Josef Haslinger
Gebundenes Buch
Phi Phi Island
Ein Bericht - Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2007
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Am 26. Dezember 2004 löste ein Seebeben vor der Küste der indonesischen Insel Sumatra eine Flutwelle aus. Der Tsunami tötete und verletzte Hunderttausende, machte unzählige heimatlos, zerstörte ganze Landstriche. Auch die wenige Kilometer vor der Westküste Thailands gelegene Insel Koh Phi Phi wurde von der verheerenden Naturkatastrophe schwer getroffen. Josef Haslinger und seine Familie verbrachten hier ihren Weihnachtsurlaub. Sie überlebten die Katastrophe. "Phi Phi Island" ist ein Augenzeugenbericht des Unglücks.
Josef Haslinger, 1955 in Zwettl/Niederösterreich geboren, lebt in Wien und Leipzig. Seit 1996 lehrt Haslinger als Professor für literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 1995 erschien sein Roman 'Opernball', 2000 'Das Vaterspiel', 2006 'Zugvögel', 2007 'Phi Phi Island'. Sein letztes Buch 'Jáchymov' erschien im Herbst 2011. Haslinger erhielt zahlreiche Preise, zuletzt den Preis der Stadt Wien, den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels und den Rheingau Literaturpreis. 2010 war er Mainzer Stadtschreiber.
Literaturpreise:
Theodor Körner Preis (1980)
Österreichisches Staatsstipendium für Literatur (1982)
Förderungspreis der Stadt Wien (1984)
Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1985)
Österreichisches Dramatikerstipendium (1988)
Elias Canetti-Stipendium der Stadt Wien (1993-94)
Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1994)
Förderungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur (1994)
Preis der Stadt Wien und Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels (2000)
Mainzer Stadtschreiber (2010)
Rheingau Literatur Preis (2011)
Literaturpreise:
Theodor Körner Preis (1980)
Österreichisches Staatsstipendium für Literatur (1982)
Förderungspreis der Stadt Wien (1984)
Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1985)
Österreichisches Dramatikerstipendium (1988)
Elias Canetti-Stipendium der Stadt Wien (1993-94)
Stipendium des Deutschen Literaturfonds (1994)
Förderungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur (1994)
Preis der Stadt Wien und Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels (2000)
Mainzer Stadtschreiber (2010)
Rheingau Literatur Preis (2011)
Produktdetails
- Verlag: S. Fischer Verlag GmbH
- Artikelnr. des Verlages: 1011665
- 2. Aufl.
- Seitenzahl: 208
- Erscheinungstermin: 12. März 2007
- Deutsch
- Abmessung: 210.00mm
- Gewicht: 330g
- ISBN-13: 9783100300591
- ISBN-10: 3100300599
- Artikelnr.: 21476889
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Vier Wiener im Paradies
Josef Haslingers bewegender Bericht über sein Katastrophen-Weihnachten 2004 mitten im südthailändischen Tsunami-Gebiet / Von Eberhard Rathgeb
Am Morgen des 26. Dezember hat Josef Haslingers Ehefrau Edith so etwas wie ein Erdbeben gespürt. Sie dachte sich aber nichts weiter dabei und ging wieder ins Bett.
Phi Phi Island ist eine Inselgruppe in der Andamanensee vor der Westküste von Südthailand. Rund achthundertfünfzig Menschen kamen hier ums Leben, als am 26. Dezember 2004 nach einem Erdbeben im Indischen Ozean das Meer sich aufbäumte und Land überschwemmte. Die durch das Beben ausgelösten Flutwellen haben insgesamt rund 227000 Menschen an den Küsten südasiatischer Regionen
Josef Haslingers bewegender Bericht über sein Katastrophen-Weihnachten 2004 mitten im südthailändischen Tsunami-Gebiet / Von Eberhard Rathgeb
Am Morgen des 26. Dezember hat Josef Haslingers Ehefrau Edith so etwas wie ein Erdbeben gespürt. Sie dachte sich aber nichts weiter dabei und ging wieder ins Bett.
