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"Linksanwälte" wie Schily, Stroebele, Croissant und Groenewold haben erst für Furore gesorgt und dann Geschichte gemacht. Wer waren sie? Was waren ihre Ziele und was haben sie erreicht?Sie haben erst Demonstranten, dann die Spaßguerilla und schließlich Baader und Meinhof verteidigt, haben vereinzelt Kassiber geschmuggelt, die Kontaktsperre unterlaufen und mit allen Mitteln gegen die sogenannte Isolationsfolter gekämpft: Anwälte wie Schily, Stroebele oder Groenewold. Zeitweise gerieten die "Linksanwälte" selbst ins Fadenkreuz der Strafverfolgung, weil sie mit ungewöhnlichen…mehr

Produktbeschreibung
"Linksanwälte" wie Schily, Stroebele, Croissant und Groenewold haben erst für Furore gesorgt und dann Geschichte gemacht. Wer waren sie? Was waren ihre Ziele und was haben sie erreicht?Sie haben erst Demonstranten, dann die Spaßguerilla und schließlich Baader und Meinhof verteidigt, haben vereinzelt Kassiber geschmuggelt, die Kontaktsperre unterlaufen und mit allen Mitteln gegen die sogenannte Isolationsfolter gekämpft: Anwälte wie Schily, Stroebele oder Groenewold. Zeitweise gerieten die "Linksanwälte" selbst ins Fadenkreuz der Strafverfolgung, weil sie mit ungewöhnlichen Verteidigungskonzepten die konservative Justiz herausforderten. Die Geschehnisse der Jahre 1967 bis 1977 haben tiefe Spuren in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hinterlassen. Erstmals wird nun die Geschichte der "Linksanwälte" erzählt. Der Rechtsanwalt Hellmut O. Brunn und der Journalist Thomas Kirn, beide Zeitzeugen, haben umfangreiches Material gesichtet und mit beteiligten Juristen gesprochen. Ihr Buc h schildert den spannungsgeladenen Konflikt zwischen Anwälten und Justiz, der nicht ohne Folgen blieb für die deutsche Rechtsprechung.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2004

Schily spricht von einer unschuldigen Gewissenstäterin
Der Frankfurter Brandstifter-Prozeß 1968: Als der heutige Innenminister Gudrun Ensslin verteidigte

Die "Achtundsechziger" hatten viele Gesichter. Erregte Studenten, die gegen die Notstandsgesetze, gegen den Schah und höhere Preise bei Bussen und Bahnen durch die Straßen zogen. Entsetzte Bürger, die den Kopf schüttelten über das Aufbegehren und mitunter gemeinsam mit den jungen Leuten in Deckung gingen, wenn die Polizei ihre Wasserwerfer in Marsch setzte. Straßenkämpfer, die zu Politikern wurden, und jene, die in die Gewalt und den Terrorismus abglitten.

Frankfurt war ein Brennpunkt dieser auseinanderdriftenden Bewegungen. Der Protest ist hier mit als erstes zu Parteiarbeit geronnen, die Grünen haben dazu vor kurzem ein Jubiläum gefeiert. Frankfurt war aber auch schon sehr früh einer der Schauplätze, an dem der Aufruhr mit dem Staat die Kräfte maß, ehe er ihm den Guerrillakrieg erklärte. Der 2. April 1968 ist ein Datum, das man im nachhinein als Zäsur betrachten kann. Am Abend schlagen Flammen aus den Fenstern der Kaufhäuser M. Schneider und Kaufhof an der Zeil. Andreas Baader und Gudrun Ensslin hatten aus Gedankenspielen, wie während des Vietnam-Krieges ein Zeichen gegen den Kapitalismus zu setzen sei, zum ersten Mal Ernst gemacht.

Zwei Zeitzeugen, der Rechtsanwalt Hellmut Brunn und der Journalist Thomas Kirn, Mitarbeiter dieser Zeitung, haben sich dem Thema aus der Perspektive jener Juristen wie dem heutigen Bundesinnenminister Otto Schily genähert, die ihren Auftrag darin sahen, die Rechte auch jener Mandanten zu verteidigen, die das Rechtswesen in Frage stellten. - Wir dokumentieren aus dem Buch "Rechtsanwälte, Linksanwälte" Auszüge des Kapitels "Frankfurter Brandstifter-Prozeß". (hs.)

