Produktdetails
- Schriften zur politischen Landeskunde Nordrhein-Westfalens
- Verlag: Kohlhammer
- Seitenzahl: 288
- Abmessung: 480mm
- Gewicht: 435g
- ISBN-13: 9783170159235
- Artikelnr.: 25950593
Nordrhein-Westfalen wirbt damit, dass es ein Land im Wandel ist
ULRICH VON ALEMANN, PATRICK BRANDENBURG: Nordrhein-Westfalen. Ein Land entdeckt sich neu, W. Kohlhammer Verlag, Köln 2000. 287 Seiten, 57,70 Mark.
„Nordrhein-Westfalen. Ein Land entdeckt sich neu. ” Vorstellbar wäre auch gewesen: „Eine Koalition entdeckt sich neu. ” Doch leider genießt die neueste Landesgeschichte aus der Feder von Ulrich von Alemann, Politikwissenschaftler an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Gnade der zu frühen wie zu späten Geburt. Als der Parteienforscher sein Manuskript im Oktober 1999 abschloss, waren weder Bimbes noch Flugaffäre in Sichtweite. Und jetzt, wo es erschienen ist, da ist es an einigen Stellen schon überholt. Die Grünen sind seit den Landtagswahlen nicht mehr „eindeutig dritte Kraft im politischen System des Landes”, und ob Jürgen Möllemann mit seinem Fallschirm im Landtag „einfallen” wird, ist nicht mehr „fraglich”. Dumm gelaufen, aber für den Papierkorb war die Arbeit dennoch nicht.
Denn der Autor und sein Assistent Patrick Brandenburg hatten weder den Anspruch, politisch ans Eingemachte zu gehen noch eine völlig neue Landesgeschichte für Fachleute zu schreiben. Sie wollten einen kurzweiligen, lesbaren Überblick über das 1947 von den Alliierten aus der Taufe gehobene „Land aus dem Schmelztigel” für jedermann schaffen. Eigentlich selbstverständlich, aber nicht , wenn das Buch aus der Landeszentrale für politische Bildung kommt. Deren Schriften bestätigen nicht selten Oscar Wilde: „Der Deckel eines Buches unterscheidet sich vom Deckel eines Sarges manchmal nur dadurch, das man ihn gelegentlich aufschlägt. ” Alemann und Brandenburg hielten es lieber mit William Sommerset Maugham, für den „kein Lesen der Mühe wert ist, wenn es nicht unterhält”.
Herausgekommen ist eine Mixtur aus politischem Einmaleins für den ambitionierten Laien, geschichtlich-politischem Basiswissen und Reiseführer. Manchmal stellt sich die Frage der Relevanz. Wen interessiert es, dass die Düsseldorfer Punk-Kultband „Die Toten Hosen” schon mal im Düsseldorfer Staatstheater aufgetreten sind? Manchmal nerven die Sparwitze und die Kalauer, etwa wenn der Autor darauf hinweist, dass NRW bei der Atomkraftproblematik angesichts der Castor-Problematik „keinen Grund zum Strahlen hat”. Auch ist klar, dass hier ein NRW-philer schreibt, der glaubt, dass die „gesamte Republik neidisch” auf die „Comedy-Dynastie” in Nordrhein-Westfalen ist.
Aber Aleman machte sich immerhin in jedem Kapitel die Mühe, dem Leser frische Ware zu präsentieren. Bei der Themenpalette fragt man sich, ob der Autor tatsächlich zu allem und zu jedem etwas sagen muss. Zur Gemeindeordnung eben, zum deutsch-türkischen Fußballspieler Mustafa Dogan, zum kochenden Pott, zur Kunst, zum Kölsch und zum Alt, zur EU, zu den Medien, zum Ruhrtourismus mit Emscher Park, und natürlich zu den Kumpeln. Aber deutlich wird: Der Mann hat sich das Land angeschaut und bietet erstaunlich viel Material über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, das zudem wissenschaftlich seriös, prägnant und oft auch amüsant aufbereitet ist. Das „Kernland der EU” habe sich, wie Johannes Rau sagte, von einem Land „von Kohle und Stahl zu einem Land mit Kohle und Stahl” entwickelt, so der Autor. Aus dem Trennstrich zwischen Nordrhein-Westfalen sei ein Bindestrich geworden, meint Alemann und ist überzeugt, dass die Menschen eine gemeinsame Identität gefunden haben.
FRANK GERSTENBERG
Der Rezensent ist freier Journalist in Dormagen.
„Wir in NRW” heißt die Kampagne der Nordrhein-Westfalen. Stillgelegte Zechen gelten hier als Baudenkmäler.
Foto: SZ
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