Phi Phi Island ist eine Inselgruppe in der Andamanensee vor der Westküste von Südthailand. Rund achthundertfünfzig Menschen kamen hier ums Leben, als am 26. Dezember 2004 nach einem Erdbeben im Indischen Ozean das Meer sich aufbäumte und Land überschwemmte. Die durch das Beben ausgelösten Flutwellen haben insgesamt rund 227000 Menschen an den Küsten südasiatischer Regionen
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getötet.
Phi Phi Island war vor der Katastrophe ein Touristenparadies gewesen, vor allem für Jugendliche. Sonne, weiße Strände, Palmen, türkisfarbenes Meer, Korallenriffe, Berge. Und ein Flecken Land, auf dem sich Hotels, Bars, Restaurants, Geschäfte für dies und das, Massagesalons sowie Tauch- und Kletterschulen drängelten. Die thailändische Regierung hat diesen Bauboom nicht verhindern können. Die Insel war im Grunde genommen auch ein Platz für tage- und nächtelange Partys. Man mag sich das nicht vorstellen. Wer möchte schon genau wissen, wer in dieses aufgedrehte Naturtouristenparadies aus allen Ecken der Welt hingeflogen ist, als seien zwei, drei Wochen dort am Strand die natürlichste Sache von der Welt.
Einer, der dort hinflog, ist der österreichische Schriftsteller Josef Haslinger gewesen. Er flog mit seiner Familie an Weihnachten 2004 ins Paradies. Die Haslingers wohnen in Wien. Sie wollten zuerst nach Jamaika fliegen, das kannten sie schon. Sie flogen dann aber nach Phi Phi Island, das kannten sie noch nicht. Wer die Welt kennenlernen möchte, muss Ruhe und Zuversicht vor der Welt bewahren können. Sonst kommt man vor Aufregung und Ängstlichkeit nicht vom Fleck, bleibt daheim und liest die ganze Zeit Kant.
Den Hinweis auf dieses neue ferne Reiseziel hatten sie von einer Freundin der Tochter bekommen. Die endgültige Entscheidung fällte die Familie, als sich herausstellte, dass der Flug nach Thailand viel billiger war als der Flug nach Jamaika. Wo der Mensch überall hinkommt, weil es billig ist. Die vier Wiener mieteten sich zwei einander schräg gegenüberstehende Bungalows der komfortablen "Phi Phi Princess"-Anlage, die nahe am Meer lag. So konnten sich Eltern und Kinder von Haus zu Haus sehen. Als das Wasser kam, konnten die Eltern die Kinder rufen.
Am Morgen des 24. Dezember landete die Familie in Bangkok: Josef Haslinger, seine Frau Edith und ihre Zwillingskinder Sophie und Elias, die kurz vor der Matura standen. Es ist schön, dass Eltern mit ihren Kindern in diesem Alter beziehungsweise Kinder in diesem Alter mit ihren Eltern noch Urlaub machen können, ohne sich anzuöden. In dieser Familie muss es gut laufen.
Das Phi Phi Princess Hotel hatte damals, schreibt Josef Haslinger in seinem Bericht über die Ereignisse der kommenden Weihnachtstage, zweihunderteinundzwanzig Gäste. Nach der Katastrophe gab es auf der Homepage des Hotels eine Liste mit den Gästen jenes Unglückstages. Die meisten Gäste waren aus Großbritannien gekommen (wahrscheinlich weil es dort viel regnet), gefolgt von den Gästen aus Deutschland (wahrscheinlich weil es dort viel Urlaubsgeld gibt). Die Haslingers feierten Weihnachten wie gewohnt im Kreis der Familie. Sie standen im elterlichen Bungalow vor einem Weihnachtsbaum aus Plastik, verteilten ihre Geschenke und sangen "O Tannenbaum". Edith Haslinger hatte Kipferln gebacken. Josef Haslinger hat schon auf der Bootsüberfahrt nach Phi Phi Island gefilmt.
