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Geheimnisvoll, märchenhaft, betörend "Pigafetta", der erste Roman der "aspekte"-Preisträgerin Felicitas Hoppe.
"Die Ladung hat Priorität", so wird den Passagieren an Bord des namenlosen Frachters beschieden, der von Hamburg aus einmal um die Welt fährt. Warum, so fragt der zahlende Gast, der zugleich der erzählende Gast auf dem Schiff ist, unternimmt man dann überhaupt eine solche Reise? Auch andere Fragen sind nicht so leicht zu beantworten: Warum scheint niemand zu wissen, was sich in den Containern befindet, die das Schiff geladen hat? Warum will der ruhelose Kapitän unbedingt von Bord…mehr

Produktbeschreibung
Geheimnisvoll, märchenhaft, betörend "Pigafetta", der erste Roman der "aspekte"-Preisträgerin Felicitas Hoppe.
"Die Ladung hat Priorität", so wird den Passagieren an Bord des namenlosen Frachters beschieden, der von Hamburg aus einmal um die Welt fährt. Warum, so fragt der zahlende Gast, der zugleich der erzählende Gast auf dem Schiff ist, unternimmt man dann überhaupt eine solche Reise? Auch andere Fragen sind nicht so leicht zu beantworten: Warum scheint niemand zu wissen, was sich in den Containern befindet, die das Schiff geladen hat? Warum will der ruhelose Kapitän unbedingt von Bord gehen? Aber nicht nur der Frachter und seine Besatzung sind undurchschaubar. Auch die anderen Passagiere lassen an Seltsamkeit nichts zu wünschen übrig. Verstehen kann nur, wer auf Antonio Pigafetta wartet, der nachts erscheint und von seiner waghalsigen Expedition unter Fernando Magellan erzählt. Erst durch die Erzählungen Pigafettas wird deutlich, daß es neben den zwei Arten von Seekrankheit auch noch eine dritte gibt, von der man nur schwer genesen kann: die Seekrankheit des Herzens. "Eine Reise um die Welt auf einem Schiff ist keine Weltreise, sondern ein abstraktes Gegenbild, die Reise an sich. Sie hat keinen Anfang und kein Ende. Mit etwas Glück hört sie genau dort auf, wo sie begonnen hat. Wozu also die Anstrengung? In Wahrheit liegt der Reiz der Reise darin, daß sie so trivial wie großartig ist. Trivial aufgrund ihrer an Ziele und Zwecke gebundenen Alltäglichkeit, großartig, weil sie ohne die Vergangenheit und die Geschichte nicht denkbar ist" (Felicitas Hoppe)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.1999

Wer schwimmen kann, stirbt einen langsamen Tod
Glückliche Meerfahrt mit "Pigafetta": Felicitas Hoppe umschifft das Kap des zweiten Buches / Von Hubert Spiegel

Einmal hatte auch Thomas Mann Lampenfieber: "- ist es ein Wunder? Meine Jungfernfahrt über den Atlantik, die erste Begegnung und Bekanntschaft mit dem Weltmeer steht mir bevor, und am Ende, jenseits der Erdkrümmung, über die das Riesenwasser sich zieht, erwartet uns Neu-Amsterdam, die Weltstadt." Im Mai des Jahres 1934 befindet sich der Schriftsteller an Bord des Dampfers "Volendam". In der Bar des "behäbigen Holländers" nippt der Dichter an einem Wermut und hängt, sein Vertrauen in dieses "gute Schiff" stärkend, dessen "wackere Führer und Mannschaft überhaupt nichts anderes gelernt haben, als das Element zu meistern", seinen Gedanken nach. Sie kreisen um das Meer, die Gefahren und Unannehmlichkeiten einer Schiffsreise, um die angemessene Reisegeschwindigkeit, die Frage der passenden Reiselektüre sowie die "provinzielle Gabe der Phantasie". Wer sie besitze, könne niemals ein Weltmann sein. "Phantasie haben heißt nicht, sich etwas ausdenken; es heißt, sich aus den Dingen etwas machen - und das ist natürlich nicht weltmännisch." Im Sinne Thomas Manns ist Felicitas Hoppe eine durch und durch provinzielle Autorin.

