straßen von Triest sucht. Da begegnet ihm die verruchte Angiolina, mit der er ein Verhältnis beginnt. Eigentlich will er eine allzu ernsthafte Beziehung vermeiden, doch dann verfällt Emilio ihrer sinnlichen Anziehungskraft. Bald ist Angiolina diejenige, die in der Beziehung das Sagen hat und sie entlarvt Emilios Doppelmoral. Svevos Roman, der oft mit den großen Werken von Dickens und Tolstoi verglichen wurde, ist ein Schlüsselwerk der Moderne.
Schauplatz von „Zenos Gewissen“ ist Svevos Heimatstadt Triest in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Auf Anraten seines Psychoanalytikers hat der 57jährige Zeno Cosini und Ich-Erzähler seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. Ähnlich wie Alfonso und Emilio hat Zeno künstlerische Interessen und ist ebenso energielos, im Unterschied zu ihnen jedoch vermögend. Doch Zenos Willensschwäche und Feigheit ruft beim Leser nur Mitleid und Missachtung hervor. Die Geschichte über den Kleinstadtneurotiker Zeno Cosini ist eine grandiose Parodie auf die Psychoanalyse.
Alle drei Romane liegen jetzt bei Diogenes in einer deutschen Neuübersetzung von Barbara Kleiner vor. Außerdem gibt es zu jedem Roman ein Nachwort (bzw. Essay) von Edgar Sallager, Ute Stempel und Wilhelm Genazino.
Manfred Orlick
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