Wer nicht durch die weite Welt fliegt, sondern lieber das Klima schützt und deswegen keine weiten Sprünge macht, der sollte sich vor der Lektüre des bewegenden Berichtes einmal Bilder von Phi Phi Island, von der Natur und den Hotelanlagen, ansehen, damit man sich eine bessere Vorstellung davon machen kann, wohin die Haslingers von Wien aus über Weihnachten geflogen sind. Die Haslingers hatten sich vorher Prospekte angesehen, sie wussten also ungefähr, wie es dort aussah und was sie dort erwartete - normalerweise. Das normale Touristenleben auf Phi Phi Island hat ihnen keinen kulturkritischen Schrecken eingejagt, vor allem offenbar den Eltern nicht. Am 25. Dezember verlebten sie daher einen ganz normalen Tag, insofern für Österreicher ein zweiter Weihnachtsfeiertag auf den Phi Phi Islands ganz normal sein kann. Am Morgen des 26. Dezember hat Edith Haslinger so etwas wie ein Erdbeben gespürt. Sie dachte sich aber nichts weiter dabei und ging wieder ins Bett. Später, bei seiner zweiten Fahrt nach Phi Phi Island im Dezember 2005, hat Josef Haslinger einen Mann getroffen, der ihm erzählte, dass er ebenfalls damals früh am Morgen das Erdbeben gespürt habe und nach einem Blick auf das sich zurückziehende Meer mit seiner Familie in die Berge hinaufgegangen sei. Das ist einer der Zeugen der Katastrophe, mit denen Haslinger bei seinem zweiten Aufenthalt auf der Insel sprach, wahrscheinlich sprach er mit anderen darüber, um die eigenen Erlebnisse besser fassen zu können.
Gegen zehn Uhr saß die Familie beim Frühstück im Speisepavillon. Zurück in ihren Bungalows, hörten sie Lärm und sahen Menschen rennen, die offensichtlich in Panik waren. Da rannten sie los. Sie rannten mit den anderen Menschen mit.
Josef Haslinger ist Professor für literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sein Roman "Opernball" hat ihn 1995 einem größeren Publikum bekannt gemacht. Der Roman ist auch verfilmt worden. Die Geschichte handelt von einem Terroranschlag auf den Wiener Opernball. Ein Journalist, der die Live-Übertragung aus den Ballsälen koordinieren soll, beobachtet das Verbrechen auf den Monitoren. Sein Sohn ist unter den Opfern.
Ein Jahr nach dem Tsunami ist Haslinger zusammen mit seiner Frau erneut nach Phi Phi Island gefahren, nicht um Urlaub zu machen, sondern wegen seiner Erinnerungen. Über das Unglück am 26. Dezember 2004 hätte er, der zuerst gar nicht darüber schreiben wollte, einen Roman schreiben können, aber er hat dann, weil es keinen Sinn machte, um das tatsächliche Erleben auf gleichsam erfundenen Umwegen herumzuschleichen, einen im Ton nüchternen, doch gerade in dieser bebenden Nüchternheit noch um Fassung ringenden Bericht geschrieben, dessen Ebenen nicht durchgehend chronologisch aufeinander folgen, sondern kunstvoll, formsinnig ineinandergeschoben sind: Ereignisse und Erlebnisse vom 24. bis zum 28. Dezember 2004 und danach, Erkundungen des verwüsteten und wieder aufgebauten Terrains Anfang Dezember 2005, Gespräche und Nachforschungen.
Die Familie Haslinger überlebte, körperlich weitgehend unversehrt, abgesehen von zahlreichen Schnittwunden. Sie hatten, während sie mit den anderen Menschen zu einer Treppe rannten, die sie nach oben in vorläufige Sicherheit bringen sollte, nicht zusammenbleiben können. Die Wassermassen und die Menschenmenge hatten die Familie auseinandergerissen. Die vier haben sich rasch wiedergefunden. Sie alle haben Augenblicke in der Flut erlebt, in denen sie davon ausgingen, dass sie sterben würden. In der Not fanden sich schnell Menschen, die halfen.
