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Nach seinem Tod hinterließ Victor Hugo kistenweise Notizbücher, Skizzenhefte und Manuskriptentwürfe, von denen er einige unter dem Titel Ozean veröffentlicht wünschte. Aus anderem nachgelassenen Material erstellten seine späteren Herausgeber die Sammlung Choses vues. Diese Aufzeichnungen und Beobachtungen decken fast die gesamte Lebenszeit von Victor Hugo ab - von seinen frühen Jahren als romantischer Dichter über die Zeit seines politischen Engagements, von seinem Exil bis zu seiner Rückkehr nach Frankreich und seinem Ruhm als Dichter der Nation. Aus nächster Nähe erfährt man von der…mehr

Produktbeschreibung
Nach seinem Tod hinterließ Victor Hugo kistenweise Notizbücher, Skizzenhefte und Manuskriptentwürfe, von denen er einige unter dem Titel Ozean veröffentlicht wünschte. Aus anderem nachgelassenen Material erstellten seine späteren Herausgeber die Sammlung Choses vues. Diese Aufzeichnungen und Beobachtungen decken fast die gesamte Lebenszeit von Victor Hugo ab - von seinen frühen Jahren als romantischer Dichter über die Zeit seines politischen Engagements, von seinem Exil bis zu seiner Rückkehr nach Frankreich und seinem Ruhm als Dichter der Nation. Aus nächster Nähe erfährt man von der Revolution von 1848, von den Barrikadenkämpfen und den Debatten in der politischen Arena, in der er selbst als eine Hauptperson agierte und so dem Volk ebenso nahe kam wie den Herrschenden der Zeit. Mit großer Präzision beschreibt er das Elend auf den Straßen von Paris und den Glanz der Salons sowie seine ausgedehnten Reisen nach Deutschland, auf denen sich die Idee eines vereinten Europas abzuzeichnen beginnt.Der reich illustrierte und ausführlich kommentierte Band bietet, erstmals in deutscher Sprache, einen umfassenden und repräsentativen Querschnitt durch Hugos nachgelassene Prosa aus Ozean und Choses vues - ein fesselndes literarisches Dokument und eine einzigartige Quelle zur Geschichte des 19. Jahrhunderts.
Autorenporträt
Victor Hugo, 1802 in Besançon geboren, verfasste Gedichte, Romane und Dramen und betätigte sich als literarischer, aber auch politischer Publizist. 1845 von König Louis-Philippe zum Vicomte und Pair erhoben, wurde er in seinem zweiten Lebensabschnitt überzeugter Republikaner. Er gilt neben Molière, Voltaire und Balzac als einer der wichtigsten Autoren Frankreichs sowie als eine Gallionsfigur der Romantik. Seine Romane Der Glöckner von Notre Dame und Les Misérables sind weltberühmt. Hugo starb 1885 in Paris.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension

Rezensent Tilman Krause ehrt den - wenn man die Franzosen fragt - wichtigsten Dichter Frankreichs mit einem ausführlichen Porträt. Denn wenngleich Hugos manchmal doch recht hochtrabender Ton und sein "Hang zur Pose" moderne Leser mitunter belustigen mag, so zeichnet er sich doch durch mindestens zwei Qualitäten aus, die in der vorliegenden Sammlung von Tagebucheinträgen, Erfahrungsberichten und Skizzen ganz besonders zum Tragen kommen: Seine große Beobachtungsgabe und seine Fähigkeit zur Empathie. Erstere beweist er etwa in jenen Passagen, die Krause die spannendsten des Bandes nennt: Hier beschreibt Hugo die Ereignisse des Jahres 1848 präzise und unterhaltsam, und zwar nicht aus jener Außenseiterposition, die ein deutscher Dichter seines Ranges wohl traditionellerweise eingenommen hätte, sondern aus nächster Nähe. Hugo nämlich hatte sich, so Krause, bis in die höchsten politischen Ränge seiner Zeit hochgearbeitet, wobei diese hohe Position niemals seine Nähe und Liebe zum Volk mindern konnte, die er denn auch oft, und mit viel Pathos auszudrücken wusste. Dass Hugo tatsächlich eine große Fähigkeit zur Empathie besaß, und zwar nicht nur für die Seinen, kommt vor allem in seinen berührenden Justiz-Reportagen aus den französischen Gefängnissen, die er besucht hat, zum Ausdruck - Reportagen, die der Rezensent als die "große Entdeckung" dieses Buches bezeichnet. Aber sie drückt sich auch in jenen Passagen aus, in denen Hugo über den Verlust seiner Kinder klagt. Leider bekommen wir gerade von dieser Seite Hugos - vom privaten, liebenden Vater Hugo, nicht ganz so viel zu sehen, wie man es sich gewünscht hätte von diesem ansonsten grandiosen Band, so der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.07.2023

Dieser Mann ist mehr als ein Kontinent

Ein Jahrhundert im Blick eines seiner größten Schriftsteller: Die fabelhafte Sammlung "Ozean" mit den Beobachtungen von Victor Hugo.

