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Aimé Césaire, 1913 auf der Karibikinsel Martinique geboren und dort im April 2008 verstorben, gilt als einer der bedeutendsten schwarzen Dichter des 20. Jahrhunderts. 1934 gründete er in Paris die Zeitschrift LEtudiant noir, womit die von ihm sowie von Léopold Sédar Senghor und Léon-Gontran Damas initiierte Négritude-Bewegung begann. Unter Négritude ist die Gemeinschaft aller Schwarzen, ihre lange Geschichte unsäglichen Leidens unter Sklaverei, Kolonialismus und Rassismus sowie die Wiederentdeckung ihrer kulturellen Leistungen in Afrika zu verstehen. Ziel der Bewegung war es, den schwarzen…mehr

Produktbeschreibung
Aimé Césaire, 1913 auf der Karibikinsel Martinique geboren und dort im April 2008 verstorben, gilt als einer der bedeutendsten schwarzen Dichter des 20. Jahrhunderts. 1934 gründete er in Paris die Zeitschrift LEtudiant noir, womit die von ihm sowie von Léopold Sédar Senghor und Léon-Gontran Damas initiierte Négritude-Bewegung begann. Unter Négritude ist die Gemeinschaft aller Schwarzen, ihre lange Geschichte unsäglichen Leidens unter Sklaverei, Kolonialismus und Rassismus sowie die Wiederentdeckung ihrer kulturellen Leistungen in Afrika zu verstehen. Ziel der Bewegung war es, den schwarzen Menschen in aller Welt das Bewusstsein zu vermitteln, dass ihre in Afrika wurzelnden kulturellen Traditionen der Kultur der sie als primitiv diffamierenden und zu Arbeitstieren degradierenden Weißen nicht unterlegen seien. Césaire appellierte an alle Schwarzen, ihr Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den Weißen abzulegen, sich von deren totaler Dominanz zu befreien und durch eine Rückkehr zu ihren afrikanischen Ursprüngen zu einer eigenen Identität zu finden. Mit diesen Ideen bereitete die Négritude-Bewegung geistig den Entkolonialisierungsprozess vor, der nach dem 2. Weltkrieg in vielen bis dahin kolonisierten afrikanischen Ländern in Gang kam.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2018

Das Laken
der Finsternis
Aimé Césaires „Rede über den
Kolonialismus“ neu kommentiert
Anders als der Titel vermuten lässt, ist die „Rede über den Kolonialismus“ des Dichters und Politikers Aimé Césaire von der französischen Karibik-Insel Martinique nie öffentlich vorgetragen worden. Dennoch hat Césaires Kampfschrift, die er als überzeugter Sozialist 1950 kurioserweise in der rechtsorientierten Zeitschrift Réclame veröffentlichte, weltweit Gehör gefunden. Er gilt als Schlüsseltext der „Négritude“, des Kampfes Schwarzafrikas um politische und kulturelle Selbstbehauptung.
Den 68ern war Césaires Pamphlet gegen die europäischen Kolonisatoren, die für ihn eine „Maschine zum Zerquetschen, zum Zermalmen der Völker“ betrieben, ein Klassiker. Zeitweise gehörte es gar zur Pflichtlektüre in französischen Abiturklassen – angesichts des restriktiven Umgangs mit der eigenen Kolonialgeschichte ein Skandal. Der jetzt von Heribert Becker neu übersetzte und erhellend kommentierte Text von 1950 ist auch in der heutigen Debatte über die „Bekämpfung von Fluchtursachen“, angesichts „strategischer Entwicklungshilfe“ und der jüngsten Warnung eines deutschen Ministers vor „100 Millionen Afrikanern“ beschämend aktuell.
Wenn Césaire etwa fordert, nach der Verwüstung der „Vaterländer“ durch den Kolonialismus müsse Europa eine „auf die Achtung der Völker und Kulturen gründende Politik ergreifen“, weil es sonst „mit eigenen Händen das Laken der tödlichen Finsternis über sich ziehen wird“, muss man das als poetische Prophezeiung lesen. Die Folgen der am Reißbrett gezogenen Landesgrenzen und der im Namen westlicher Fortschrittsvorstellungen umgestalteten Gesellschaftsordnung werden angesichts aktueller ethnisch-religiöser Extremismen klar. Mit beißender Ironie und großer sprachlicher Schärfe führt Césaire die tiefe Verankerung eines europäischen „Pseudohumanismus“ vor. „Man redet mir von Fortschritten, von geheilten Krankheiten, von gestiegenem Lebensstandard. Ich aber rede von um ihre Identität gebrachten Gesellschaften, von niedergetrampelten Kulturen, von konfisziertem Land.“
Nicht zu Unrecht hat man Césaire (1913 – 2008) seine direkte Gegenüberstellung von Kolonialismus und Nationalsozialismus vorgeworfen. Mittlerweile ist zudem unbestritten, dass es den einen europäischen Kolonialismus nie gab. Dennoch kann man Césaires Auffassung, dass „Europa vor der menschlichen Gemeinschaft Rechenschaft abzulegen hat für den höchsten Leichenberg der Geschichte“ nicht als pure Agitation abtun. Solange in Historikerkreisen noch immer die Vorstellung kursiert, dass der gewaltsame Widerstand der Afrikaner gegen die militärischen Interventionen der Kolonisatoren erst dazu geführt hätten, dass diese sich aus Prestige-gründen dauerhaft im Land niederließen, behält Césaires Pamphlet seine Gültigkeit.
CORNELIUS WÜLLENKEMPER
Aimé Césaire:
Über den Kolonialismus. Aus dem Französischen übersetzt und kommentiert von Heribert Becker. Alexander Verlag Berlin, 2017, 118 Seiten, 12,90 Euro.
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