Die Haslingers kamen nach wenigen Tagen zurück nach Hause, waren aber noch nicht daheim angekommen: Sie wurden von Träumen und Panikattacken geplagt. Hotels und Anlagen auf Phi Phi Island locken wieder Touristen an.
Als Josef Haslinger mit seiner Frau das zweite Mal nach Phi Phi Island flog, hatte er Angst, dass diese Reise kein glückliches Ende nehmen würde. Während er seinen Koffer packte, stellte er beunruhigt fest, dass er nur schwarze Kleider einpackte. Er tauschte sie daraufhin, über seinen Aberglauben den Kopf schüttelnd, gegen einige bunte Kleider um.
Man kann nicht leben, wenn man alles schwarzsieht. Hoffentlich findet Haslingers Bericht viele Leser.
Josef Haslinger: "Phi Phi Island". Ein Bericht. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 204 S., geb., 17,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Phi Phi Island war vor der Katastrophe ein Touristenparadies gewesen, vor allem für Jugendliche. Sonne, weiße Strände, Palmen, türkisfarbenes Meer, Korallenriffe, Berge. Und ein Flecken Land, auf dem sich Hotels, Bars, Restaurants, Geschäfte für dies und das, Massagesalons sowie Tauch- und Kletterschulen drängelten. Die thailändische Regierung hat diesen Bauboom nicht verhindern können. Die Insel war im Grunde genommen auch ein Platz für tage- und nächtelange Partys. Man mag sich das nicht vorstellen. Wer möchte schon genau wissen, wer in dieses aufgedrehte Naturtouristenparadies aus allen Ecken der Welt hingeflogen ist, als seien zwei, drei Wochen dort am Strand die natürlichste Sache von der Welt.
Einer, der dort hinflog, ist der österreichische Schriftsteller Josef Haslinger gewesen. Er flog mit seiner Familie an Weihnachten 2004 ins Paradies. Die Haslingers wohnen in Wien. Sie wollten zuerst nach Jamaika fliegen, das kannten sie schon. Sie flogen dann aber nach Phi Phi Island, das kannten sie noch nicht. Wer die Welt kennenlernen möchte, muss Ruhe und Zuversicht vor der Welt bewahren können. Sonst kommt man vor Aufregung und Ängstlichkeit nicht vom Fleck, bleibt daheim und liest die ganze Zeit Kant.
Den Hinweis auf dieses neue ferne Reiseziel hatten sie von einer Freundin der Tochter bekommen. Die endgültige Entscheidung fällte die Familie, als sich herausstellte, dass der Flug nach Thailand viel billiger war als der Flug nach Jamaika. Wo der Mensch überall hinkommt, weil es billig ist. Die vier Wiener mieteten sich zwei einander schräg gegenüberstehende Bungalows der komfortablen "Phi Phi Princess"-Anlage, die nahe am Meer lag. So konnten sich Eltern und Kinder von Haus zu Haus sehen. Als das Wasser kam, konnten die Eltern die Kinder rufen.
Am Morgen des 24. Dezember landete die Familie in Bangkok: Josef Haslinger, seine Frau Edith und ihre Zwillingskinder Sophie und Elias, die kurz vor der Matura standen. Es ist schön, dass Eltern mit ihren Kindern in diesem Alter beziehungsweise Kinder in diesem Alter mit ihren Eltern noch Urlaub machen können, ohne sich anzuöden. In dieser Familie muss es gut laufen.