"Pigafetta", der erste Roman der knapp vierzigjährigen Autorin, handelt von einer Weltumrundung zur See an Bord eines modernen Containerschiffs. Die Fahrt führt von Hamburg nach Hamburg, über New York, Charleston, Auckland, Sydney, Hongkong, Singapur, durch den Suez-Kanal, das Mittelmeer und die Straße von Gibraltar in den Ärmelkanal und die Nordsee. Der Roman schildert auf kaum mehr als einhundertfünfzig Seiten die eintönigen Tage auf See, die Rituale in der Messe, die karge Abwechslung der ebenso kurzen wie seltenen Landgänge. Das Bordleben: Passagiere schwatzen, Matrosen trinken und umgekehrt. Ab und an schlägt die Erzählerin eine Schlacht gegen den Ersten Offizier an der Tischtennisplatte. Die Weltmeere scheinen zu einer Art Autobahn geworden zu sein, die Aufenthalte in den Häfen, wo in Stundenfrist die Ladung gelöscht und neue Container an Bord genommen werden, gleichen kurzen Stops an gesichtslosen Raststätten. Das sind die "Dinge", denen Felicitas Hoppe auf ihrer Meerfahrt begegnet ist. Was sie aus ihnen gemacht hat, ist ein literarisches Ereignis.

Der Heimathafen dieses Buches ist nicht Hamburg, sondern Sevilla. Hier beginnt die erste Reise um die Welt, als am 10. August des Jahres 1519 eine Flotte von fünf Schiffen unter dem Kommando des Generalkapitäns Fernando de Magellan den Hafen verläßt, um im Auftrag der spanischen Krone und der Christenheit zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit die Welt zu umschiffen. Drei Jahre später, im September des Jahres 1522, kehren achtzehn der 265 Männer, die an der Expedition teilgenommen hatten, nach Spanien zurück. Vier von fünf Schiffen sind verloren, Magellan ist auf den Philippinen unter grotesken Umständen getötet worden, Antonio de Pigafetta, ein junger Edelmann aus Venetien, der sich dem Generalkapitän aus Abenteuerlust und als Freiwilliger angeschlossen hatte, schreibt ein Buch, das erst vierzehn Jahre nach dem Ende der Expedition in Venedig erscheint: "Primo Viaggio intorno al globo" (Die erste Reise um die Erde. Ein Augenzeugenbericht von der Weltumseglung Magellans).

Fünf Jahrhunderte später befindet sich Pigafetta an Bord eines deutschen Containerschiffs, unterwegs auf einer Reise um den Globus im Auftrag des Welthandels und einer deutschen Reederei, an der als "zahlende Gäste" auch einige Passagiere teilnehmen: ein Makler-Ehepaar mit dem seltsamen Namen Happolati, ein französischer Klempner, ein britischer Geograph, ein Pfirsichzüchter aus Amerika sowie die Ich-Erzählerin, eine junge Frau, namenlos wie das Schiff, auf dem sie drei Monate verbringen wird.

Pigafetta, so die Fiktion Hoppes, hat die Weltmeere nicht mehr verlassen. Wer mit jeder Erdumrundung in östlicher Richtung einen Tag gewinnt, hat die Wette mit dem Tod gewonnen: Seine Zeit kann niemals ablaufen. So sitzt der landflüchtige Landedelmann, geboren um 1480 in Vicenza, in der Kabine der Erzählerin und berichtet ihr des Nachts, wenn sie nicht schlafen kann, von der Expedition des Generalkapitäns Magellan.

Acht Nächte sind es, in denen Pigafetta spricht, acht wundersame Nocturnes, die den Bericht der Erzählerin unterbrechen und wie dieser auf eigentümliche Weise historische Fakten und Phantastisches, Vergangenheit und Gegenwart, Reflexe der modernen Reise und Splitter der Weltliteratur vereinen. Daß Pigafetta nicht Scheherazade ist und Magellan nicht Sindbad der Seefahrer, zeigt sich schon nach den ersten Sätzen. In knapper Aufzählung wird genannt, was auf die Reise mitzunehmen ist: "Angel, Köder und Schnur. Hüte und Schirm. Sonnenuhr, Kompaß, Papier. Rettungsringe für jeden Finger." Eine Liste, geschrieben wie zum "Beweis dessen, daß auch unzulängliche, ja kindische Mittel zur Rettung dienen können", wie es in Kafkas "Das Schweigen der Sirenen" heißt. Aber wie bei Kafka ist auch in "Pigafetta", wenn von Rettung die Rede ist, die Unmöglichkeit von Rettung gemeint: "Wer schwimmen kann, kommt nur langsamer um."

