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Produktdetails
  • Interdisziplinäre Frauenforschung Bd.1
  • Verlag: Winkler Bochum
  • 1999.
  • Seitenzahl: 366
  • Deutsch
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 706g
  • ISBN-13: 9783930083039
  • ISBN-10: 3930083035
  • Artikelnr.: 22910331
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.1999

Weder Fräulein weder schön
Die Mädchenbildung in Osnabrück kam ohne Frauenbegriff aus

In der Diskussion über die Koedukation in der Schule stehen sich die Pädagogen mit ihren konträren Ansichten bisweilen unerbittlich gegenüber. Die Gegner der Gemeinschaftserziehung beider Geschlechter glauben, dass Mädchen insbesondere in den Naturwissenschaften benachteiligt werden, weil sie im Unterricht durch das meist lebhaftere und selbstbewusstere Auftreten der Jungen eingeschüchtert würden und daher ihre Fähigkeiten nicht vollständig entfalten könnten. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass die Kinder im gemeinsamen Unterricht unfreiwillig geschlechtsspezifische Verhaltensmuster annähmen, die nicht ihrer Natur entsprächen. Die Befürworter der Koedukation hingegen sind überzeugt, dass der gemeinsame Unterricht von Mädchen und Jungen eine wesentliche Voraussetzung für das Erlernen eines natürlichen Umgangs beider Geschlechter miteinander sei.

Die aktuelle Debatte über die Koedukation an Schulen nimmt die Erziehungswissenschaftlerin Monika Fiegert zum Anlass, einen Blick auf die Geschichte der Geschlechtertrennung zu werfen und den Anfängen elementarer Mädchenbildung im geistlichen Fürstentum Osnabrück an der Wende zum neunzehnten Jahrhundert nachzugehen. Sie sucht unter anderem eine Antwort auf die Frage, ob damals der Gründung von elementaren Mädchenschulen in dieser Region theoretische Leitvorstellungen über die Koedukation oder bestimmte geschlechtsspezifische Rollenbilder zugrunde lagen.

Fiegert kommt zu dem erstaunlichen Ergebnis, dass es rein pragmatische Gründe waren, die in Osnabrück zur Trennung von Mädchen und Jungen in neu gegründeten Elementarschulen führten. Notorischer Platzmangel, das Bestreben um eine Verringerung der Klassenstärke sowie Disziplinprobleme förderten die Idee, elementare Mädchenschulen zu errichten. Eine Erörterung über Sinn und Notwendigkeit von Mädchenunterricht, wie sie im weiteren Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts die Gründung Höherer Töchterschulen vorbereitete, gab es nicht. Eine Debatte über das Wesen der Frau oder über ihre naturhaft bedingte Andersartigkeit wird nicht fassbar. Fiegert vermutet daher, dass die insbesondere von Feministinnen häufig beklagte "ideologische Zuweisung der Geschlechterrollen erst im Zusammenhang mit der allmählichen Auflösung der Ständegesellschaft vorgenommen" worden, "also ein Produkt des späten neunzehnten und des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts" gewesen sei.

Wenngleich die Autorin den gegenwärtigen Streit über die Koedukation nicht mit neuen Argumenten zu entscheiden vermag, weil sie mit ihrer Studie lediglich einen Beitrag zur Historisierung des Themas leisten will, ist ihr ein spannender Einblick in die Realgeschichte der Schule gelungen. Bedauerlich ist nur, dass sie ihre Arbeit mit vielen überflüssigen theoretischen Exkursen und methodologischen Betrachtungen belastet hat, in denen ihre beachtlichen Ergebnisse unterzugehen drohen.

NILS HAVEMANN

Monika Fiegert: "Pragmatische Geschlechtertrennung". Die Anfänge elementarer Mädchenbildung im geistlichen Fürstentum Osnabrück. Ein Beitrag zur Historischen Mädchenbildungsforschung. Verlag Dr. Dieter Winkler, Bochum 1999. 366 S., br., 98,- DM.

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