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»Wenn das gelingt, was mir Arnold empfohlen hat, müsste der Titel lauten: Nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Nach nahezu 40 Jahren ein rücksichtsloser Blick auf Verlag, Autoren, Bücher, Manuskripte ...«So beginnt ein Manuskript, das Elisabeth Borchers, die große Lyrikerin und legendäre Lektorin (»Das literarische Gewissen des Suhrkamp Verlags«, pflegte Siegfried Unseld über sie zu sagen), hinterlassen hat. Zwischen 1999 und 2005 hat sie an einem autobiographischen Text gearbeitet, den sie nicht beenden konnte. Auch wenn sie Arnold Stadlers Anregung zunächst folgt und von ihren Begegnungen…mehr

Produktbeschreibung
»Wenn das gelingt, was mir Arnold empfohlen hat, müsste der Titel lauten: Nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Nach nahezu 40 Jahren ein rücksichtsloser Blick auf Verlag, Autoren, Bücher, Manuskripte ...«So beginnt ein Manuskript, das Elisabeth Borchers, die große Lyrikerin und legendäre Lektorin (»Das literarische Gewissen des Suhrkamp Verlags«, pflegte Siegfried Unseld über sie zu sagen), hinterlassen hat. Zwischen 1999 und 2005 hat sie an einem autobiographischen Text gearbeitet, den sie nicht beenden konnte. Auch wenn sie Arnold Stadlers Anregung zunächst folgt und von ihren Begegnungen mit Dichtern wie Bohumil Hrabal, Uwe Johnson, Martin Walser oder Jurek Becker erzählt (und sich dabei nicht vor kräftigen Aussagen und harten Urteilen scheut, nehmen ihre Aufzeichnungen bald eine überraschende Wendung. Mehr und mehr gleitet sie ins eigene Ich, das Ich einer Frau, die sich im hohen Alter noch einmal der Wucht und der quälenden Macht einer großen Liebe aussetzt. Wie sie, eine grande dame par excellence, dieses Lieben erfährt, ist der Kristallisationspunkt dieses Fragment gebliebenen Manuskripts - und ein ergreifendes Dokument.
Autorenporträt
Borchers, ElisabethElisabeth Borchers, geboren 1927 in Homberg / Niederrhein, verstarb 2013 in Frankfurt am Main. Sie arbeitete von 1960 bis 1998 als Lektorin, verfasste selbst mehrere Gedichtbände und zahlreiche Kinderbücher.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2018