Im Oktober stehen die Angeklagten vor der 4. Großen Strafkammer des Frankfurter Landgerichts. Gudrun Ensslin, die sich für die Prozeßtage eine rote Lederjacke hat besorgen lassen, wird von Professor Ernst Heinitz und Schily verteidigt. Schily und Ensslin kennen sich aus Berliner Zeiten. Sie erklärt am dritten Prozeßtag, sie und Baader hätten Feuer gelegt aus Protest gegen die Gleichgültigkeit, mit der die Menschen dem Völkermord in Vietnam zusähen. Baader ergänzt, es hätten weder Menschen gefährdet werden noch ein "wirklicher Brand" entstehen sollen. Sie betonen, daß sie den mit Zeitzünder versehenen Brandsatz zu zweit, also ohne die Mitangeklagten, in das Kaufhaus gebracht hätten. Im übrigen hat sich ihre Einstellung zu der Tat verändert, sie halten sie im politischen Sinn nicht mehr für sonderlich brauchbar. Das Thema des Protests flammt später noch einmal auf, als Ensslin bei der Erörterung von Schäden in die Verhandlung hineinruft, sie interessiere sich nicht für verbrannte Schaumstoffmatratzen, sie rede von verbrannten Kindern in Vietnam. Wer umfangreichere Stellungnahmen von den Angeklagten erwartet hatte, wurde enttäuscht.

Heinitz sagt im Plädoyer, seine Mandantin sei eine Gewissenstäterin, und auch einem irrenden Gewissen komme Respekt zu. Schily spricht von einer unschuldigen Gewissenstäterin, der das Schlüsselerlebnis Vietnam die Augen für den Widerspruch zwischen bürgerlichen Idealen und der Wirklichkeit geöffnet habe. Der Strafantrag der Staatsanwaltschaft - sechs Jahre Zuchthaus - sei maßlos. Mahler erinnerte sich an eine leidenschaftliche Rede für Ensslin und daran, daß Schily am Ende seines Plädoyers geweint habe. Mahler selbst, der für Baader plädiert, weist auf Beweggründe der Außerparlamentarischen Opposition hin, auf ihr Mißtrauen gegenüber einer Generation, die millionenfachen Mord geduldet habe. Die Protestbewegung werde nicht aufhören, die in Vietnam begangenen Verbrechen zu benennen: man wolle nicht derselben Lethargie verfallen wie die Eltern. Klaus Eschen und Armin Golzem fordern Freisprüche, Proll und Söhnlein sei keine Tatbeteiligung nachgewiesen.

Die Kolumnistin der Hamburger Zeitschrift "konkret" Ulrike Meinhof führt ein Gespräch mit Gudrun Ensslin. Sie kommentiert den Prozeß in Ausgabe 14 des Blattes. Gegen Brandstiftung, so schreibt sie, spreche, daß Menschen in Gefahr gerieten, die nicht gefährdet werden sollten. Gegen den Spezialfall des Anzündens eines Kaufhauses wendet Meinhof ein, ein Feuer nütze letztlich den Kaufhauseigentümern, weil die Waren vernichtet seien und die Versicherung zahle. Also: "Das progressive Moment einer Warenhausbrandstiftung liegt nicht in der Vernichtung der Waren, es liegt in der Kriminalität der Tat, im Gesetzesbruch." Das Gesetz schütze Eigentum, nicht Menschen. Nach einigen näheren Erläuterungen, die Ulrike Meinhof als gegenüber den Regeln des Strafrechts eher unempfindlich erscheinen lassen - angeklagt ist doch gerade menschengefährdende Brandstiftung und nicht irgendeine Form der Sachbeschädigung -, fragt die Autorin, ob das von ihr geortete progressive Moment auch vermittelt, "in Aufklärung umgesetzt werden kann". Sie hat da ihre Zweifel und formuliert einen umständlichen Schluß: "So bleibt, daß das, worum in Frankfurt prozessiert wird, eine Sache ist, für die Nachahmung - abgesehen noch von der ungeheuren Gefährdung der Täter, wegen Drohung schwerer Strafen - nicht empfohlen werden kann." Weder die Angeklagten noch die kritisch mit ihnen sympathisierende Journalistin lassen sich auf das Strafgesetz ein, das Brandstiftung in Gebäuden wegen der unberechenbaren Gefahren nicht nur für Eigentum, sondern gerade für Menschen, äußerst ernst nimmt.

