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Unter dem Titel 'Robert Walsers 'Ferne Nähe'' dokumentiert die-ser Band die Tagung, die aus Anlass des 50. Todestages von Robert Walser im Dezember 2006 in Zürich stattgefunden hat. In einer Fülle neuer Beiträge nähern sich Schriftsteller, Literatur-wissenschaftler, Editoren und Übersetzer dem Werk aus den unterschiedlichsten Richtungen, um sich an ihm zu inspirieren, um es neu zu lesen und neu lesbar zu machen. Walsers Ausstrahlung zu Lebzeiten wird mit einigen überraschenden Funden erschlossen und dokumentiert. Sein heutiger Bedeutungsradius zeigt sich am internationalen Interesse für…mehr

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Produktbeschreibung
Unter dem Titel 'Robert Walsers 'Ferne Nähe'' dokumentiert die-ser Band die Tagung, die aus Anlass des 50. Todestages von Robert Walser im Dezember 2006 in Zürich stattgefunden hat. In einer Fülle neuer Beiträge nähern sich Schriftsteller, Literatur-wissenschaftler, Editoren und Übersetzer dem Werk aus den unterschiedlichsten Richtungen, um sich an ihm zu inspirieren, um es neu zu lesen und neu lesbar zu machen. Walsers Ausstrahlung zu Lebzeiten wird mit einigen überraschenden Funden erschlossen und dokumentiert. Sein heutiger Bedeutungsradius zeigt sich am internationalen Interesse für Walsers Werk, das die Übersetzer Wort für Wort in die Welt hinaus-tragen. Walser wirkt weiter: Ob inspirierend oder irritierend - er ist nie ganz vertraut und nah, son-dern immer auch befreiend fremd und fern
Autorenporträt
Wolfram Groddeck ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Zürich, ist Präsident der "Robert Walser-Gesellschaft" in Zürich und Stiftungsrat der historisch-kritischen Gottfried Keller-Ausgabe in Zürich.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.07.2009

Ja, müssen wir denn alle zu Forschern werden?
Schrift geht vor Lesen: Wolfgang Groddeck und Barbara von Reibnitz errichten das definitive Denkmal für Robert Walser
Im Jahr 1904 schrieb Joseph Viktor Widmann , Robert Walsers erster Mentor und Kritiker: „Am meisten aber ärgerte manche Leser, daß sie diese Sachen, obschon sie sie ,absurd’ fanden, doch immer zu Ende lesen mußten." Bis heute zieht seine immer leicht befremdende Sprache jeden Leser, wenn er denn einmal mit Lesen angefangen hat, in ihren sanften Bann.
„Diese Sachen” absurd zu finden, ist freilich nicht mehr erlaubt, seit „das Literaturgerücht Robert Walser” (ein Wort seines Namensvetters Martin Walser) sich in mehreren Schüben editorisch konkretisiert hat. „Auf einer Wanderung ist am Weihnachtstag (1956) unser lieber Bruder und Freund Robert Walser, Schriftsteller, durch Herzschlag still aus diesem Leben gegangen”, so lautete die Todesanzeige des tot im Schnee gefundenen Dichters, der dieses Leben seit 1933 still in der Heil- und Pflegeanstalt Herisau verbracht hatte. Der Freund, welcher die Anzeige mit den Geschwistern unterzeichnete, war Carl Seelig, der 1894 geborene Zürcher Schriftsteller und Journalist, ein diskreter und geduldiger Freund, Vormund des Dichters, dessen Walser-Ausgabe „Dichtungen in Prosa” seit 1953 erschien und den Anfang der postumen Karriere des damals fast vollständig vergessenen Schriftstellers eröffnete: „Ich empfand das Bedürfnis, für die Publikation seiner Werke und für ihn selbst etwas zu tun. Unter allen zeitgenössischen Schriftstellern der Schweiz schien er mir die eigenartigste Persönlichkeit zu sein”, schrieb er in seinen „Wanderungen mit Robert Walser”.
Carl Seelig starb 1962, und das editorische Schicksal Robert Walsers ist etwa ab dieser Zeit mit dem Namen Jochen Greven verbunden. „Das Gesamtwerk” (1966-1975) gewann dem Autor neue Freunde und legte in zwölf schönen Bänden den Grund für eine kritisch-wissenschaftliche Aufarbeitung eines Autors, der als Zeitgenosse von Thomas Mann, Herrmann Hesse und Franz Kafka geschrieben hatte. Den Schub zu einer größeren Verbreitung brachten dann aber erst die zwanzig Bände „Sämtliche Werke” im Suhrkamp Verlag 1985/86. Robert Walsers neuer Ruhm erlaubte sogar die Publikation jener sechs Bände von nie Gelesenem, das Robert Walser in einer klitzekleinen Bleistiftschrift zum Teil auf Papierschnitzel und bereits beschriebene oder bedruckte Blätter fixiert hat, als ob er verhindern wollte, dass es überhaupt je gelesen würde – wie jemand, der sich beim Sprechen die Hand vor den Mund hält: „Aus dem Bleistiftgebiet. Mikrogramme 1924-1933”, entziffert und herausgegeben von Bernhard Echte und Werner Morlang.
