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For most of human history, paternity was uncertain. Blood types, fingerprinting, and, recently, DNA analysis promised to solve the riddle of paternity. But even genetic certainty did not end the quest for the father. Rather, as Nara Milanich reveals, it confirms the social, cultural, and political nature of the age-old question: Whös your father?

Produktbeschreibung
For most of human history, paternity was uncertain. Blood types, fingerprinting, and, recently, DNA analysis promised to solve the riddle of paternity. But even genetic certainty did not end the quest for the father. Rather, as Nara Milanich reveals, it confirms the social, cultural, and political nature of the age-old question: Whös your father?
Autorenporträt
Nara B. Milanich is Professor of History at Barnard College, Columbia University, where she teaches courses on the history of family, gender, and childhood. She has held fellowships from the American Council of Learned Societies and the National Endowment for the Humanities and was a fellow at the Heyman Center for the Humanities at Columbia University. Her previous book, Children of Fate, won the Grace Abbott Book Award from the Society for the History of Children and Youth.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.10.2019

Wer soll als legitimer Erbe gelten?
Nara B. Milanich zeigt, wie der biologische Nachweis von Vaterschaft auf den Weg kam

Ungeklärte Vaterschaften lassen die Öffentlichkeit selten kalt: Der Leichnam Salvador Dalís wurde 2017 exhumiert, doch die vorgebliche Tochter war nicht die seine. James Hewitt, ehemals Liebhaber von Prinzessin Diana, muss regelmäßig abstreiten, dass er, trotz der roten Haare, der Vater von Prinz Harry sei. Und die deutsche Leserschaft erfuhr nach dem Tode von Ferdinand Piëch, dass ein Sohn seines Cousins in Wirklichkeit sein eigenes dreizehntes Kind ist. Mother's baby, father's maybe: Klaffen biologische und soziale Vaterschaft auseinander, birgt das der Historikerin Nara B. Milanich zufolge Sprengstoff weit über prominente Fälle hinaus. Denn die väterliche Abstammung zu bestimmen, so schreibt sie in ihrem Buch, bedeutet mehr, als eine Person biologisch einzuordnen und ihr einen Ast am Stammbaum zuzuteilen. Es erfüllt gesellschaftliche Funktionen. Die Frage "Wer ist der Vater?" sei daher auch wenig zielführend. Vielmehr müsse es heißen: Zu welchem Zweck wird sie gestellt? Dabei kommen gewisse Beweggründe bei allem historischen Wandel nie aus der Mode. Der Rechtsstreit um Unterhalt oder Erbschaft gehört ebenso dazu wie die Disziplinierung von Körper und Moral, vor allem jener von Frauen und der Arbeiterschicht. Dagegen spielte lange eine untergeordnete Rolle, was heute aus den Debatten um Vaterschaft nicht mehr wegzudenken ist: das genetische Erbe und das Recht, die eigene Herkunft zu kennen.

So ist das Ziel des leicht lesbaren, gelegentlich fesselnden Buches dann auch weniger eine Wissenschafts- denn eine Geistesgeschichte der Vaterschaft, die den Weg zur heute sehr profitträchtigen DNA-Industrie beschreiben will. Die Ankündigung, einen großen kulturwissenschaftlichen Bogen zu spannen, so viel sei vorweggenommen, löst das Buch nicht ein. Glücklicherweise, denn die anfänglich dargebotenen kulturellen Motive, die sich vom heiligen Antonius über Shakespeare bis zum Code Napoléon erstrecken, sind zu beliebig, um ein tragfähiges Gerüst zu liefern. Nach dem ersten Kapitel wird es dann spannend. Da Vaterschaft immer nur auszuschließen, nie aber zu beweisen war, wird über Jahrhunderte mit Indizien gearbeitet: Wer die Amme zahlte oder dem Kind gar ähnlich sah, würde wohl schon der Vater sein. Die meisten Rechtssysteme nahmen dabei Ungerechtigkeiten wissentlich in Kauf, wenn es nur den sozialen Frieden sicherte: Galt der Ehemann immer als Vater des Kindes seiner Gattin, stellte das Ehen und Versorgung nicht in Frage. Konnte der Kolonialherr die Vaterschaft abstreiten, löste sich das Problem von "Mischlingskindern" von ganz allein.