Im Wechselspiel der beiden Erzählerstimmen, abgefaßt in einer nüchtern-klaren Sprache, die mit größter Entschiedenheit das Eindeutige vermeidet, entsteht so allmählich der Bericht einer Reise, in der die Vergangenheit der großen Entdeckungsfahrten und die Gegenwart der Frachtschiffahrt aufeinandertreffen. Auf den Karten, nach denen Felicitas Hoppe sich richtet, sind indessen nicht Weltmeere verzeichnet, sondern Werke der Weltliteratur. "Pigafetta" kreuzt mehrfach den Kurs des "Fliegenden Holländers", umfährt Melvilles "Moby Dick" in einer Entfernung, die den Respekt vor dieser gewaltigen Landmasse erkennen läßt, verweilt unschlüssig vor Joseph Conrads "Herz der Finsternis", blickt in den Abgrund von Poes "Arthur Gordon Pym" und verproviantiert sich, wenn es nötig wird, bei jenen Klassikern der historischen Reiseliteratur, die ihren Gegenstand stolz im Titel tragen wie Georg Forsters oder Adelbert von Chamissos "Reise um die Welt". Der Autor des "Peter Schlemihl" umfuhr die Erdkugel zwischen 1815 und 1818 als Naturforscher unter dem Kommando des Dramatikersohnes Otto von Kotzebue.

Das Personal der frühen Forschungsreisen kehrt in "Pigafetta" jedoch nur noch als ironisches Zitat wieder. Aus dem Botaniker und Naturforscher ist ein amerikanischer Pfirsichzüchter geworden, aus dem Kartographen vergangener Forschungsreiser ein Geograph mit Flugangst, für den sich die Umrisse der Kontinente auf See nicht anders darstellen als in seinen Atlanten: schwarze Linien auf blauem Grund. Ein Glücksritter geht unterwegs verloren, den Köchen ist eine besondere Rolle zugedacht: Sie sind es, die dem Generalkapitän Magellan den Tod bereiten, von ihren Kellen droht Gefahr.

Es sind einzelne Motive wie das des Kochs, des Bischofs oder auch der leeren, friedliche Absichten verkündenden Hände, mit denen Felicitas Hoppe einen Ton anschlägt, wie man ihn aus Märchen und Kinderbüchern kennt. Oft ist es nur ein Halbsatz, der dafür sorgt, daß die nüchterne Prosa ins Phantastische gleitet, die realistische Beschreibung ins Gleichnishafte. Hoppe-Sätze sind Kippfiguren. Was sie beschreiben, ist einfach und komplex zugleich wie im Märchen, das viele Deutungen zuläßt. Manches läßt sich auch gar nicht deuten. Walnüsse aus Worten, die ihren Kern nicht freigeben wollen. Dann steht man da, wendet Sätze hin und her, schreitet bedächtig vor ihnen auf und ab, um schließlich wie im Märchen der Gebrüder Grimm von der Blutwurst und der Leberwurst auszurufen: "Hätt' ich dich, dann wollt' ich dich."

Was dieses Buch zum Erlebnis macht, ist eine Sprache, die den Leser betört, aber nicht einlullt. Wer sich vom reinen Klang der Prosa, von ihren genau gesetzten Rhythmen, davontragen läßt, kommt nicht ungestraft davon und wird mancher Nuance verlustig gehen. Felicitas Hoppe gelingen Sätze wie aus biegsamem Glas, einem Material, das es nicht gibt: klar, scharfkantig und zerbrechlich, zugleich opak, geschmeidig und wendig. Die Beweglichkeit dieser Prosa verlangt jedoch

Fortsetzung auf der folgenden Seite

nach einem beweglichen Leser. Er muß die Sprünge innerhalb eines Satzes nachvollziehen: von der realistischen Ebene der modernen Reise ins Märchen über die literarische Anspielung und wieder zurück. Er darf sich nicht täuschen lassen von der Attitüde des Spielerischen, hinter der sich exaktes Kalkül verbirgt. Man könnte "Pigafetta" für ein harmloses Buch halten, das auf vergnügliche Weise zwischen realistischer und phantastischer Darstellung wechselt, mit der Groteske kokettiert und das Spiel mit literarischen Vorläufern als bildungsstolzen Selbstzweck betreibt. Wer so denkt, hat nicht genau genug gelesen.