Jochen Greven konnte also mit gutem Recht 2003 ein Buch vorlegen, das eine postume Karriere nachzeichnet: „Robert Walser – ein Außenseiter wird zum Klassiker / Abenteuer einer Wiederentdeckung”. Eine „Wiederbelebungsnotwendigkeit”, wie Martin Walser einmal formulierte, besteht also längst nicht mehr. Eben deswegen besteht aber wohl ein Interesse, den Dichter mit allem, was er geschrieben hat, ins literarische Leben zu rufen und somit nachzuholen, was dieser konsequente Nicht-Einsteiger versäumt hat. Die neue „Kritische Ausgabe sämtlicher Drucke und Manuskripte” in acht Abteilungen mit insgesamt über fünfzig Bänden, von denen gerade ein erster Band mit Gesamt-Faksimile erschienen ist, verfolgt dieses Ziel, doch in einer ganz anderen Perspektive als Jochen Grevens „Gesamtwerk”. Ausführlich äußert sich dazu Wolfram Groddeck in seinem Artikel „Jenseits des Buchs. Zur Dynamik des Werkbegriffs bei Robert Walser” aus der Zeitschrift Text (12, 2008), der in einem dreißigseitigen „Editionsprospekt” wieder abgedruckt ist: „Die Zerstreuung des Werkes in zahllosen Publikationsorten ist selber, als ein Moment dieses seltsamen Werks zu dokumentieren. Durch das bei den Zeitschriften und Zeitungsdrucken verfolgte Editionsprinzip der Kontextualisierung – das auch die Ersterscheinungskontexte zu dokumentieren anstrebt – wird die Text- und Werkgrenze jedesmal erneut einer Reflexion ausgesetzt.” Dazu kommt ein zweiter Gesichtspunkt: „Bei Walser ist die Schrift nicht nur Medium, das durch die Übersetzung des Textes ins Druckbild ausgeblendet werden könnte, sondern selbst integrierender Bestandteil der poetischen Produktion.” Das leuchtet natürlich bei den von Walser selbst veröffentlichten Werken viel weniger ein, als bei den nun allerdings völlig inkommensurablen sogenannten Mikrogrammen. Sie schwanken für uns zwischen Werk und Dokument zur Person.
Einer der berühmtesten Sätze von Robert Walser über sich selbst lautet zwar: „Niemand ist berechtigt, sich mir gegenüber so zu benehmen, als kennte er mich” – aber er hielt sich für einen Schriftsteller, und sobald ein Schriftsteller anerkannt wird, muss er sich damit abfinden, dass man ihn kennenlernen möchte! Wolfram Groddeck ist sich der besonderen Problematik des Unternehmens voll bewusst, wenn er beschreibt, welche Gestalt Robert Walsers Erbe gewinnen soll und zeigen möchte, „daß die skripturalen Sprachkunstwerke über ihre Entzifferung hinaus lesbar sind und daher auch eine ihrem spezifischen Kunstwerkcharakter entsprechende editorische Behandlung verlangen. Allerdings verhalten sich die Texte auf solchen Blättern höchst eigensinnig; denn sie bilden eine komplexe inter-textuelle und interskripturale Konstellation, die in einer auf lineare Textualität angelegten Buch-Edition eigentlich gar nicht darstellbar ist.”
Den Anfang machen die „Geschwister Tanner”, Walsers zweite Buchveröffentlichung, 1907 in Berlin bei Bruno Cassirer erschienen. Band I,2 ist die kritische Fassung des Erstdrucks im Oktavformat, Band IV,1 das Faksimile des gesamten Manuskripts im Quartformat. Jedem Band ist eine CD mit der elektronischen Edition (KWAe) beigefügt.
Bei den jetzt vorliegenden Bänden ist der Zugang freilich noch verhältnismßig einfach. Auch wer nicht als Forscher das Faksimile aufschlägt, wird wohl länger daran hängen bleiben, als er beabsichtigt hatte. Die Wiedergabe der Handschrift ist ausgezeichnet, und auf der linken Seite findet man die genaue Übertragung des Textes. Gewiss, es gibt Streichungen und Korrekturen, aber der Gesamteindruck ist doch der eines ganz sorgfältig und sauber in Sütterlinschrift verfassten Textes, den man nach kurzer Gewöhnung fließend und leicht lesen kann, von dem aber zudem ein Hauch von Authentizität ausgeht, jedenfalls für einen, der für so etwas empfänglich ist. Für den Philologen ist das Buch natürlich eine Fundgrube, und zusammen mit der kritischen Ausgabe im Oktavformat findet er hier das gesamte editorische Material zu diesem Werk beieinander. Diskret stehen am Rand die Seitenzahlen des Manuskripts und des Erstdrucks, zwei Apparate vermerken die Abweichungen. Das editorische Nachwort informiert über die Textträger, gibt aber vor allem auch ausführliche Hinweise auf Entstehung, Publikation und die Aufnahme bei der zeitgenössischen Literaturkritik. Auch die hübsche Farblithographie des Originaleinbands von Roberts berühmtem Bruder Karl findet man hier.