Die Strafkammer verhängte für jeden der Angeklagten drei Jahre Freiheitsstrafe, damals noch Zuchthaus. Das Strafmaß ist von einem Teil der veröffentlichten Meinung als zu hoch kritisiert worden. Im Gegensatz zum Gericht folgte diese Auffassung Ausführungen des Verteidigers Schily, der vorgetragen hatte, schließlich habe nur ein Schrank gebrannt, es habe lediglich eine Sachbeschädigung vorgelegen. Einer der Verteidiger, der Berliner Rechtsanwalt Klaus Eschen, gab rückblickend der Spekulation Ausdruck, wenn die Verhandlung unter dem Aspekt eines jugendlich-naiven Protests gerichtlich tiefer gehängt hätte und die Strafe nicht so streng ausgefallen wäre, hätten sich Baader und Ensslin möglicherweise nicht in den kämpfenden Untergrund begeben.

Dagegen läßt sich einwenden, daß Gudrun Ensslin zur Zeit des Anschlags eine 27 Jahre alte Studentin der Germanistik war und der 24 Jahre alte Andreas Baader Justizerfahrung sowohl als Gerichtsreporter als auch durch eigene Straftaten hatte. Thorwald Proll, 26 Jahre alt, hatte das Architekturstudium geschmissen und betätigte sich im weitesten Sinn literarisch, Horst Söhnlein leitete in München gemeinsam mit seiner Frau ein kleines alternatives Theater und wurde im Oktober in der Untersuchungshaft 25.

Gudrun Ensslin war nach allen Berichten eine eindrucksvolle und willensstarke Persönlichkeit, die sich ihres Tuns bewußt war. Der Schriftsteller Günter Grass, der Ensslin Mitte der sechziger Jahre im Wahlkampf-Unterstützungsbüro für die SPD kennengelernt hatte, formulierte: "Sie hatte ein Verlangen für das Absolute, die perfekte Lösung." Der Frankfurter Gerichtspsychiater Professor Reinhard Redhardt, der sich mit der Angeklagten Ensslin unterhalten hat, sprach von Starrheit und heroischer Ungeduld.

Als Germanistikstudentin hatte sie vor, über den sperrigen Dramatiker und Romanautor Hans Henny Jahnn wissenschaftlich zu arbeiten. Die Wahl ausgerechnet dieses 1959 im Alter von 64 Jahren verstorbenen Schriftstellers, der trotz höchster literarischer Auszeichnungen nie ein großes Publikum fand, läßt sich aus dem Interesse für eine Sprache von selten zu findender Überstilisierung ebenso begründen wie aus der geheimnisvollen, fast priesterhaften Aura, mit der sich Jahnn als Kulturkritiker umgab und gegen den aus seiner Sicht verheerenden Rationalismus der wissenschaftlich-technischen Moderne anschrieb.

Andreas Baader, der sowohl zu Lebzeiten als auch nach seinem Tod häufig abwertend als letztlich kleinkrimineller Dummkopf mit rücksichtslosen Manieren beschrieben wird, hat jedenfalls keine Veranlassung gegeben, an seiner Entschlußkraft zu zweifeln. So erscheint die Erwartung trügerisch, die beiden hätten ein milderes Urteil als Signal zur Umkehr verstanden.

Einigermaßen unbekümmert übergingen meinungsfeste Kritiker - etwa Rudolf Walter Leonhardt in "Die Zeit" - sowohl die für Brandstiftung sehr strengen gesetzlichen Vorschriften als auch die Urteilsgründe. Der Schuldspruch lautet auf versuchte schwere Brandstiftung und berücksichtigt, daß nicht mehr zu klären war, ob tatsächlich Gebäudeteile und nicht nur Mobiliar und Waren gebrannt hatten: damit fehlte das Merkmal der vollendeten Tat, es blieb der strafbare Versuch. Im Fall Kaufhof sprach das Gericht sogar frei, weil nicht mit letzter Sicherheit nachzuweisen war, ob diejenigen, die einen Brandsatz mit Zeitzünder zu M. Schneider gebracht hatten, auch für das zweite Feuer und den erheblich höheren Schaden verantwortlich waren.

