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Im Juli 2006 feiert die Kunstwelt den 400. Geburtstag eines Künstlers, dessen Ruhm als einzigartig gilt. Aber wie können wir uns auf einfache Weise diesem scheinbar unerreichbaren Genie nähern? Der Rembrandtspezialist Gary Schwartz wagt es, uns einen in Kennerkreisen als Halbgott gefeierten Mann verständlich zu machen. In sechs Kapiteln schildert er das legendäre Leben eines Müllersohns, der den Malerberuf als einfaches Handwerk lernte, dessen Intelligenz und Karrieresucht ihn zum Liebling der Könige und zum Großverdiener machten, der seine Bewunderer aber auch durch Arroganz verprellen und…mehr

Produktbeschreibung
Im Juli 2006 feiert die Kunstwelt den 400. Geburtstag eines Künstlers, dessen Ruhm als einzigartig gilt. Aber wie können wir uns auf einfache Weise diesem scheinbar unerreichbaren Genie nähern?
Der Rembrandtspezialist Gary Schwartz wagt es, uns einen in Kennerkreisen als Halbgott gefeierten Mann verständlich zu machen. In sechs Kapiteln schildert er das legendäre Leben eines Müllersohns, der den Malerberuf als einfaches Handwerk lernte, dessen Intelligenz und Karrieresucht ihn zum Liebling der Könige und zum Großverdiener machten, der seine Bewunderer aber auch durch Arroganz verprellen und seine Frauen miserabel behandeln konnte und der das Ende seines Lebens als Hungerlöhner verbrachte, nachdem er sein großes Vermögen leichtsinnig aufs Spiel gesetzt hatte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.04.2006

Schaut die Bilder genau an und sagt laut, was ihr seht und was ihr davon haltet
Frei von den Schlacken schwerer Gelehrsamkeit: Der niederländische Kunsthistoriker Gary Schwartz bringt dem jungen Leser das Projekt Rembrandts nahe

In der Mitte der dreißiger Jahre in Wien schrieb der junge Ernst Gombrich, aus Geldnot und Verlegenheit angesichts seiner schwierigen beruflichen Aussichten als soeben promovierter Kunsthistoriker, eine "Weltgeschichte für Kinder", die Auftragsarbeit eines Verlegers. Das Buch gibt es noch, es ist eines der erfolgreichsten Bücher des produktiven Kunsthistorikers geworden. Das in einundzwanzig Sprachen übersetzte Büchlein, dessen deutsche Ausgabe unlängst bei Dumont wieder aufgelegt wurde, ist zu einer "kurzen Weltgeschichte für junge Leser" geworden. Tempora mutantur, et nos mutamur cum illis.

Die Gabe der Einfachheit war dem späteren Direktor des Londoner Warburg Institute wie wenigen gegeben. Seine Kollegen am Institut waren entgeistert, als er Anfang der fünfziger Jahre eine "Story of Art" schrieb, das wohl erfolgreichste kunstgeschichtliche Buch des zwanzigsten Jahrhunderts. Auch hier kam es auf eine von Schlacken der Gelehrsamkeit befreite Darstellung an. Dies mit Augenmaß und Richtigkeit zu verbinden war die besondere Fähigkeit Gombrichs. Daß seine Weltgeschichte für Kinder als Buchtypus erst jetzt Schule macht, ist erstaunlich.

Jetzt hat der niederländische Kunsthistoriker Gary Schwartz (der auch Romane schreibt), ein schmales Buch über Rembrandt für junge Leser geschrieben. Ein weites Feld, eng abgesteckt: Was an Rembrandts Kunst ist heute jungen Leuten nahezubringen? Gary Schwartz wählt einen einleuchtenden Weg, indem er Biographisches und Historisches in den Vordergrund rückt, sich auf das gesicherte Wissen über den von Legenden umwobenen Maler konzentriert. Es kommt dabei darauf an, die jungen Leser für den Gegenstand zu gewinnen, ihnen einen pragmatischen, unverstiegenen Zugang zu ermöglichen. Seine Leser sollen sich das, was er ihnen erzählt, vorstellen können: "Schau dir die Bilder genau an", rät er ihnen, "und sag dir laut, was du siehst und davon hältst." Ein guter Rat nicht nur für junge Leute.

Die politischen und religiösen Verhältnisse der Niederlande, die Zustände in den Ateliers, die Schwierigkeiten, sich im damaligen Kunstsystem selbständig zu machen, all dies läßt sich in einem Elementarkurs gut vermitteln und ergibt im Auf und Ab der Laufbahn Rembrandts eine fesselnde Erzählung. Der junge Rembrandt wird von Constantijn Huygens, dem Sekretär von Frederic Hendrik, Prinz von Oranien und Statthalter der Republik, entdeckt, wird Hofmaler, mit dem Ruf, die "überragende Kunst" Italiens in die Niederlande zu bringen, ein junger Meister des "klassischen" Genres. Niemand weiß, was aus diesem ersten Rembrandt geworden wäre, wenn nicht ein ungeklärtes Zerwürfnis mit seinem Gönner Huygens ihn nach Amsterdam hätte ziehen lassen, wo er sich glanzvoll auf dem Markt der bürgerlichen Auftraggeber zu behaupten wußte: der zweite Rembrandt, ein wohlhabender Mann, dem alle Türen offenstanden - bis zum Bankrott, der den dritten, den Rembrandt der Selbstbefragung hervortreten läßt.

