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Im Weltrecht ist eine explosionsartige Vervielfältigung unabhängiger, global agierender Gerichte zu beobachten. Untersuchungen kommen auf die beeindruckende Zahl von 125 internationalen Gerichtsinstitutionen, die Letztentscheidung über globale Konflikte beanspruchen. In sozialtheoretischer und internationalrechtlicher Perspektive gehen die Autoren der Frage nach, wie die Regime-Kollisionen, die durch das chaotische Nebeneinander von globalen Normkomplexen und Konfliktlösungsinstanzen ausgelöst werden, zu erklären sind und wie in Politik und Recht mit ihnen umzugehen ist.

Produktbeschreibung
Im Weltrecht ist eine explosionsartige Vervielfältigung unabhängiger, global agierender Gerichte zu beobachten. Untersuchungen kommen auf die beeindruckende Zahl von 125 internationalen Gerichtsinstitutionen, die Letztentscheidung über globale Konflikte beanspruchen. In sozialtheoretischer und internationalrechtlicher Perspektive gehen die Autoren der Frage nach, wie die Regime-Kollisionen, die durch das chaotische Nebeneinander von globalen Normkomplexen und Konfliktlösungsinstanzen ausgelöst werden, zu erklären sind und wie in Politik und Recht mit ihnen umzugehen ist.
Autorenporträt
Andreas Fischer-Lescano ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsrecht an der Universität Frankfurt und Forschungsgruppenmitglied an der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung.

Gunther Teubner ist emeritierter Professorfür Privatrecht und Rechtssoziologie ander Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.06.2006

Kollision der Spruchkörper
Andreas Fischer-Lescano und Gunther Teubner übers Weltrecht

Das Buch der Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano und Gunther Teubner, hervorgegangen aus einem vor zwei Jahren im "Michigan Journal of International Law" veröffentlichten vieldiskutierten Aufsatz, bündelt Beobachtungen und Analysen globaler Ausdifferenzierungen des Rechts. Das sind Fragen, mit denen sich seit 2002 eine Arbeitsgruppe der UN-Völkerrechtskommission beschäftigt hat - zuletzt unter Vorsitz Martti Koskenniemis -, deren Abschlußbericht derzeit in New York zur Diskussion steht.

Die "geradezu explosionsartige Vervielfältigung voneinander unabhängiger global agierender und zugleich sektoriell begrenzter Gerichte, Quasi-Gerichte und anderer Konfliktlösungsinstanzen" erinnere, so Fischer-Lescano und Teubner, an Niklas Luhmanns hellsichtige Prognose zur Zukunft des globalen Rechts von 1971. Bei der Arbeit am Begriff der Weltgesellschaft schrieb der gelernte Jurist damals, das globale Recht werde eine radikale Fragmentierung durchmachen, deren Bruchlinien nicht territorial, sondern gesellschaftssektoriell verliefen. Ob Luhmann dabei an die neulich vom "Project on International Courts and Tribunals" gezählten 125 internationalen Institutionen dachte, in denen heute unabhängige Spruchkörper verfahrensabschließende Entscheidungen treffen?

Darauf kommt es, folgt man Fischer-Lescano und Teubner, gar nicht an. Gewiß, ein schillerndes juristisches Welttheater hat sich inzwischen formiert, zu altehrwürdigen Akteuren wie dem Internationalen Gerichtshof oder dem Europäischen Gerichtshof sind neue Spruchkörper wie das Jugoslawientribunal, der Internationale Strafgerichtshof, der "Appellate Body" der Welthandelsorganisation, Reparationstribunale, Handels- und Investitionsgerichtsinstanzen, Schiedsgerichte, internationalisierte Tribunale und zahllose andere Formen institutionalisierter juristischer Entscheidung hinzugetreten.

Doch in dieser Proliferation der Gerichte, in den "Konflikten zwischen unterschiedlichen Rechtsprinzipien, die durch das chaotische Nebeneinander von global agierenden Konfliktlösungsinstanzen ausgelöst werden", wird, so argumentieren die Autoren, nur ein globaler Rechtspluralismus greifbar, der nicht einfach Folge eines politischen "neuen Mittelalters" vielfältiger dominia und iurisdictiones sei, sondern Ausdruck tiefer liegender gesellschaftlicher Widersprüche, produziert von miteinander kollidierenden Sektoren der Weltgesellschaft.

Nicht nur die Wirtschaft, auch Wissenschaft, Kultur, Technik, Gesundheit, Militär, Transport, Tourismus, Sport, Politik, Recht und Sozialfürsorge seien auf je eigenen Entwicklungspfaden zu autonomen global villages geworden, deren Eigenrationalitätsmaximierung lange Schatten eines clash of rationalities werfe. Allerorten drohe die Gefahr eines Aufeinanderprallens autonomer Regelungsbereiche, warnen die Autoren, die bei ihrer Beschreibung dieser Binnendifferenzierung des Weltrechts den neuerdings so eifrig nachgefragten politiktheoretischen Regimebegriff heranziehen.

In Umweltzerstörung, eklatanter Chancenungleichheit und Drogenhandel, Kinderprostitution und transnationalem cybercrime manifestierten sich Widersprüche zwischen gesellschaftsweit und grenzüberschreitend institutionalisierten Rationalitäten, die das Recht mit Sicherheit nicht lösen könne. Allenfalls eine lose Kopplung kollidierender Einheiten sei denkbar, die punktuelle Konfliktlösungen ermögliche.

Scharf gehen die Autoren darum mit diversen Spielarten "völkerrechtlichen Einheitsdenkens" ins Gericht, und auch die von Anne-Marie Slaughter vertretene juristische Netzwerktheorie wird, begründet, mit dekonstruktivistischer Verve abgeurteilt. Einem Primat des Politischen im Geiste der New Haven School wollen die Autoren indessen gleichfalls nicht das Wort reden. Die "Eigenlogik des Rechts" werde schließlich noch gebraucht, wenn auch nur zur Schadensbegrenzung.

Daß das Recht aber noch immer ganz solides Handwerkszeug zur Austragung von Rationalitätenkonflikten bereithält, belegt die von Koskenniemi verantwortete Untersuchung der Völkerrechtskommission, die die Normen der Wiener Vertragsrechtskonvention als Grundlage eines internationalen Kollisionsrechts in den Blick nimmt. Hier zeigt sich, daß das Recht der Weltgesellschaft auf ein Reservoir vielfältiger Erfahrungen mit Systemkonflikten zurückgreifen kann, an die es sich immer wieder zu erinnern lohnt. Vorher aber sei die Lektüre dieser zum Weiterdenken anregenden fragmentarischen Studie empfohlen.

ALEXANDRA KEMMERER

Andreas Fischer-Lescano, Gunther Teubner: "Regime-Kollisionen".Zur Fragmentierung des globalen Rechts. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2006. 230 S., br., 10,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Alexandra Kemmerer empfiehlt diese "fragmentarische" Studie zur "globalen Ausdifferenzierung des Rechts" von Andreas Fischer-Lescano und Gunther Teubner all denjenigen, die einem Weltrecht eher wenig Chancen einräumen. Aufmerksam folgt Kemmerer den Autoren und ihrer Warnung vor der Kollision autonomer Rechtsbereiche und gesellschaftsgebundender und globaler Begriffe. Die vorgenommene Aburteilung von "völkerrechtlichem Einheitsdenken" und juristischen Netzwerktheorien hält Kemmerer für begründet, und auch die von den Autoren eingeräumte Möglichkeit wenigstens "punktueller" Konfliktbewältigung scheint sie zu teilen.

© Perlentaucher Medien GmbH