Dieser kleine Ausflug um die Welt ist auch eine Reise in die Nacht, eine Fahrt ohne Wiederkehr. Raffiniert spielt die Autorin mit den Motiven des Abschiedsbriefes und des verlorenen Sohnes, des Ausreißers, der sich nach der Familienhölle sehnt, der er entfliehen wollte. Unentwegt wechseln Stimmungen und Tonfälle. "Ihr Lieben, es ist nur ein Ausflug, nichts weiter", lautet der erste Satz des Buches. Er läßt an belegte Brote denken, an forsch geschnürte Wanderschuhe, an Thermosflaschen und Taschenmesser an einem heiteren Sonntagmorgen. Aber schon bald zeigt sich auch etwas Tieftrauriges in diesem Roman, Todesmetaphorik und eine Ahnung davon, daß der Urgrund jeder Reise die Vertreibung sein könnte, daß die Kunst des Reisens vor allem eine Schule des Abschiednehmens ist.

Mehr als eine Anspielung verweist auf das Motiv der Schule, mitunter stellt sich die Atmosphäre eines bizarren Klassenausflugs ein, zu dem sich die Einzelgänger und Außenseiter, die Kleinwüchsigen und die Verträumten, die Verschämten und die Menschenfeindlichen unter den Schülern vereint haben, ein windschiefes Häuflein auf hoher See, das unter der Flagge der Namenlosigkeit segelt. Dieser Frachter ist auch ein Schulschiff, auf dem manches gelehrt wird: Nautik und Manieren, das Lotsenhandwerk und Verhaltensregeln im Falle von Piraterie, das "Manöver des letzten Augenblicks" sowie das Bügeln alter Seekarten. Hier erfahren wir, daß man auf Schiffen sparsam liest, Wort für Wort, und daß "zu vernichten ist, was unsere Seelen vernichtet". Hier kann man lernen, was in der "Schule der Navigation" gelehrt wird und wie man alte Teppiche bürstet: "nämlich liebevoll wie das Fell eines ermüdeten Tieres". Hauptfächer aber sind die zweifelhaften Künste des Stotterns und des Überlebens.

Für die erste, den Reflex auf die Angst vor dem drohenden Welt- und Sprachverlust, ist der Mechaniker Nobell zuständig, für letztere Pigafetta. Wie Melvilles Queequeg ist Nobell ein Hüne, wie der tätowierte Harpunier der "Pequod" hütet er eine ganz besondere "Kammer im Wasser", das letzte Schiff, manövrierunfähig und doch das einzige, das sein Ziel nie verfehlen kann, den Sarg. Jeden Abend lauscht die Erzählerin dieser Geschichte: wie einst ein Lehrer Nobell "mit der flachen Hand in den Text schlug, so daß, als er wieder sprechen sollte, alles zerfiel, die Wörter zu Silben und die Silben zu Buchstaben. Dann schickte er ihn nach Hause." Aber Nobell bestieg ein Schiff, wo er, wie alle, die lang genug an Bord bleiben, drei Arten der Seekrankheit kennenlernte: die des Bauches, die des Kopfes und jene des Herzens.

Pigafetta hingegen unterweist die Erzählerin in den "Pflichten der Passagiere" und den Regeln für Notfälle auf See: "Kräfte sparen. Unnötiges Schwimmen vermeiden. An treibenden Gegenständen festhalten. So viel Rettungslicht und Treibholz wie möglich. Daraus einen Kasten bauen mit Kammern darin, und zwar so: Dreihundert Ellen sei die Länge, fünfzig Ellen sei die Weite und dreißig Ellen die Höhe. Obenan ein Fenster machen. Mitten in die Seite eine Tür setzen. Drei Böden einziehen, einen oben, einen in der Mitte, den dritten in der Höhe. Denn siehe, ich will eine Sintflut mit Wasser kommen lassen, alles, was auf Erden ist, soll untergehen, auch die Mönche. Aber du sollst in den Kasten gehen und in den Kasten tun ein Faß Wein und allerlei Tiere und das Ehepaar Happolati, daß sie lebendig bleiben bei dir."