Das Phi Phi Princess Hotel hatte damals, schreibt Josef Haslinger in seinem Bericht über die Ereignisse der kommenden Weihnachtstage, zweihunderteinundzwanzig Gäste. Nach der Katastrophe gab es auf der Homepage des Hotels eine Liste mit den Gästen jenes Unglückstages. Die meisten Gäste waren aus Großbritannien gekommen (wahrscheinlich weil es dort viel regnet), gefolgt von den Gästen aus Deutschland (wahrscheinlich weil es dort viel Urlaubsgeld gibt). Die Haslingers feierten Weihnachten wie gewohnt im Kreis der Familie. Sie standen im elterlichen Bungalow vor einem Weihnachtsbaum aus Plastik, verteilten ihre Geschenke und sangen "O Tannenbaum". Edith Haslinger hatte Kipferln gebacken. Josef Haslinger hat schon auf der Bootsüberfahrt nach Phi Phi Island gefilmt.
Wer nicht durch die weite Welt fliegt, sondern lieber das Klima schützt und deswegen keine weiten Sprünge macht, der sollte sich vor der Lektüre des bewegenden Berichtes einmal Bilder von Phi Phi Island, von der Natur und den Hotelanlagen, ansehen, damit man sich eine bessere Vorstellung davon machen kann, wohin die Haslingers von Wien aus über Weihnachten geflogen sind. Die Haslingers hatten sich vorher Prospekte angesehen, sie wussten also ungefähr, wie es dort aussah und was sie dort erwartete - normalerweise. Das normale Touristenleben auf Phi Phi Island hat ihnen keinen kulturkritischen Schrecken eingejagt, vor allem offenbar den Eltern nicht. Am 25. Dezember verlebten sie daher einen ganz normalen Tag, insofern für Österreicher ein zweiter Weihnachtsfeiertag auf den Phi Phi Islands ganz normal sein kann. Am Morgen des 26. Dezember hat Edith Haslinger so etwas wie ein Erdbeben gespürt. Sie dachte sich aber nichts weiter dabei und ging wieder ins Bett. Später, bei seiner zweiten Fahrt nach Phi Phi Island im Dezember 2005, hat Josef Haslinger einen Mann getroffen, der ihm erzählte, dass er ebenfalls damals früh am Morgen das Erdbeben gespürt habe und nach einem Blick auf das sich zurückziehende Meer mit seiner Familie in die Berge hinaufgegangen sei. Das ist einer der Zeugen der Katastrophe, mit denen Haslinger bei seinem zweiten Aufenthalt auf der Insel sprach, wahrscheinlich sprach er mit anderen darüber, um die eigenen Erlebnisse besser fassen zu können.
Gegen zehn Uhr saß die Familie beim Frühstück im Speisepavillon. Zurück in ihren Bungalows, hörten sie Lärm und sahen Menschen rennen, die offensichtlich in Panik waren. Da rannten sie los. Sie rannten mit den anderen Menschen mit.
Josef Haslinger ist Professor für literarische Ästhetik am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sein Roman "Opernball" hat ihn 1995 einem größeren Publikum bekannt gemacht. Der Roman ist auch verfilmt worden. Die Geschichte handelt von einem Terroranschlag auf den Wiener Opernball. Ein Journalist, der die Live-Übertragung aus den Ballsälen koordinieren soll, beobachtet das Verbrechen auf den Monitoren. Sein Sohn ist unter den Opfern.
Ein Jahr nach dem Tsunami ist Haslinger zusammen mit seiner Frau erneut nach Phi Phi Island gefahren, nicht um Urlaub zu machen, sondern wegen seiner Erinnerungen. Über das Unglück am 26. Dezember 2004 hätte er, der zuerst gar nicht darüber schreiben wollte, einen Roman schreiben können, aber er hat dann, weil es keinen Sinn machte, um das tatsächliche Erleben auf gleichsam erfundenen Umwegen herumzuschleichen, einen im Ton nüchternen, doch gerade in dieser bebenden Nüchternheit noch um Fassung ringenden Bericht geschrieben, dessen Ebenen nicht durchgehend chronologisch aufeinander folgen, sondern kunstvoll, formsinnig ineinandergeschoben sind: Ereignisse und Erlebnisse vom 24. bis zum 28. Dezember 2004 und danach, Erkundungen des verwüsteten und wieder aufgebauten Terrains Anfang Dezember 2005, Gespräche und Nachforschungen.
