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Our Town ist Michael von Graffenrieds fotografisches Porträt von New Bern, einer kleinen Stadt in North Carolina an der Ostküste der USA mit 30.000 Einwohnern. 55 Prozent weiße und 33 Prozent schwarze Einwohnerinnen und Einwohner. Hier, am Zusammenfluss des Neuse und Trent River baute 1710 Christoph von Graffenried aus dem Schweizerischen Bern, ein Vorfahr des Autors, die ersten Häuser und gab dem Ort den Namen seiner Heimatstadt.Die von Michael von Graffenried über einen Zeitraum von 15 Jahren aufgenommenen Fotos sind weder übermäßig formale Kompositionen noch flüchtige Schnappschüsse,…mehr

Produktbeschreibung
Our Town ist Michael von Graffenrieds fotografisches Porträt von New Bern, einer kleinen Stadt in North Carolina an der Ostküste der USA mit 30.000 Einwohnern. 55 Prozent weiße und 33 Prozent schwarze Einwohnerinnen und Einwohner. Hier, am Zusammenfluss des Neuse und Trent River baute 1710 Christoph von Graffenried aus dem Schweizerischen Bern, ein Vorfahr des Autors, die ersten Häuser und gab dem Ort den Namen seiner Heimatstadt.Die von Michael von Graffenried über einen Zeitraum von 15 Jahren aufgenommenen Fotos sind weder übermäßig formale Kompositionen noch flüchtige Schnappschüsse, sondern geduldige Bilder des Alltags, die sich kein Urteil über die Bürgerinnen und Bürger der Stadt anmaßen. Wir sehen eine schwarze Kirchengemeinde, junge weiße Mädchen beim Üben an der Waffe, schwarze Männer, die auf der Straße Bargeld tauschen, ein weißes Paar, das seine Waffensammlung mit einem ausgestopfter Bären als Jagdtrophäe herzeigt, eine schwarze Stripperin, die für einen weißen Mann tanzt.Im Juni 2020 fand nach der Ermordung des Schwarzen George Floyd durch weiße Polizisten die größte Demonstration statt, die New Bern je gesehen hat, parallel zu vielen Protesten der »Black Lives Matter«-Bewegung im ganzen Land. Damit wurde in der Stadt Rassismus zum ersten Mal öffentlich zum Thema gemacht.
Autorenporträt
Born in Bern in 1957, Michael von Graffenried began his career as an international photojournalist in 1978, and today concentrates on long-term projects in multiple media including billboards and film. His documentary film War without Images, produced with Mohammed Soudani, was first screened at the Locarno Film Festival in 2002. Von Graffenried has exhibited widely and his photographs are held in the permanent collections of the Swiss Foundation for Photography, Winterthur, Musée de l'Elysée, Lausanne, and the Bibliothèque Nationale, Paris, among other major collections in Europe and the US. He was named Chevalier des Arts et Lettres in the French Legion d'Honneur in 2006, and received the Dr. Erich Salomon Prize from the German Society of Photography in 2010 (the third Swiss to obtain the award after René Burri and Robert Frank). Steidl published von Graffenried's Bierfest in 2014.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2022

Schwarz und Weiß

Über fünfzehn Jahre hinweg hat Michael von Graffenried in New Bern fotografiert, dem Ort, den er jetzt "Our Town" nennt.

Von Freddy Langer

New Bern ist ein kleiner Ort mit dreißigtausend Einwohnern im Osten von North Carolina an der Atlantikküste, dort, wo die Flüsse Neuse und Trent zusammenkommen und ins Meer münden, und man darf guten Gewissens vermuten, dass sich der Schweizer Fotograf Michael von Graffenried nie für das Städtchen interessiert hätte, wäre es nicht einer seiner Vorvorvorfahren gewesen, Christoph von Graffenried, der sich 1710 hierher in die Wildnis durchgeschlagen hatte, ein paar Holzhäuser errichtete und der Siedlung nach seiner eigenen Herkunft den Namen verpasste, den sie noch heute trägt. Aber es war mehr als Ahnenforschung und -verehrung, was ihn im Laufe von fünfzehn Jahren ein Dutzend Mal nach New Bern führte. Jeweils für einige Wochen. Er versuchte, sagt er, den Ort zu verstehen, eine Gesellschaft, die sich gut zur Hälfte aus Weißen und zu mehr als einem Drittel aus Schwarzen zusammensetzt. So machte er Bekanntschaften, schloss Freundschaften, übernachtete stets privat und wurde doch von Jahr zu Jahr immer misstrauischer beobachtet, wenn er wieder mit seiner Panoramakamera auftauchte. Denn niemand konnte recht verstehen, was genau sein Ziel war. Und jetzt, da man ein Ergebnis sieht, seinen großartigen Bildband "Our Town", sagt er trocken, dass ihn in New Bern vermutlich noch niemand in Händen gehalten habe.

Und wenn doch? Was werden sie denken, die Bewohner des Orts, denen Michael von Graffenried bisweilen buchstäblich auf die Pelle rückte und die dennoch nicht die Spur davon erkennen lassen, dass sie aufgenommen werden, nicht einmal der Herr, der sich beim Table Dance solide unterhalten lässt, geradeso als habe der Fotograf unter einem Tarnmäntelchen gesteckt. Darüber lässt sich naturgemäß nur spekulieren. Aber es wird jeder sich erkennen, in seinem Auftritt, in seinen Gesten - ob er in Uniform stolz das Sternenbanner trägt oder in Handschellen abgeführt wird, mit Schnellfeuerwaffen im Garten Schießübungen macht oder in einer Ausstellung mit Aktgemälden nach den Häppchen greift. Was man indes nicht erkennt, ist der Ort. Es gibt keine Bilder der Straßen, kaum Fotos von Gebäuden oder der laut Angaben der Stadt sechsunddreißig Sehenswürdigkeiten, darunter die Apotheke, in der Caleb Bradham im Jahr 1898 Pepsi-Cola erfunden hat. Stattdessen zeigt Michael von Graffenried in weitem Ausschnitt erfasst und stets sehr komplex komponiert lauter eindringliche Szenen des Alltags, die sich um Menschen herum abspielen, von denen nicht wenige sozial benachteiligt sind und nicht allein durch Naturkatastrophen in den Ausnahmezustand katapultiert wurden, von denen andererseits etliche vom Schicksal mehr als ausreichend begünstigt scheinen. Es ist viel los auf diesen Bildern, und es braucht viel Zeit, sie zu betrachten.

Was Michael von Graffenried vorlegt, ist ein Geschichtenbuch und ein Geschichtsbuch zugleich, in dem er anhand von New Bern mit präzisem analytischen Blick prototypisch von Lebensumständen in Amerika berichtet, von den Ritualen der Menschen und ihren Hoffnungen, aber auch von der Spaltung des Lands, die allenfalls im Sport maßvoll übertüncht ist. Ein wenig ist es auch ein Lehrbuch.

"Our Town" von Michael von Graffenried. Steidl Verlag, Göttingen 2021. 240 Seiten, 120 Abbildungen. Gebunden, 45 Euro.

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