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Die vorliegende Biographie legt insbesondere einen Fokus auf die oftmals vernachlässigte zweite Hälfte von Löwenherz'Herrschaftszeit, welche den facettenreichen Akteur Richard I. am deutlichsten erkennen lässt. Sie zeigt eine charismatische und hoch begabte, aber auch rätselhafte und abgründige Persönlichkeit, die eine Ausnahmeerscheinung des Mittelalters war. Es ist kein Zufall, dass sich gerade um Richard Löwenherz so viele Legenden ranken. 2007 jährt sich der 850. Geburtstag von Richard Löwenherz. Wenige vormoderne Herrscher verfügen heute noch über einen ähnlichen Bekanntheitsgrad, wenige erfuhren eine eindimensionalere Beurteilung.…mehr

Produktbeschreibung
Die vorliegende Biographie legt insbesondere einen Fokus auf die oftmals vernachlässigte zweite Hälfte von Löwenherz'Herrschaftszeit, welche den facettenreichen Akteur Richard I. am deutlichsten erkennen lässt. Sie zeigt eine charismatische und hoch begabte, aber auch rätselhafte und abgründige Persönlichkeit, die eine Ausnahmeerscheinung des Mittelalters war. Es ist kein Zufall, dass sich gerade um Richard Löwenherz so viele Legenden ranken. 2007 jährt sich der 850. Geburtstag von Richard Löwenherz. Wenige vormoderne Herrscher verfügen heute noch über einen ähnlichen Bekanntheitsgrad, wenige erfuhren eine eindimensionalere Beurteilung.
Autorenporträt
Robert-Tarek Fischer, geb. 1965 in Mödling, studierte Geschichte in Wien. Seit 1997 ist er im Bundeskanzleramt tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.06.2007

Der König, der kein Englisch konnte
Um Richard I. Löwenherz ranken sich viele Mythen: Robert-Tarek Fischers einwandfreie Biographie sorgt für Aufklärung

Im Jahr 1917 fand der dritte Kreuzzug endlich sein Ziel. Was dem englischen König Richard Löwenherz 1192 noch misslungen war, Sultan Saladin außer der Küste von Tyrus bis Jaffa auch Jerusalem selbst abzunehmen, glückte jetzt Henry Allenby, dem Befehlshaber der dritten britischen Armee gegen das Osmanische Reich. Allenbys Soldaten hatten sich selbst als Kreuzzügler und Vollender der mittelalterlichen Mission gefühlt; König Richard, der seinerzeit nicht einmal das Grab Christi waffenlos als Pilger aufsuchen wollte, wurde nun in der Satirezeitschrift "Punch" dargestellt, wie er in triumphaler Pose auf die befreite Stadt schaut: Allenby hatte seinen Traum erfüllt und eine nationale Schmach ausgelöscht.

Über die Zähigkeit englischer Kreuzzugsmentalität mag man gegenwärtig im Zweifel sein, kaum aber über die Vitalität des Löwenherz-Mythos. Spätestens seit dem deutschen Luftkrieg über England von 1940/41 sind, wie eine jüngere Studie gezeigt hat, seine Spuren unkenntlich geworden; nur Richards Beiname, den schon die Zeitgenossen dem vorbildlich tapferen und freigebigen Ritter-König gegeben haben, lässt sich noch im Marketing effektvoll verwenden. Dies belegt der französische Camembert "Coeur de Lion" oder eine entsprechend zubenannte Riesling-Spätlese im pfälzischen Annweiler, wo Richard auf dem Trifels einst als Gefangener gehalten wurde.

Nicht ganz passend war deshalb wohl die Intention des österreichischen Sachbuchautors Robert-Tarek Fischer, in einer neuen Biographie König Richards I. in gut herodotscher Tradition die kritisch erarbeitete historische Realität einem Mythos gegenüberzustellen, der doch längst verblasst, wenn nicht abgestorben ist. Ansonsten gibt sein Buch aber wenig Anlass für Einwände. Zwar hat Fischer die international geführten Debatten über die Kunst des historischen Erzählens und die angemessene Form einer wissenschaftlichen Lebensgeschichte beiseitegelassen, aber sich dem Revival einer theoretisch unbeschwerten Biographik anzuschließen, legte ihm schon ein florierender Buchmarkt nahe. Wie es die Tradition des Genus zu verlangen scheint, gelingt es dem Autor, das Leben König Richards in streng chronologischer Folge und der Überlieferung dicht auf den Fersen darzustellen, ohne seine Leser durch die ständigen Kriegshändel zu ermüden. Die Form der Biographie ist aber auch einem Herrscher angemessen, an dem ein strukturgeschichtlicher Zugriff gescheitert wäre.