Die Familie Haslinger überlebte, körperlich weitgehend unversehrt, abgesehen von zahlreichen Schnittwunden. Sie hatten, während sie mit den anderen Menschen zu einer Treppe rannten, die sie nach oben in vorläufige Sicherheit bringen sollte, nicht zusammenbleiben können. Die Wassermassen und die Menschenmenge hatten die Familie auseinandergerissen. Die vier haben sich rasch wiedergefunden. Sie alle haben Augenblicke in der Flut erlebt, in denen sie davon ausgingen, dass sie sterben würden. In der Not fanden sich schnell Menschen, die halfen.
Die Haslingers kamen nach wenigen Tagen zurück nach Hause, waren aber noch nicht daheim angekommen: Sie wurden von Träumen und Panikattacken geplagt. Hotels und Anlagen auf Phi Phi Island locken wieder Touristen an.
Als Josef Haslinger mit seiner Frau das zweite Mal nach Phi Phi Island flog, hatte er Angst, dass diese Reise kein glückliches Ende nehmen würde. Während er seinen Koffer packte, stellte er beunruhigt fest, dass er nur schwarze Kleider einpackte. Er tauschte sie daraufhin, über seinen Aberglauben den Kopf schüttelnd, gegen einige bunte Kleider um.
Man kann nicht leben, wenn man alles schwarzsieht. Hoffentlich findet Haslingers Bericht viele Leser.
Josef Haslinger: "Phi Phi Island". Ein Bericht. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007. 204 S., geb., 17,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Weit mehr als nur ein Bericht über sein persönliches Erleben der Tsunamikatastrophe sei Josef Haslinger hier gelungen, anerkennt Rezensent Oliver Pfohlmann. Ein Jahr, nachdem der Autor mit seiner Familie die Naturkatastrophe überlebt habe, sei er in einer Art "Traumabewältigung" wieder zum Ort des Geschehens gereist und habe anschließend das Buch geschrieben. Die Gliederung des Stoffes sei durch das Bemühen bestimmt, während des Schreibprozesses ein Verständnis für das zu gewinnen, was als chaotische Erinnerungsschnipsel, spätere Informationen und Albträume, aber auch an Bildern aus einer wiedergefundenen Kamera als Grundmaterial der Recherche vorliege. Immer "hektischer" springe der Erzähler zwischen den verschiedenen Zeitebenen hin und her. Die "Akribie", mit der auch noch die kleinsten Details festgehalten würden, führt der Rezensent auf die so drängende wie unerklärliche Frage zurück, warum ausgerechnet man selbst überlebt habe. Wichtig für die Kraft von Haslingers "hochreflexivem" Rekonstruktionsversuch, so der Rezensent, seien auch die vielen Stimmen von anderen Überlebenden, die er zu Wort kommen lasse.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Ein mitreißender Bericht über den Tsunami. Ohne dabei reißerisch zu sein. Haslinger schildert die Flutkatastrophe aus eigenem Erleben, und es gelingt ihm dabei ein sehr persönlicher und bewegender Bericht, der das unermessliche Ausmaß des Ereignisses auf konkrete Menschen …
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Ein mitreißender Bericht über den Tsunami. Ohne dabei reißerisch zu sein. Haslinger schildert die Flutkatastrophe aus eigenem Erleben, und es gelingt ihm dabei ein sehr persönlicher und bewegender Bericht, der das unermessliche Ausmaß des Ereignisses auf konkrete Menschen herunterbricht. Ein Buch, das mich sehr bewegt hat.