Das erste Viertel des zwanzigsten Jahrhunderts, als die Blutgruppen bestimmt werden können und ihr Vererbungsmuster erkannt wird, läutet den Wandel von der sozialen zur biologischen Vaterschaft ein. Die neue Forschung soll Schneisen der Ordnung in die zunehmend unübersichtlichen Milieus dieser Welt schlagen, in der Geburtskliniken Neugeborene vertauschen und Männer ohne Identität, aber mit Gedächtnisverlust infolge des Weltkriegs, umherirren. Methoden, die Verwandtschaft zumindest ausschließen zu können, erscheinen als Verheißung.

Die Bedeutung der Blutuntersuchungen bei der Väterforschung, vor allem aber deren Gefahren, bildet den Schwerpunkt des Buches. Da nur eine bekannte Abstammung die Zugehörigkeit zur Volksgruppe belegt, sei der Vaterschaftstest von den "Rassentheorien", insbesondere des "Dritten Reichs", kaum zu trennen: "race helped to define what paternity was". Im unübersetzbaren und im Englischen nicht inkriminierten Begriff "race" spiegelt sich das Gegenwartsinteresse der Autorin: Vaterschaft und Volk gehen oft unheilvolle Beziehungen ein, deren Nachleben die Historikerin über 1945 hinaus erkennt. Die Einwanderungsbehörden der Vereinigten Staaten verlangten in den fünfziger Jahren eine Blutuntersuchung ausschließlich von chinesischen Einwanderern, manchmal Jahrzehnte nach deren Einbürgerung, um "paper immigration", die Einreise als angeblicher Spross bereits eingebürgerter Eltern, zu beenden. Es drohte die massenhafte Annullierung von Staatsbürgerschaften. Und im engagierteren Ton der Autorin spiegelt sich ihr Wille zu überhistorischen Analogien. Das tut der historischen Analyse zwar keinen Abbruch, hätte aber, wie das Buch insgesamt, von mehr methodischer Schärfe profitiert.

Denn die besprochenen Geschichten sind oft prägnant und bewegend. So wächst, um ein Beispiel zu nennen, Remo Cipolli als Sohn einer verheirateten Italienerin und eines schwarzen amerikanischen Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg im Waisenhaus auf. Sein gesetzlicher Vater, der Mann seiner Mutter, klagt, verliert, will den Jungen aber trotzdem nicht, seinen Erzeuger lernt er nie kennen. An diesen, wie auch einigen anderen Stellen, hätte sich mehr Aufmerksamkeit gegenüber der Gefühlsgeschichte gelohnt, denn in Konstellationen wie jenen Cipollis vermischt sich privates Unglück mit dem Verhältnis der Bürger zum sprichwörtlichen Vater Staat auf besonders eindringliche Weise. Dank der Wahl solch eingängiger Fallstudien ergibt sich dann auch die im angloamerikanischen Raum geschätzte gradlinige Erzählung. Allerdings stellt sich mit zunehmender Seitenzahl die Frage, ob sich die Vaterschaftstests, die von Deutschland und Italien nach Brasilien und Hong-Kong reichen, wirklich so verknüpfen lassen, wie es hier geschieht. Die Primärquellen sind überwiegend in englischer Übersetzung angegeben, was suggeriert, Begriffe der Vaterschaft seien universell, und zudem die Vielsprachigkeit der gut dargestellten internationalen "scientific community" überblendet.

Das Buch bietet dennoch anregende Lektüre und interessante Seitenblicke, beispielsweise auf die oft weniger beachtete Geschichte Brasiliens und Argentiniens, deren Wissenschaftler entscheidend an der frühen Forschung zu Bluttests beteiligt waren. Milanichs grundlegende Aussage, dass sich in der Suche nach dem Vater die Moderne offenbart, erweist sich als schlüssig. Die Biologie ließ keine der alten Institutionen wie Ehe oder Religion, die das Zusammenleben auch bei ungeklärten Umständen schützen sollten, unangetastet. Heute gibt es mit den Vaterschaftstests, die online zu kaufen sind, die ganz persönliche Ursprungsforschung to go: eindeutig, schnell und jedem zugänglich. An der Schwelle zur Moderne, in Lessings aufklärerischem Drama "Nathan der Weise", hieß es einmal: "Macht denn nur das Blut den Vater?" Die Antwort der Moderne: ein entschiedenes Jein.

KERSTIN MARIA PAHL.

Nara B. Milanich: "Paternity". The Elusive Quest for the Father.

Harvard University Press, London, Cambridge/Mass. 2019. 360 S., geb., 31,50 [Euro].

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