Richard Löwenherz war ja der Erbe des von seinem Vater geschaffenen "Angevinischen Reiches", das sich von Schottland bis zu den Pyrenäen erstreckte und weniger in England, als in der Normandie seinen Schwerpunkt hatte. Sosehr er Spielraum und Territorium des französischen Königs einschränkte und bedrohte, war sein Reich doch nur ein Konglomerat verschiedener Herrschaften, die nach frühmittelalterlicher Manier durch die Persönlichkeit des Königs selbst zusammengehalten wurden. Abgesehen von seiner Abwesenheit durch den Kreuzzug und die unglückliche Gefangenschaft im Römisch-deutschen Reich, hat sich Richard in dem knappen Dezennium seiner Regierung (September 1189 bis zu seinem Tod April 1199) viel weniger als ein Jahr in England selbst aufgehalten, ohne die Sprache des Landes zu beherrschen. Im übrigen war er auf dem Kontinent damit beschäftigt, seine Herrschaft militärisch zu sichern oder auszubauen, während er die Reorganisation der königlichen Verwaltung auf der Insel seinen Getreuen überlassen musste, vor allem dem tüchtigen Erzbischof Hubert Walter von Canterbury, den er zugleich zum obersten Justitiar des Reiches und später auch zum päpstlichen Legaten machte. Die diplomatische und mehr noch die kriegerische Aktion waren also Richards Betätigungsfelder, und weil er als mutiger, oft auch leichtsinniger, aber begeisternder Feldherr brillierte, bietet sein Leben eben den Stoff, den ein Biograph braucht.

Immer wieder lässt Fischer aufscheinen, wie Richard Löwenherz als charismatischer Herrscher einflussreiche und tüchtige Menschen so an sich zu binden verstand, dass seine persönliche Gegenwart zur Selbstbehauptung entbehrlich wurde. Wie sein Königtum die über einjährige Einkerkerung im deutschen Reich überstand, ja, wie es gelang, zu seiner Ablösung bei den Untertanen einen großen Teil des geforderten Lösegeldes einzutreiben, sind dafür der beste Beweis. Neben dem Prälaten von Canterbury war seine Mutter Eleonore von Aquitanien seine wichtigste Helferin, die auch seinen sprunghaften und unbegabten Bruder Johann Ohneland unter Kontrolle zu halten verstand. Sein Herrschaftssystem hatte allerdings einen Fehler: Er zeugte in der Ehe mit Berenguela von Navarra keine Söhne, ja überhaupt keine Kinder. Ob dies an seiner sexuellen Hinneigung zu Männern gelegen hat, ist fraglich, wie Robert-Tarek Fischer in einem seiner behutsamen Beweisgänge zeigt. Als Richard aber im Alter von erst 41 Jahren, mangelhaft bewaffnet und von einem Pfeil durchbohrt, starb, war ihm nichts als die Designation seines leichtsinnigen Bruders Johann zum Nachfolger verblieben. Aus dem Reich einen Staat zu formen, wie es Richards langjährigem Gegner, dem französischen König Philipp II. August, gelang, war Johann so wenig der Mann wie Richard selbst. So ging es auf Kosten einer "Modernisierung" des Reiches, die im König ihren Antreiber hätte haben müssen, dass Richard Löwenherz als Herrscherpersönlichkeit in seiner Zeit so hervortreten konnte, dass er mit oder ohne Mythos noch heute einer Biographie würdig ist.

MICHAEL BORGOLTE

Robert-Tarek Fischer: "Richard I. Löwenherz". 1157-1199. Mythos und Realität. Böhlau Verlag, Köln 2006. 326 S., 25 Abb., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Überzeugt ist Rezensent Michael Borgolte von dieser Biografie Richard Löwenherz', gegen die er einzig einzuwenden, dass der von Robert-Tarek Fischer bemühte "Mythos" doch schon reichlich verblasst sei. Er ordnet das Buch dem Genre der "theoretisch unbeschwerten Biografik" zu, die dem Leser auch die unablässige Folge kriegerischer Auseinandersetzung weitestgehend erspart. Stattdessen, so der Rezensent, schildere Fischer den englischen König als charismatischen Herrscher, der kraft seiner Persönlichkeit das sich von Schottland bis zu den Pyrenäen erstreckende Reich zusammenhielt, und zwar trotz seiner Kreuzzüge und Gefangenschaft. Aber der Rezensent hat dieser Biografie auch entnommen, dass es gerade Löwenherz' Charisma war, das staatliche Strukturreformen fatalerweise unnötig machte. Schockiert entnehmen wir der Rezension auch, dass der Normanne Richard überhaupt kein Englisch sprach.

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