Unter Hochstaplern
„Nicht zur Veröffentlichung bestimmt“ – ein autobiografisches Fragment
der langjährigen Suhrkamp-Lektorin Elisabeth Borchers
VON HELMUT BÖTTIGER
Der Titel dieses Buches – „Nicht zur Veröffentlichung bestimmt“ – ist natürlich sehr kokett, aber eines scheint sicher: es musste geschrieben werden. Ob es allerdings auch veröffentlicht werden musste, steht auf einem ganz anderen Blatt. Elisabeth Borchers war so etwas wie eine Grande Dame der deutschen Verlagslandschaft. Man erlebte sie in erster Linie als ironisch distanziert, mit einer gewissen Souveränität, und dass sie sich heimlich vor allem als Lyrikerin begriff, verstärkte noch diesen Eindruck. Von 1971 bis 1998 prägte sie die große, mittlerweile fast mythische Phase des Suhrkamp-Verlags als Lektorin mit, in der Zeit also, als sich in der vergleichsweise kleinen Stadt Frankfurt die Strategien der Macht schnitten und kreuzten. Siegfried Unseld hie, Marcel Reich-Ranicki da – auf ein, zwei Quadratkilometern wurden die Tragikomödien der Gegenwartsliteratur inszeniert. Erst jetzt beginnt diese Zeit in die Vergangenheit zu rücken, erst jetzt treten Autoren wie Durs Grünbein und Uwe Tellkamp in den öffentlichen Debatten das Erbe damaliger Suhrkamp–Autoren wie Hans Magnus Enzensber oder Martin Walser an.
Elisabeth Borchers ist 2013 im Alter von 86 Jahren gestorben, zwischen 1999 und 2005 hat sie versucht, ein Erinnerungsbuch zu schreiben. Es sollte, so ihr Anspruch, ohne diplomatische Rücksichten und für die Beteiligten schonungslos sein. Das klingt durchaus überraschend. Entstanden ist dann ein Fragment, das jetzt mit einem gewissen Raunen herausgegeben worden ist, und zwar nicht im Suhrkamp-Verlag, sondern bei Weissbooks, einem Unternehmen zweier früherer Suhrkamp-Mitarbeiter, die dort unter und auch noch nach Siegfried Unseld eine Rolle spielten. Das klingt ein wenig nach Enthüllungen, aber geboten wird ein sehr pointillistisches, ästhetisch nicht durchgearbeitetes Bild des Gefühlslebens der Verfasserin Elisabeth Borchers aus ihrer Zeit nach dem Ausscheiden bei Suhrkamp, und man sieht sich auf schwieriges, privates, verschwiegenes Gelände verwiesen.
Die großen zeit- und verlagsgeschichtlichen Themen werden nicht verhandelt. Dafür teilt sich, eher unbeabsichtigt, etwas Atmosphärisches mit. Es geht ja um eine Zeit, die inzwischen weit zurückzuliegen scheint, obwohl sie noch gar nicht so lange vorbei ist. Für die am Literaturbetrieb an sehr sichtbarer Stelle Beteiligten gab es damals noch keinerlei Anzeichen, an ihrer Bedeutung zu zweifeln. Es war von einer unhinterfragbaren Wichtigkeit, was da geschah: Jurysitzungen in Darmstadt für den Büchnerpreis, mit all den nur angedeuteten Klüngeleien, oder Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, deren Rezensenten Elisabeth Borchers ganz selbstverständlich als einflussreiche Zeitgenossen wahrnimmt, obwohl sie an deren geistiger Reichweite herumkrittelt – Lustbarkeiten innerhalb einer geschlossenen Kaste eben. Diese Geschlossenheit bleibt als Haupteindruck dieser Aufzeichnungen haften – und dass die Autorin auch bei intimen Aufzeichnungen ihren Stil diplomatischer Rücksichtnahme nie aufgibt.
Am damaligen Praeceptor Germaniae Literariae Marcel Reich-Ranicki hat Borchers ziemlich viel auszusetzen, aber wenn sie vertraut von „Marcel“ spricht, wird deutlich, dass der Abstand doch nicht so groß war. Und Siegfried Unseld, der große Federführende des Verlags, erscheint bei ihr durchgehend in ironischer Intonation – ohne dass ein wirklicher Konflikt erkennbar wäre. Es gibt viele Auslassungen in diesen Notizen, die Zeitabstände zwischen den einzelnen Abschnitten sind oft sehr groß. Elliptische Erinnerungen an die Kindheit und an die Familiengeschichte wechseln ab mit kurzen Momenten aus der Lektoratstätigkeit. Dass Elisabeth Borchers dem Buch „Orte“ von Marie-Luise Kaschnitz durch Kürzungen und Entschlackungen zu einem Rezensentenerfolg verhalf, ist eines ihrer Leitmotive. Peter Weiss‘ „Ästhetik des Widerstands“ hat sie durch derlei sprachliche Eingriffe allerdings etwas verunstaltet, das kommt wie vieles andere nicht vor, und Uwe Johnson erscheint nur einmal als „Farce“.
Wiederholt bezieht sie sich auf Schlüsselmomente ihres Lektoratslebens: Jakov Lind, ein in den Sechzigerjahren hochinteressanter Autor, habe darauf bestanden, dass es „Sangvögel“ und nicht „Singvögel“ heißen müsse, und Jurek Becker wollte wider besseres Wissen ebenfalls eine falsche Formulierung. Borchers’ literarische Urteile wirken streitbar und sind vor allem als Positionierungen innerhalb eines bestimmenden Milieus zu erkennen. Man merkt immerhin auf, wenn sie bei dem ihrer Meinung nach herausragenden Autor Martin Walser dann doch konstatiert, dass seine Hauptwerke „Meßmers Gedanken“ und „Liebeserklärungen“ seien, vermeintliche Nebenwerke also und nicht die ausschweifenden Romane.
Von derlei Schlenkern würde man sich mehr wünschen. Aber es handelt sich bei diesen Erinnerungsfragmenten nicht um einen Text, der systematisch vorgehen möchte, und vor allem entwickelt er schnell eine spezifische Eigendynamik. In den Vordergrund rücken immer mehr die Einsamkeit des Alters und die Sehnsucht nach Zusammengehörigkeit und Liebe, in einer äußerst privaten, nicht literarisch gestalteten und deshalb für die Öffentlichkeit durchaus auch prekären Form. Borchers klagt gleich am Anfang über den Zustand der Gegenwartsliteratur – bekanntlich ein Topos für alle, die darüber schreiben –, sie erkennt „so viele Jahre literarischer Nichtsnutzigkeiten“.
Und sie hält fest: „Wohin man schaut und liest: Hochstapelei“. Der nahezu Einzige, den sie davon ausnimmt, ist der Schriftsteller Arnold Stadler. Das ist natürlich aller Ehren wert, lässt einen aber doch auch etwas ratlos zurück. Stadler, bei dem sie immer wieder ins Schwärmen gerät, wird als Projektionsfigur später abgelöst von dem in seiner Existenz sehr konsequenten Lyriker und Essayisten Jochen Winter in Paris und Sizilien. Es ist also eine sehr eigene, subjektiv auszulotende, spezielle Befindlichkeit, von der diese Aufzeichnungen künden, es geht hier nicht in erster Linie um ein kulturgeschichtliches Dokument. Darum hinterlässt die Publikation dieses autobiografischen Fragments eher zwiespältige Gefühle.
HELMUT BÖTTIGER
Elisabeth Borchers: Nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Ein Fragment. Verlag Weissbooks, Frankfurt am Main 2018. 167 Seiten, 22 Euro.
Es entsteht der Eindruck, hier
gehe es um die Lustbarkeiten
einer geschlossenen Kaste
In der Einsamkeit des Alters blickt
die Autorin auf „so viele Jahre
literarischer Nichtsnutzigkeiten“
Dichterin, Übersetzerin, Lektorin: Elisabeth Borchers (1926 – 2013).
Foto: SV / Abbildung aus dem besprochenen Band
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2018