Gegen die Verurteilung Ensslins ist eingewandt worden, das Gericht habe ihr als geständiger Ersttäterin - nach einem halben Jahr Untersuchungshaft und der Einordnung der Tat als versuchter Brandstiftung - durchaus eine Bewährungschance einräumen können.

Die Urteilsverkündung ist von Tumulten begleitet. Zuhörer singen die "Internationale" und geraten in gesteigerte Solidaritätsstimmung, als Landgerichtsdirektor Gerhard Zoebe ausführt, die Angeklagten hätten ohne Bindung an die Außerparlamentarische Opposition gehandelt. Daniel Cohn-Bendit ruft, die Entscheidung der Zugehörigkeit zur APO habe ein Studentenparlament zu treffen, die Angeklagten wollen nicht mehr zuhören und den Saal verlassen, werden von Wachtmeistern gehindert, die Zuhörer werden hinausgeworfen, die Polizei wird eingesetzt, es fliegen Rauchkörper. Als sich der Qualm verzogen hat, verhängt das Gericht zunächst einmal drei Tage Ordnungshaft gegen Cohn-Bendit und zwei Begleiter und setzt anschließend die Urteilsbegründung fort. Am nächsten Tag bietet der Frankfurter SDS, aus politischer Überzeugung Gegner der Brandstiftung, den Verurteilten eine Art Ehrenmitgliedschaft an.

Hellmut Brunn/Thomas Kirn: Rechtsanwälte, Linksanwälte, Eichborn-Verlag, 22, 90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2005