Mehr Meer war selten. "Wer mich kennen will, muss nach Guernsey kommen", schrieb Victor Hugo, als er von 1851 bis 1870 im Exil lebte, erst in Brüssel, dann drei Jahre auf Jersey und fünfzehn Jahre auf Guernsey. Die Kanalinseln machten ihn zum "wilden Streuner am Meer" und zum Gesamtkünstler, hier wurde nach der langen Trauer um die 1843 ertrunkene Tochter Léopoldine und angesichts des akuten Zorns auf Napoléon III. und das Zweite Französische Kaiserreich eine überbordende Kreativität freigesetzt: Hugo schrieb als "Strandmensch" unter anderem die gewaltigen Romane "Les Misérables" und "Les Travailleurs de la mer", organisierte Fotoserien, die ihn auf einem Felsen in der Pose des ewigen Verbannten zeigen, schuf Hunderte Zeichnungen großer Wellen, Klippen, Schiffbrüche und Dämonen sowie den bühnengleichen Wohnsitz Hauteville House. In den Sechzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts erreichte Post aus aller Welt ihn unter der Adresse "Im Ozean"; die Bibliothèque Nationale de France richtete 2002 zu seinem zweihundertsten Geburtstag die Ausstellung "Victor Hugo - L'homme-océan" aus.

Auch Menschenmassen verglich Hugo mit einem Meer. Und da er so lange inmitten des Ozeans "am Abgrund" lebte und ins Offene ging, erschien ihm seine Arbeit "wie ein Meer" und ein "riesiger Horizont". 1846 und noch einmal 1859 bat er seine Kinder, nach seinem Tod jede Linie, jeden Vers seiner Tagebücher unter dem Titel "Océan" zusammenzufassen und stets zu zweit daran zu arbeiten, damit nichts verloren gehe. Das "Testament littéraire" von 1875 bekräftigte diesen Auftrag an die Nachlassverwalter. Postum erschienen auch Hugos Tagebücher, "Choses vues", die er von 1830 bis drei Tage vor seinem Tod im Jahr 1885 führte; ihr letzter Eintrag lautet: "Lieben heißt handeln."

Diese Zeitdokumente von Rang sind nun erstmals in deutscher Übersetzung erschienen, zusammen mit Notaten aus weiteren Heften wie den "Carnets intimes" von 1870/71. Das 974 Seiten umfassende Buch "Ozean - Dinge, die ich gesehen habe" ist in Auswahl und Übersetzung von Alexander Pschera mit zahlreichen Bildtafeln sowie Einleitung und Anmerkungen des Herausgebers erschienen - als beherzter Auftakt eines Hugo-Schwerpunkts beim Verlag Matthes & Seitz.

1802 als dritter Sohn einer royalistischen Bretonin und eines Offiziers der napoleonischen Armee geboren, sah sich Hugo "mit dem Jahrhundert gehen". Er erlebte als Franzose die Kriege Bonapartes, zwei Kaiser, drei Könige, die ersten Aufstände des Industriezeitalters und zwei Revolutionen, zwei Republiken, den Deutsch-Französischen Krieg, die Belagerung von Paris und die Kommune; in seine Zeit fielen Kriegsbeteiligungen auf der Krim und in Italien sowie kolonialistische Feldzüge bis nach Afrika, Vorderasien, den Fernen Osten und Mexiko. Wann immer er die Menschenrechte gefährdet sah, mischte er sich ein und wurde im Kampf gegen Todesstrafe, soziales Elend, Sklaverei und Unterdrückung um Hilfe gebeten. Er notierte schreibend und zeichnend in Heften und auf losen Blättern alles, was er sah, erfuhr und dachte. Ohne Feder in der Hand kann man ihn sich nicht vorstellen, und alles, was aus seiner Feder kam, verbuchte und verwaltete er höchst pedantisch.

Seine in unregelmäßiger Folge verfassten Aufzeichnungen und verstreuten Notizen, die nun in dieser klugen, gewichtigen Auswahl auf Deutsch vorliegen, reagieren auf politische und kulturelle Ereignisse, auf familiäre Vorkommnisse und dramatische Verluste; es sind Werkstattskizzen, Alltags- und Reisebetrachtungen, "Meditationen über das Pflaster von Paris", Beobachtungen von Natur und Klima, Traumnotizen. Außerdem führte Hugo Listen aller Haushaltsumsätze bis auf den letzten Sou, verschlüsselte jedoch Ausgaben für Liebesdienste oder Geschenke an seine Gefährtin Juliette Drouet, die ihn fünfzig Jahre lang umsorgte, ihm 1851 zur Flucht verhalf und seine Manuskripte kopierte. Auf pikante Details wie diese verzichtet der diskrete Herausgeber.