Die Engel fühlen sich nicht mehr zuständig
Späte Notizen: "Nicht zur Veröffentlichung bestimmt" von der Lyrikerin und Lektorin Elisabeth Borchers

Im Nachlass von Elisabeth Borchers, die 2013 mit 87 Jahren in Frankfurt starb, fand ihr Sohn Ralf ein unveröffentlichtes Manuskript. Der Titel der nun vorliegenden Notizen, "Nicht zur Veröffentlichung bestimmt", klingt nach Indiskretion. Hat man da womöglich etwas gegen den Wunsch der Verstorbenen veröffentlicht? Ralf Borchers und der Herausgeber Martin Lüdke räumen derartige Deutungen gleich zu Beginn aus dem Weg: Es sei die Autorin selbst gewesen, die auf ihrem Manuskript notiert habe: "Der ,Titel' müsse ,lauten': ,Nicht zur Veröffentlichung bestimmt'" - woran sich die Herausgeber gehalten haben.

Nicht nur als Lyrikerin, auch als Lektorin zählte Elisabeth Borchers zu den maßgeblichen Stimmen der Literatur und seines Betriebs in der alten Bundesrepublik. 1961 veröffentlichte sie ihren ersten zart-surrealistischen Gedichtband, der prompt eine wochenlange Leserbriefdebatte über Für und Wider moderner Lyrik auslöste. Kurz zuvor hatte sie außerdem als Lektorin bei Luchterhand angeheuert. Fortan arbeitete sie zweigleisig und wechselte 1971 zum Suhrkamp Verlag, der damals noch in Frankfurt residierte. In ihren 27 Jahren dort, im legendären Haus in der Lindenstraße, wurde sie zu einer der wichtigsten Repräsentantinnen der Suhrkamp-Kultur. Sie arbeitete mit Autoren wie Peter Handke, Thomas Bernhard, Uwe Johnson und Friederike Mayröcker. Und wie genau und unerbittlich sie als erste Leserin der Texte ihrer Autoren war, das wird in diesem autobiographischen Text immer aufs Neue greifbar.

