Waldbewohner, eine muntere Ansammlung von Tieren aller Art, auf die Suche nach den Dieben macht. Das ist keine große Mühe, denn die Sache ist von Beginn an klar: Zwei Ratten sind die Täter. Am Schluss werden sie gestellt. Auch keine große Aufregung. Aber vom Diebstahl bis zur Rückgewinnung sind zahllose weitere kleine Geschichten erzählt worden. Denn jeder an der Verfolgungsjagd Beteiligte wurde bei seinem Weg durch Hag und Heide, Feld und Flur, Moor, Modder und Morast selbst verfolgt: vom Auge Thé Tjong-Khings, und so kann man die dreißig Seiten immer wieder lesen, weil sich neue Fragen zum Geschehen auftun, die auch beantwortet werden.
Doch genug zu "Die Torte ist weg", denn "Picknick mit Torte" ist ja noch besser. Warum? Weil das neue Buch alle Stärken des alten hat und einen zusätzlichen Twist. Alles, was ich in den zwei Absätzen zuvor über "Die Torte ist weg" gesagt habe, kann man genauso über "Picknick mit Torte" sagen - mit der Ausnahme, dass die Ratten diesmal unschuldig sind. Natürlich werden sie verdächtigt, aber am Schluss erweist sich jemand ganz anderes als Tortendieb.
Niemand möge sich nun Sorgen machen, dass ihm damit zu viel verraten worden wäre. Denn der Geniestreich von Thé Tjong-Khings neuem Buch liegt darin, dass auch der unaufmerksamste Leser schon auf der zweiten Doppelseite weiß, in welche Hände die Leckerei gefallen ist. Spätestens wenn dann die Ratten beschuldigt werden, richtet sich alle Aufmerksamkeit des Publikums auf die wahren Diebe: Die Gerechtigkeit muss doch siegen! Und dadurch vernachlässigt man all die Nebenhandlungen um Schmierfinken, Angeber, Opportunisten, Heuchler, Vielfraße, Versehrte und Angsthasen. Am Ende fühlt man sich ertappt, dass man sich durch eine richtige Spur derart auf die falsche bringen ließ. Das Drama etwa um die amouröse Flatterhaftigkeit einer Katzendame, die am Ende allein bleibt - es entgeht uns, bis wir sie da sitzen sehen.
Thé Tjong-Khing hat auch den Rahmen seiner Erzählung klug variiert. Schilderte der Vorläufer eine Verfolgungsjagd, die sich von Doppelseite zu Doppelseite immer weiter nach rechts verlagerte, so steht im Zentrum der neuen Handlung ein Berg, auf den die Picknickgesellschaft steigt und von dem es dann in entgegengesetzter Richtung wieder heruntergeht, als der Diebstahl bemerkt wird. Und das ist nicht die einzige Variation: Gab es im Vorgänger ein trautes Paar aus Fuchs und Hase, das nur einmal auftauchte, so liest im letzten Bild der Fortsetzung nun die einsame Katzendame zum Trost ein Buch, das von Fuchs und Hase handelt. Mag sein, dass Thé Tjong-Khing es nie schreiben wird, aber ihm ist allein mit diesem Detail das Bild einer unmöglichen Liebe geglückt, wie sie eben nur im Buche steht.
ANDREAS PLATTHAUS
Thé Tjong-Khing: "Picknick mit Torte".
Moritz Verlag, Frankfurt am Main 2008. 32 S., Abb., geb., 12,80 [Euro]. Ab 3 J. und für jedes Alter.
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