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Einfach losfahren, alles hinter sich lassen und neue Orte, neue Menschen sehen, mit dem einzigen Ziel, nirgendwo für immer zu bleiben. Der englische Kultautor Geoff Dyer hat das ultimative Buch geschrieben über unsere Neugier auf die Welt und den Wunsch, nie anzukommen. Reisen, um nicht anzukommen ist eine Sammlung schillernder Geschichten über das Sichtreibenlassen und das Driften zwischen Orten und Unorten, Drogen und Träumen, Stimmungen und der Suche nach extremen Erlebnissen.Mit lakonischem Witz erzählt Dyer von einem Leben auf der Durchreise, er ist unterwegs von Amsterdam nach…mehr

Produktbeschreibung
Einfach losfahren, alles hinter sich lassen und neue Orte, neue Menschen sehen, mit dem einzigen Ziel, nirgendwo für immer zu bleiben. Der englische Kultautor Geoff Dyer hat das ultimative Buch geschrieben über unsere Neugier auf die Welt und den Wunsch, nie anzukommen. Reisen, um nicht anzukommen ist eine Sammlung schillernder Geschichten über das Sichtreibenlassen und das Driften zwischen Orten und Unorten, Drogen und Träumen, Stimmungen und der Suche nach extremen Erlebnissen.Mit lakonischem Witz erzählt Dyer von einem Leben auf der Durchreise, er ist unterwegs von Amsterdam nach Kambodscha, von Rom nach Indonesien, von New Orleans nach Lybien, von Ko PhaNgan in die Wüste von Nevada. Denn Reisen in Dyers Sinne ist keine Tätigkeit, sondern ein Zustand allerdings ein Zustand, in den man ihm als Leser mit Begeisterung folgt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2004