Besondere Erwähnung verdient nun allerdings die elektronische Ausgabe. Sie enthält alle Textzeugen als digitales Faksimile mit dem damit verknüpften Volltext. Sie ermöglicht nicht nur die Suche und den Vergleich von Stellen, sie erlaubt auch, die Originaldokumente zu vergrößern. Das ist für Robert Walsers Texte und insbesondere natürlich für die Mikrogramme ein ganz wichtiges Werkzeug: „Die Mikrogramme sollen in ihrer ursprünglichen Größe abgebildet werden, d.h. sie sind für die Leser der Buchausgabe im Detail nicht wirklich entzifferbar”, schreibt Wolfram Groddeck - aber am Bildschirm werden wir dem Geheimnis auf die Spur kommen können. Ein wichtiges Werkzeug ist auch das „Findebuch” mit sämtlichen Drucken und Manuskriptstandorten, das im Laufe der Edition aktualisiert und am Schluss auch gedruckt vorgelegt werden soll.
Die KWA erscheint im Auftrag der Stiftung für eine Kritische Robert Walser-Ausgabe mit der Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds in einer Zusammenarbeit der in solchen Großprojekten erfahrenen Verlage Stroemfeld und Schwabe. Freilich sind die „Geschwister Tanner” nicht das komplizierteste Objekt dieser Edition. Auf einigen Seiten finden sich gar keine Varianten, auf den meisten nur sehr wenige und das Manuskript ist in vergleichsweise exzellentem Zustand. Diese Edition hat sich vorgenommen, so gut wie keine Wünsche offen zu lassen, und es besteht die berechtigte Hoffnung, dass ihr das auch für die folgenden Bände gelingen wird.
Die Editionsphilologie hat den Vorzug, sozusagen auf neutralem Boden zu arbeiten: Eine kritische Ausgabe muss dafür „sorgen, dass alle Informationen erhalten bleiben, aus welchen sich, im Kopf der Lesenden, das Werk Walsers erst bilden kann.” Die Herausgeber der KWA wagen einen Vorgriff , wenn sie voraussetzen, dass Robert Walsers Hinterlassenschaft immer noch „ein verborgenes Werk” sei, von dem mindestens ein Teil auch als „Skripturales Sprachkunstwerk” zu rezipieren wäre: „Die Unlesbarkeit dieser späten Schrift Walsers, die bestehen bleibt, auch wenn es gelungen ist, daraus ,Text’ zu gewinnen, behauptet die Priorität der Schrift vor dem Text.” Diese Priorität der Schrift gibt es freilich auch in einer biographischen, nüchtern-tragischen Hinsicht, insofern Walsers „Schreiben zunehmend zum Selbstzweck gerät”, wie Diane Schilling in der verbreiteten kleinen Rowohlt Monographie (2007) notiert, wo es auch heißt: „So wie es kein Stück Papier für ihn gab, das zu marginal war, um beschrieben zu werden, so kannte Walser offenbar auch keinen Gedanken, den aufzuschreiben sich nicht lohnte.” Die KWA ist also nur konsequent, wenn sie jedes Stück Papier für würdig erklärt, publiziert und faksimiliert in das Robert-Walser-Denkmal einzugehen - und erst vom „Kopf der Lesenden” erwartet, dass sich das „Werk” darin bilden wird.
Die beiden Bände der „Geschwister Tanner” in ihrem schönen hellblauen Umschlag führen natürlich keine Spur von Unlesbarkeit mit sich. Zeilenzählung am Rand und Variantenapparat in Fußnoten wirken lediglich distanzierend: Man hat beim Lesen den Eindruck, eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Die KWA wird also für die Literaturwissenschaft unentbehrlich sein, aber sie wird die Bände der Sämtlichen Werke nach Jochen Greven nicht entbehrlich machen, zumal man diese in die Tasche stecken kann. HANS-HERBERT RÄKEL
ROBERT WALSER: Kritische Ausgabe sämtlicher Drucke und Manuskripte, hrsg. von Wolfram Groddeck und Barbara von Reibnitz. Band I, 2: Robert Walser: Geschwister Tanner (Erstdruck). Stroemfeld Verlag, Frankfurt 2009. 400 Seiten, 38 Euro. Band IV 1: Robert Walser: Geschwister Tanner (Manuskript), hrsg. von Wolfram Groddeck, Barbara von Reibnitz und Matthias Sprünglin. Schwabe Verlag, Basel 2008. 340 Seiten, 86 Euro.
Die eigenartigste Persönlichkeit unter den Schweizer Schriftstellern
Niemand darf tun, als kennte er ihn
„Mit sich selbst stets im Unklaren, dünkt es ihn fürchterlich, auch nur von ferne irgendwelches Vertrauen zu sich zu haben und strotzt doch zugleich von Vertrauen zu sich selber.” Robert Walser, von Carl Seelig fotografiert, auf einer Wanderung im April 1939. Abbildung aus dem besprochenen Band
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