Es ist nicht der geringste Gewinn dieser kurzen Darstellung eines unendlichen Themas, seiner nüchternen Darlegung der Tatsachen und seiner eingängigen Erläuterung der Werke Rembrandts, daß das mythische Potential dieses Künstlers, das die Kunsthistoriker seit Generationen einzudämmen suchen, unübersehbar hervortritt. Wie die knappste Erzählung von Sophokles' "Ödipus" die ganze Sprengkraft des Dramas enthält, so auch schon das Künstlerdrama Rembrandts, das von den suggestiven Erzählungen seiner Bildschöpfungen mächtig orchestriert wird. Rembrandt ist nur, so möchte man nach der Lektüre des auf Entmythologisierung gestimmten Büchleins von Gary Schwartz sagen, in Übergröße zu haben. Nicht als der Nationalheros der Niederlande, auch nicht als "Rembrandtdeutscher", sondern vielleicht als Erfinder des "Rembrandtartigen" (wie Kafka, ohne es zu wollen, das Kafkaeske erzeugte) oder, mit Gary Schwartz zu reden, als "Symptom der Demokratisierung des Kunstgeschmacks".

Dies ist der Rembrandt-Mythos der heutigen Zeit: der Maler von jedermann zugänglichen Themen und Botschaften. Der amerikanische Kunstkritiker Robert Hughes hat Rembrandt unlängst (im New York Review of Books) aus Anlaß des Rembrandt-Jubiläums zum Helden der heutigen Moralauffassung der "Empathie", der Einfühlung und des Mitleids mit allem Menschlichen erklärt. Auf der einen Seite stünden jene Maler, deren Verschiedenheit und Distanz von uns selbst unsere Bewunderung, aber nicht unsere Teilnahme errege, und auf der anderen Seite Maler, die unsere Gabe der Einfühlung anregten, uns deshalb nahe seien, indem sie uns an die menschliche Unvollkommenheit und Sterblichkeit gemahnten. Es ist der alte Gegensatz von Idealismus und Realismus, der hier in demokratischem Gewand auftaucht. Rembrandt habe, meint Hughes, Kunstwerke geschaffen, die einer zum Mitleid, zur Empathie fähigen Wahrnehmung entsprechen.

Im Nachlaß von Jean Genet haben sich einige Fragmente über Rembrandt gefunden, die zusammen mit einem kleinen Aufsatz "Das Geheimnis Rembrandt" im Rembrandt-Jahr zu neuer Lektüre einladen (das Buch erschien vor zehn Jahren schon einmal im Merlin Verlag). Der Titel der Fragmente: "Was von einem Rembrandt übriggeblieben ist, der säuberlich in kleine, viereckige Fetzen zerrissen und ins Klo geschmissen wurde" verspricht zwar eine kleine Ungeheuerlichkeit, wie man sie von dem Autor der Provokationen des "Balkon" und des "Tagebuchs eines Diebes" erwarten würde, doch die Fragmente enttäuschen diese Erwartung.

Denn es sind die Bekenntnisse eines gefühlvollen Rembrandt-Verehrers, für den der Maler zur Projektionsfläche einer Offenbarung geworden ist, der er in der Betrachtung Rembrandtscher Bilder auf den Grund zu kommen versucht: "Als ich eines Tages in einem Waggon einen Fahrgast ansah, der mir gegenübersaß, hatte ich die Offenbarung, daß jeder Mensch soviel wie ein anderer wert ist; ich ahnte nicht, daß diese Erkenntnis einen so methodischen Zerfall nach sich ziehen würde - oder vielmehr doch, heimlich wußte ich es, denn plötzlich senkte sich eine Decke von Traurigkeit über mich, die mehr oder weniger erträglich, aber spürbar war und mich nicht mehr verließ." Ein Traktat über die Absurdität der Existenz schließt sich an dieses Bekenntnis an, die handgreifliche Erfahrung der "universalen Identität aller Menschen". Für Genet ist Rembrandt der Maler, der den "Goldflitter entfernt" und eine "unendliche, eine teuflische Durchsichtigkeit" sehen läßt.

Man kann Genets expressive Meditation über Bilder Rembrandts nicht ohne Rührung lesen, aber auch nicht ohne Erstaunen darüber aus der Hand legen, wie groß der Abstand zu einer solchen existentiellen Vertiefung in Kunstwerke in wenigen Jahrzehnten geworden ist. Dabei läßt sich nicht verkennen, daß der Impuls, der den anstößigen Schriftsteller auf Rembrandt lenkt, nichts anderes ist als jene Demokratisierung des Kunstgeschmacks, die Gary Schwartz in aller Nüchternheit konstatiert, oder auch jene Moral universalen Mitgefühls, die der nicht weniger nüchterne Robert Hughes beschwört.

HENNING RITTER

Gary Schwartz: "Rembrandt für junge Leser". Dumont Verlag, Köln 2005. 127 S., Abb., geb., 17,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gary Schwartz' biografische wie historische Annäherung an Rembrandt findet Henning Ritter nicht nur "einleuchtend", er meint auch, dass es damit gelingt, sich einen "pragmatischen, unverstellten Zugang" zu dem Maler zu verschaffen, der sein späteres Publikum wie kaum ein zweiter zur Mythologisierung verleitet hat. So lobt Ritter als "nicht geringsten Gewinn" dieses schmalen Buches, dass Schwartz bei aller Nüchternheit und den "eingängigen" Bildinterpretationen dennoch das "mythische Potenzial" der Werke Rembrandts freizulegen vermag. Zudem mache er aus den Höhen und Tiefen dieses Künstlerlebens eine "fesselnde Erzählung", versichert der Rezensent. Indem der Autor Rembrandt weder als niederländischen Nationalhelden noch als "Rembrandtdeutschen", sondern vielmehr als "Erfinder des Rembrandtartigen" charakterisiert, attestiert er den Werken des Malers eine "Demokratisierung des Kunstgeschmacks", die vor längerem bereits Jean Genet in einem Fragment und Robert Hughes jüngst in einem Aufsatz vertreten haben, so Ritter.

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