Eitelkeit hilft gegen Heimweh
Geoff Dyer irrt philosophierend durch die Welt
Elf Essays, die an den unterschiedlichsten Plätzen der Erde spielen: Paris, New Orleans, Rom, Phnom Pen, Leptis Magna. Und dennoch haben sie alle nur ein Thema: Geoff Dyer – mal Anfang 20, mal Mitte 40, aber immer auf der Suche. Ob gestrandet auf einer maroden Fähre unter sengender asiatischer Sonne, geplagt vom Detroiter Techno-Sound oder bedauernswertes Opfer der Serviceverweigerung libyscher Kellner – der Mittelpunkt ist Dyer selbst. Oder vielmehr Dyers Suche nach Dyer und einem Ort, wo dieser hingehört – denn egal wo er gerade ist, er ist niemals wirklich da, sondern immer irgendwo nirgendwo. Seine unkaputtbaren Teva-Sandalen begleiten ihn wacker auf seinem canabisvernebelten Weg, doch auch im dichtestens Dunst weiß er nicht, wohin.
Reist so jemand tatsächlich, um nicht anzukommen, wie der Titel so selbstverständlich verkündet? Dyer wirkt eher wie jemand, der nach einem anstrengenden Arbeitstag nichts will als einfach nur nach Hause. Nur dass er leider nicht die geringste Ahnung hat, wo das ist. Fernweh aus purer Angst davor, Heimweh zu haben, verbunden mit der tief verwurzelten Angst, etwas zu verlieren, bevor er es besessen hat.
Für sein Jazz-Buch „But Beautiful” (Argon 2001) wurde Dyer mit dem Somerset Maugham Prize ausgezeichnet, und die Mehrzahl seiner elf Reise-Essays in „Reisen um nicht anzukommen” lässt vermuten, warum. Scheinbar mühelos gleitet er in „Regen drinnen” zwischen Introspektive und haarscharfer Beobachtung hin- und her, mit der größten Leichtigkeit lässt er Selbstmörder, Sinnsucher und Waschmaschinen-Tattoos durch seine Erlebnisströme wandern, und die Erzählung „Miss Cambodscha” lässt in nachhaltiger Faszination darüber verweilen, wie hintergründig und ergreifend Dyer ein Drama um zwei arme Straßenkinder und eine Dose warme Cola zu entspinnen versteht. Humor und Selbstironie verteilt er leider etwas ungleichmäßig auf seine Erzählungen. Mit Flüssen, die „den Rückwärtsgang einlegen”, Abwasserkanälen, die „von Müllstew verklumpen”, Dritte-Welt-Reisenden, die sich erfreut zeigen, eine gewisse Portion „Elend light” geboten zu kriegen, Hotelzimmern, die zu einer geruchlichen Vereinigung von „Schweißfuß und undefinierbarem Genitalmief” mutieren und „ohne jegliche Genusssymptome” speisenden Restaurantbesuchern geizt Dyer jedoch an keiner Stelle.
Eine unheimliche Komplexität
Schade, dass er ständig der Versuchung erliegt, sein Genie in prätentiösem Sinn-Geschwafel und Selbstverliebtheit zu ersäufen. Dort, wo ihm das gelingt, verbreitet er den Charme von jemandem, der einen auf einer Party eine gnadenlose Ewigkeit lang mit Selbsterlebtem zutextet. Das Schlimme daran ist: Ganz offenbar ist er tatsächlich ein schlaues Kerlchen. Nur will das nach einer solchen Unbescheidenheits-Performance niemand mehr wissen. Sich selbst pausenlos als „intellektuell” zu bezeichnen, ist nun einmal lächerlich. Ebenso, wie sich damit zu brüsten, aus dem Stegreif eine „Analyse von unheimlicher Komplexität und Subtilität vom Stapel gelassen” zu haben.
Auch wenn hier durchaus ein Hauch Ironie mitschwingen mag – um ernsthaft den Eindruck der Unernsthaftigkeit zu erwecken, müsste es schon erheblich stärker hauchen. Es scheint fast so, als versuche Dyer, seine gekonnte Selbstironie durch übertriebene Anpreisung seines Intellekts wieder zurückzunehmen – damit ja niemand auf die Idee kommt, ihn nicht ernst zu nehmen oder gar als banal abzutun. So, als wolle er sich für seine doch so angenehm humorvolle Flapsigkeit entschuldigen, weil er fürchtet, diese könne ihm als Ungebildetheit ausgelegt werden.
Dass Dyer Nietzsche zitiert, verwundert nicht – wobei seine Sicht der Kamera als Bet-Ersatz für die touristischen „Armen im Geiste” eine durchaus erhellende ist. Aber auch sonst ist die Zitierlast groß: Rilke, Auden, Coleridge, Heidegger, Blake und Freud, sie alle müssen mehrfach zur Untermauerung teils hochinteressanter und provozierender Gedankengänge herhalten, teils aber auch lediglich für erkenntnistheoretischen Spielereien: „Wie unterscheidet man den Tanz vom Tänzer?” oder: „Wenn im Wald ein Baum umfällt und niemand hat es gesehen, ist er dann tatsächlich umgefallen?”
Unschön auch Dyers permanente Drogenverherrlichung im Takt einer leicht verspäteten Beat Generation: „Die Entscheidung ist simpel. Wenn Du ja zum Leben sagst, dann nimmst Du E. Wenigstens ein Mal. Wenn Du lieber nein zum Leben sagst, nimmst Du es nicht.” Aus tiefster Seele sagt man spontan: „Nein”, ist von Herzen gerne ein uncooler Lebensmuffel und fragt sich, wozu jemand, der dermaßen von sich selbst bekifft ist, eigentlich noch Drogen braucht.
Aber wie benebelt er auch sein mag, schließlich, in der „TAZ” (Temporäre Autonome Zone) des „Burning Man”-Festivals in Black Rock City in der Wüste Nevada, scheint Dyer doch anzukommen. In einem skurrilen, flammenden Showdown, einem „Hindenburg-Flammenmeer”. Good bye nowhere, welcome to now-here. Ein brennender Mann in den 40ern, der von nun an hoffentlich nie wieder ans andere Ende der Welt reisen muss, um Rilke zu zitieren.
ANNETTE MENTRUP
GEOFF DYER: Reisen, um nicht anzukommen. Argon Verlag, Berlin 2004. 284 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Wenig Freude hat Annette Mentrup dieser Essay-Band von Geoff Dyer bereitet. Im Wesentlichen gehe es um Dyer beziehungsweise um seine Suche nach sich selbst und dem Ort, an den er gehört. Dies ist an sich noch nicht allzu verwerflich, meint sie, denn stellenweise schaffe es der Autor, mitreißend und scharf beobachtend zu schreiben, und auch Selbstironie und Witz seien zu finden, wenn auch ungleich auf die Essays verteilt. Dyer ist durchaus nicht dumm, erkennt die Rezensentin, aber leider versuche er ständig, dies auch unter Beweis zu stellen, was in Ergüssen der Selbstverliebtheit und einer unangebrachten Zitierwut ende, gemischt mit einer "permanenten Drogenverherrlichung". Mentrup ist davon am Ende so genervt, dass es ihr vollkommen egal ist, wie intelligent oder nicht intelligent Dyer nun eigentlich ist.

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