Die Weltumrundungen Pigafettas und der Ich-Erzählerin werden immer wieder übereinandergeblendet, sie verschmelzen miteinander. Was der erste Weltreisende auf seiner Fahrt erlebt hat, taucht in direkten oder verschlüsselten Anspielungen im Bericht der Erzählerin auf, was sie berichtet, wird, seltener, in den Nachtstücken aufgegriffen. Erst in den letzten Nocturnes kann der Leser hören, wie die beiden miteinander reden: Geschwister, die sich Mut zusprechen in den Stunden der Dunkelheit. Ihrer Heimkehr geht ein leichter Abschied voraus, ein letztes leises Gleiten "vom Bug hinunter ins Wasser", und naturgemäß ist der Moment des Wiedersehens nur imaginiert: "Wir schauen ihnen tief in die Augen, direkt auf den Mund, wird sind wieder da, wir geben Versprechen, wir gehen nie wieder weg. Und endlich möchten wir reden, die Erde ist rund, aber bevor wir dazu kommen zu lügen, fallen wir nach hinten gegen die dünnen Wände, und Wörter rieseln aus unseren Mündern wie Sand und wie Salz."

Felicitas Hoppes "Pigafetta" ist eine "Selbstumsegelung" (Kierkegaard), die ihr Zentrum kunstvoll verhüllen will, das literarische Protokoll einer Expedition in die Gefilde der Trostlosigkeit, die sich zwischen den Polen erstrecken, nicht unbekannt, aber unüberschaubar, nicht endlos, aber ausweglos. Manches Motiv in "Pigafetta" ist aus dem Prosaband "Picknick der Friseure" bekannt, mit dem Felicitas Hoppe vor drei Jahren debütierte: die Familie als Ausgangspunkt aller Ereignisse und Konflikte, Außenseitertum und Fernweh, die Schule als Ort surrealer Disziplinierungsspiele, Haubenwahn und Mützenmanie mancher Figuren, die mit Hilfe ihrer Kopfbedeckungen Signale und Botschaften geben, die von niemandem verstanden werden. Für die Prosaminiaturen ihres Debüts hat die Autorin, die 1960 in Hameln geboren wurde und seit etwa zehn Jahren in Berlin lebt, mehrere Auszeichnungen erhalten, unter anderem den "Aspekte"-Literaturpreis. Mit "Pigafetta" hat Felicitas Hoppe das Kap des zweiten Buches, das Grauen eines jeden Schriftstellers, glanzvoll umschifft.

In seiner Studie "Schiffbruch mit Zuschauer" erinnert der Philosoph Hans Blumenberg an Goethes Vergnügen an der Metapher von den Meereswellen, die sich hinter einem Schiff schließen, als sei es nie gewesen. Alles, was auf dem Meer geschieht, heißt es bei Blumenberg, ist, als sei es nicht geschehen. Für die Literatur gilt dies nicht, selbst dann nicht, wenn sie, wie in diesem Fall, zum Teil dort entstanden ist, wo sie handelt, auf See nämlich.

Felicitas Hoppe hat ihr Journal einer Meerfahrt, ein Traumbuch von nüchternster Melancholie, einer Weltreise nachgeschrieben, die sie vor knapp zwei Jahren selbst unternommen hat, als "zahlender Gast" auf dem Containerschiff einer bremischen Schiffahrtsgesellschaft. Sieben Seestücke sind damals in loser Folge in dieser Zeitung erschienen, geschrieben und übermittelt auf hoher See, veröffentlicht, während die Reise noch andauerte. Wer die Texte wahrgenommen hat, wird manches in diesem Buch wiedererkennen, ohne jedoch mehr zu wissen als der unvoreingenommene Leser. Die Meerfahrt mit Pigafetta, wie Felicitas Hoppes erster Roman sie schildert, hat sich nie zugetragen. Sie ist phantastisch im Sinne Thomas Manns. Wer dieses Buch liest, wird es zu jenen raren Dingen zählen, aus denen er sich etwas macht.

Felicitas Hoppe: "Pigafetta". Roman. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999. 156 S., geb., 29,80 DM.

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