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Vielfach wurde Haslinger, nachdem er und seine Familie, abgesehen von den kleineren körperlichen Blessuren, den Tsunami auf Phi Phi Island überlebten und relativ gesund nach Österreich zurückkehrten, darauf angesprochen, er hätte ja nun DEN Stoff für einen neuen Roman. …
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Vielfach wurde Haslinger, nachdem er und seine Familie, abgesehen von den kleineren körperlichen Blessuren, den Tsunami auf Phi Phi Island überlebten und relativ gesund nach Österreich zurückkehrten, darauf angesprochen, er hätte ja nun DEN Stoff für einen neuen Roman. Lange Zeit hatte er jedoch nicht die Absicht, über das Erlebte zu schreiben. Und dann schrieb er (s)einen Bericht, um das Trauma zu verarbeiten, seine persönliche Therapie. So besuchte er gemeinsam mit seiner Frau ein Jahr später den Ort der Katastrophe noch einmal. Er wollte einfach das Geschehene verstehen lernen und wissen wie das Leben in dem einstigen Urlaubsparadies weitergeht und die Menschen vor Ort mit der Situation leben. Im Buch selbst wirkt es stellenweise so, als suche er für diese Veröffentlichung eine Rechtfertigung.
Abwechselnd berichtet Haslinger von den Geschehnissen während und nach dem Tsunami bis zur glücklichen Heimreise, von seinen Eindrücken auf der zweiten Reise nach Phi Phi Island und von seinen Gedanken und Empfindungen während des Schreibens. Einfach, schnörkellos, nüchtern und ohne große Worte beschreibt er, wie eine Katastrophe über sich, seine Familie und tausende andere Menschen hereinbrach. Aber genau dieser Stil ist es, der beim Leser eine Gänsehaut auslöst und den Schrecken greifbar macht. Der Autor schildert die Dinge nicht nur aus seiner Sicht, er lässt andere Betroffene zu Wort kommen und setzt denen, die nicht das Glück hatten zu überleben, mit seinem Bericht ein Denkmal.
Der gesamte Bericht ist konsequent in Kleinbuchstaben geschrieben. Kein Großbuchstabe ziert den Satzbeginn oder den Eigennamen. Ich war zunächst etwas verwundert, gestört hat es mich nicht. Im Buch folgt auch noch eine Erklärung zu der ungewohnten Schreibweise.
Phi Phi Island ist der pathosfreie Bericht eines vom Tsunami betroffenen Autors. Er grenzt sich wohltuend von den sogenannten Schicksalsromanen ab, heischt nicht nach zusätzlichen Effekten und drückt nicht durch schwülstige Worte auf die Tränendrüsen. Emotionen werden beim Leser ausschließlich durch sehr sachliche Berichterstattung und das dadurch einsetzende "Kopfkino" erzeugt. Josef Haslingers Bericht ist äußerst lesens- und empfehlenswert.
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eBook, ePUB
Normalerweise sollte man keine schlechte Bewertung abgeben bei einem Werk, welches auf der Tatsache basiert, eine der schrecklichsten Katastrophen überlebt zu haben. Dennoch ist das Werk von der Art des Schreibens davon zu unterscheiden, wie es den Inhalt repräsentiert. Eines der …
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Normalerweise sollte man keine schlechte Bewertung abgeben bei einem Werk, welches auf der Tatsache basiert, eine der schrecklichsten Katastrophen überlebt zu haben. Dennoch ist das Werk von der Art des Schreibens davon zu unterscheiden, wie es den Inhalt repräsentiert. Eines der schlechtesten Bücher, die ich je gelesen habe. Ein detaillverliebter Bericht, emotionslos und unempathisch, spießig zum Teil und vom zu erwartenden Thema und Inhalt weit entfernt. Ein Reiseführer im besten Falle und eine nüchterne Betrachtung von Trivialem, kombiniert mit einem Durcheinander der Abläufe. Wissend, um die Kleinschreibung, strengt es an und wäre vom Lektorat sicher besser bedient, wenn man dies geändert hätte. Es gibt Menschen, die möchte man nicht persönlich kennen lernen und ich fürchte, die beschriebenen Personen gehören für mich dazu. Dennoch ist es vll die Art der Verarbeitung, die es ganz persönlich gebraucht hat. Mein Mitgefühl ist dennoch vorhanden und wenn es dem Autor dadurch besser geht, hat das Buch seinen Zweck erfüllt.
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