Das Buch "Ozean" schlägt im wechselnden Takt von Stunden, Tagen, Wochen, Monaten und Jahren eine Schneise durch die Gedankenwelt Hugos. Nicht als historisch-kritische Edition, sondern als souverän präsentierte Leseausgabe bringt es Hugo dem deutschsprachigen Publikum nahe und zeigt einen Jahrhundertmenschen, dessen Aufzeichnungen die eigene Zeit einfangen und über diese hinausweisen. Die Mikrogeschichte des Alltags oder auch Chronik der Ereignisse und Empfindungen reicht von 1825 (mit einem erst viele Jahre später verfassten Augenzeugenbericht über die Krönung des letzten Bourbonenkönigs Charles X. in Reims) bis zu augenblicklich niedergeschriebenen Bemerkungen im "Schreckensjahr" 1870/71 sowie letzten Gedanken in Erwartung der Ewigkeit. Das lange neunzehnte Jahrhundert erschließt sich aus Enthusiasmus und Empörung, aus Hoffnungen, Zweifeln und Widersprüchen eines Autors, dem wie niemandem sonst Verehrung, Neid und Hass entgegenschlugen: dem jungen, noch royalistischen Hugo, der als Anführer der romantischen Bewegung 1830 mit der "Schlacht" um das Drama "Hernani" - Ausgangsdatum der "Choses vues" - ins Rampenlicht des Pariser Kulturbetriebs trat, wie dem älteren Hugo als engagiertem Dichter und Intellektuellen, der sich in Parlamentsreden und dann von seiner Insel aus in offenen Briefen an Minister, Könige und Kaiser, an Besatzungsarmeen, ja ganze Nationen wandte.

Im unbeirrbaren Glauben an die Ideale der Französischen Revolution, die zukünftigen Vereinigten Staaten von Europa und den Fortschritt für alle setzte er sich für "sein Volk" ein, verzweifelte aber an ihm, wenn es sich wie im Juniaufstand 1848 und während der Pariser Kommune 1871 in den Straßen der Hauptstadt einen "Wundbrand" zufügte. Chaos und Anarchie fürchtete er mehr als Tyrannen, denen er die Stirn bot. Das alles und so viel mehr wird in "Ozean" aus Sicht eines Zeitgenossen aufgespannt, der "nach dem Puls der Lage tastete" und lange und intensiv lebte.

Der Großautor Hugo ist hier als Virtuose kleiner Formen zu entdecken: Berichte, Essays, Anekdoten, Aphorismen, Sentenzen, Aperçus, Porträts, Satiren. Für diejenigen, die ihm durch den Ozean seiner Gedanken folgen, blitzen starke Bilder und Bonmots auf: "Revolutionen sind großartige Improvisationskünstler. Manchmal allerdings etwas zerzaust. - Revolutionen sind ein grausamer Pflug. Menschenköpfe rollen am Rand der Pflugschar auf beiden Seiten der Furche." Und: "Bourgeoisie. Guizot. Schwarze Kleidung, grauer Stil." Oder: "Die Tiefen. Sandige Ebenen aus Sonnen und Universen."

Alexander Pschera hat eine Herkulesaufgabe bewältigt. Ein immenses Verdienst. Gleiches gilt für den Verlag, der sich einem Autor zuwendet, der vielen Heutigen im Vergleich zu Flaubert und Baudelaire unmodern erscheint. Die Skizzenbücher korrigieren diesen Eindruck und wecken eine ähnlich große Neugier wie das Journal der Brüder Goncourt. Wer diesen Hugo liest, mag glauben, dass seine Stunde hierzulande noch kommen wird, zumal neben manchem Prosatext oder Drama auch avantgardistische und schillernde Gedichte wie "Les Djinns" und "Mazeppa" aus der Sammlung "Les Orientales" von 1829 Aufmerksamkeit verdienen. Der Anfang ist gemacht. "Ozean" ist fein ediert und besorgt; vereinzelte Fehler sind nichtig angesichts der Maßlosigkeit des durchgearbeiteten Materials und der gelungenen Übersetzung, die Hugos Sprache und Ton trifft. Ein bisschen schade ist das Fehlen eines Personenregisters als Kompass auf dem "Ozean". WALBURGA HÜLK

Victor Hugo: "Ozean". Dinge, die ich gesehen habe.

Hrsg. und aus dem Französischen von Alexander Pschera. Matthes & Seitz, Berlin 2023. 978 S., Abb., geb., 48,- Euro.

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