Ein "rücksichtsloser Blick" auf ihr Leben sollten diese Notizen werden, hatte Borchers notiert, als sie nach ihrem Ausscheiden bei Suhrkamp 1998 damit begann. Es war ein Leben, das vor allem der Literatur gewidmet war, dem eigenen Schreiben wie dem Dienst an Texten anderer. In den Momentaufnahmen, Gedankensplittern und Rückblicken gibt ein sehender, lesender und denkender Mensch Einblicke nicht nur in den Seelenhaushalt einer Lektorenexistenz, die sich bisweilen als dünnhäutig erweist, nicht genug Lob, ja Würdigung für ihre Arbeit erfahren haben will. Die anderseits aber mit eigenen, oft scharfen Urteilen nicht hinter dem Berg hält: "Wohin man auch schaut und liest. Hochstapelei", heißt es in einem Rundumschlag gleich zu Beginn. Auch die damals großen Namen im Verlag bekommen ihr Fett ab: Martin Walser, Marie Luise Kaschnitz oder Jurek Becker. Uwe Johnson sei überhaupt nur vom Verleger Siegfried Unseld "posthum brachialgewaltig zum Helden stilisiert worden", "doch wohl, um sich selbst zu bestätigen. Welch ein Pfusch, wohin man sieht und hört."

Vor welch nickeligen Herausforderungen Lektoren im Ringen mit den Autoren um deren Texte stehen, auch das zeigt sich hier ein ums andere Mal. Von Jurek Beckers Eigensinn kann Borchers ein Lied singen, der sogar auf einem orthographischen Fehler besteht. "Der Autor habe immer recht", quittiert sie dies in ihrer ironisch-distanzierten Art. Jakov Lind lässt sich nicht davon abhalten, "Sangvögel" statt "Singvögel" zu schreiben. Gemessen an dessen Erzählband hält seine Gegenleserin dies allerdings noch für eine "Belanglosigkeit".

Was damals im Literaturbetrieb los ist, beschäftigt Elisabeth Borchers: die in Darmstadt ansässige Akademie für Sprache und Dichtung, deren Jury beim Ausknobeln des Büchnerpreises sämtliche Register zieht, oder die Ausstrahlung des "Literarischen Quartetts" mit Marcel Reich-Ranicki. Überhaupt tauchen Kritiker jener Zeit auch aus dieser Zeitung immer wieder bei ihr auf. Die Spiegelung der eigenen Arbeit in der Öffentlichkeit wird wiederum gespiegelt.

Die Vorstellung im Nachwort allerdings, dass Figuren wie der Schriftsteller Arnold Stadler, mit dem sie eine enge Freundschaft verband, oder Marie Luise Kaschnitz, mit der es immer wieder zu Kabbeleien kam, hier gleichsam zu Kunstfiguren werden, scheint wenig plausibel. Zu roh, zu unbearbeitet sind die Notizen, als dass man sie wiederum zur Literatur erklären sollte. Und gerade diese Offenheit ist es, die den Text ausmacht. Auch da, wo es einmal nicht um Autoren, Kollegen, Verleger geht, sondern um die eigene Verfasstheit, die Frage etwa, was es bedeutet, älter zu werden. Da beschreibt sie, voller Klarsicht und ohne Selbstmitleid, wie das ist, wenn der Körper nicht mehr so will wie man selbst und auch die Welt einen ein bisschen mehr in Ruhe lässt, als einem lieb ist. Der Umzug ins Seniorenstift scheint bald unausweichlich.

"Mit großen Schritten der Eiszeit entgegen", heißt es an einer Stelle, und später: "Von einer Seite zur anderen ändert sich die Welt. Die Tür schlägt zu. Die Fenster zerspringen . . . Die beschützenden Engel sind ausgeflogen, fühlen sich nicht mehr zuständig." Das sind starke Sätze. Und mit dem aufgetragenen Titel an die Nachwelt, "Nicht zur Veröffentlichung bestimmt", hat Elisabeth Borchers die ganze Ambivalenz des Textes ausgespielt. Er soll publiziert werden und soll es doch nicht. Sohn und Herausgeber haben sich für eines entschieden.

SANDRA KEGEL

Elisabeth Borchers: "Nicht zur Veröffentlichung

bestimmt". Ein Fragment.

Hrsg. und mit einem Nachwort von Martin Lüdke. Verlag Weissbooks, Frankfurt am Main 2018. 190 S., geb., 22,- [Euro].

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