Rote Hilfe
Linksanwälte zwischen 1968 und dem Deutschen Herbst
Gab es ihn oder gab es ihn nicht, den „dunklen Verteidigerkanal”? Jahrzehntelang blühten die Spekulationen darüber, ob RAF-Verteidiger in den 70er Jahren ein Informationssystem betrieben haben, das die Steuerung oder zumindest die Koordination von Aktionen aus dem Gefängnis heraus ermöglichte. Beweise dafür liegen bis heute nicht vor, dennoch wurden immer wieder Gerüchte, insbesondere in der Boulevardpresse, lanciert. Von einzelnen - Klaus Croissant oder Horst Mahler etwa - wurde auf alle geschlossen, zwischen Studentenrevolte und Deutschem Herbst traf schließlich nahezu 600 Strafverteidiger der Vorwurf des „Sympathisantentums”, so Rechtsanwalt Hellmut Brunn und Gerichtsreporter Thomas Kirn in ihrer Geschichte der „Linksanwälte” - unter ihnen so mancher Prominente wie Otto Schily, Christian Ströbele oder Kurt Groenewold. Welche Rolle spielten sie wirklich im roten Jahrzehnt zwischen 1968 und 1977: Waren sie Unterstützer des Linksterrorismus oder Hüter der Verfassung?
Brunn und Kirn argumentieren nicht auf Basis abstrakter Analysen, sondern stellen den Arbeitsalltag der Anwälte in den Mittelpunkt. Zerrieben zwischen hehren politischen Ansprüchen und rabiater militanter Praxis ihrer Klienten auf der einen und berufsständischen wie staatlichen Drangsalierungen auf der anderen Seite, drohte permanent der Verlust von Reputation, Kanzlei und Mandanten - wenn es nicht schon bei der Zulassung zum Staatsexamen, zum Referendariat oder zur Anwaltschaft Probleme gab. Jenseits heute schwer verständlicher, im Jargon der Zeit verfasster Stellungnahmen und Erklärungen ging es den Anwälten im Kern um die Wahrung der bürgerlichen Freiheitsrechte, so Brunn und Kirn.
Sie reagierten, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte, auf leichtfertige Beschränkungen der Würde ihrer Mandanten allergisch, verlangten Gesetzestreue und vor allen Dingen Beweise statt emotionaler Vorverurteilung. Dabei wurden sie allzu oft zu Einzelkämpfern in ihren Verfahren. Es gab zwar auch Gemeinschaftskanzleien, zur Gründung eines eigenen Berufsverbandes, der sich für die „freie Advokatur" einsetzen sollte, kam es aber erst 1979. Brunn und Kirn sprechen dem Republikanischen Anwaltsverein zu, die „bleierne Zeit” des Deutschen Herbstes überwunden zu haben. Als 1983 das Bundesverfassungsgericht schließlich einige, seit 1976 schwebende Berufsverbotsverfahren gegen Strafverteidiger aufhob, sei der Knoten endgültig geplatzt, ein weiteres Stück Zivilisierung der Bundesrepublik erreicht worden.
Soweit die Geschichte der Linksanwälte. Auf eine falsche Fährte führen allerdings Brunns und Kirns zeithistorische Exkurse, so der zur Bedeutung einer von der studentischen Protestbewegung ausgehenden Kritik an Justiz und Rechtswissenschaft. Hier fehlen wichtige Bezüge auf die Ansätze einer kritischen Justiz, wie etwa der kritischen Kriminologie oder der feministischen Anstrengungen einer Strafrechtsreform in Sachen häuslicher Gewalt. Völlig ins Leere zielt schließlich eine 68er-Schelte wegen angeblich mangelhafter Auseinandersetzung mit der NS-Justiz, da sich Brunn und Kirn gar nicht mit den fundierten Positionen dazu auseinander setzen.
Sie sprechen von einer „berechtigten und anständigen” moralischen Empörung, die jedoch zur „historisch-kritischen Auseinandersetzung mit den Spezifika des Nazi-Staates” nichts beigetragen habe. Um ein solches Urteil zu sprechen, reicht es aber nicht aus, Demonstrationsparolen und Broschüren abseitiger K-Gruppen zu zitieren. Zudem verlieren Brunn und Kirn den Faden ihrer Erzählung, wenn es um die großen politischen Verfahren der 70er Jahre geht, insbesondere natürlich jene „Strafsache gegen Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Jan-Carl Raspe, Gudrun Ensslin wegen Mordes u. a.”, die von Mai 1975 bis April 1977 in Stuttgart-Stammheim verhandelt wurde. Immer wieder verstricken sie sich in Exkursen zur Politik der RAF und deren Verbindungslinien zur studentischen Protestbewegung der 60er Jahre, als wäre darüber nicht schon genug gesagt.
Was bleibt, ist ein versöhnlicher Schluss: Nicht nur die Anwaltschaft, auch Politik und Öffentlichkeit hätten sich nach 1977 radikal verändert: Mit der Partei der Grünen, der taz und einer breiten, kritischen juristischen Fachöffentlichkeit sei das politische Freund-Feind-Schema der 70er Jahre überwunden. Was dabei auf der Strecke geblieben ist - die antietatistische Grundhaltung der Neuen Linken - fällt jedoch auch bei Brunn und Kirn nicht ins Gewicht.
GOTTFRIED OY
HELLMUT BRUNN / THOMAS KIRN: Rechtsanwälte, Linksanwälte. 1971 bis 1981 - das Rote Jahrzehnt vor Gericht. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2004. 396 Seiten, 22,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Auch wenn die Autoren, Hellmut O. Brunn und Thomas Kirn, selbst Betroffene sind - sie schreiben "sympathisch unaufgeregt" und lesbar über ihr Thema, die Anwälte der RAF-Terroristen, findet Rezensent Stefan Reinecke. Weder verhübschen sie, noch betreiben sie "renegatenhafte Abwertung". Nur: sie schreiben auch ohne erkennbare argumentative Ordnung. Und das stört den Rezensenten. Weiterhin stört ihn, dass ein wesentlicher Punkt ausgeklammert bleibt - die Frage nach der moralischen Verantwortung der sogenannten "Linksanwälte". Da vermisst Reinecke den kritischen Blick. Gleichwohl füllt die Studie eine Lücke, und was sich in jedem Fall aus ihr lernen lässt, so der Rezensent, ist, wie, in dialektischer Bewegung, jene, die das System stürzen wollten, zu seiner Stabilisierung beigetragen haben - indem sie die Justiz der BRD "schlauer, genauer" gemacht haben. Für Reinecke ist das "kein schlechtes Ergebnis".

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