Produktdetails
  • rororo Taschenbücher
  • Verlag: Rowohlt TB.
  • Gewicht: 204g
  • ISBN-13: 9783499135712
  • Artikelnr.: 23984227
Autorenporträt
Dorothy Parker, geboren am 22. August 1893 als Dorothy Rothschild in West End/ New Jersey, war Korrespondentin im Spanischen Bürgerkrieg und arbeitete als Theater- und Literaturkritikerin u.a. für »Vanity Fair«, »Esquire« und den »New Yorker«. Daneben schrieb sie zahlreiche Gedichte, Kurzgeschichten, Theaterstücke und Drehbücher. Parker zählte zu den bedeutendsten Schriftstellerinnen ihrer Zeit und galt ihrer unvergleichlichen Schlagfertigkeit und ihres beißenden Spotts wegen als Königin der legendären Algonquin-Runde, eines legendären Literatenzirkels, der nach 1925 die intellektuelle Ausstrahlung Amerikas ein gutes Jahrzehnt lang maßgeblich mitprägte. Am 7. Juni 1967 starb Dorothy Parker in New York an den Folgen eines Herzinfarkts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2003

Liebe im Leeren
Noch immer eine Entdeckung wert: Dorothy Parker

Siebzehn Zeilen umfaßte der Nachruf, der im Feuilleton dieser Zeitung zum Tod der amerikanischen Schriftstellerin Dorothy Parker im Juni 1967 erschien, und er endete mit der Feststellung, daß die "Entdeckung" der Autorin in Deutschland noch bevorstehe. Das ist bis heute so. Dem schriftstellerischen Werk von Dorothy Parker, die für immerhin einen Sommer in der Mitte der neunziger Jahre als Titelfigur eines halbdokumentarischen Films ins Bewußtsein eines größeren Publikums drang ("Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis"), schenken weder Verlage noch Leser in Deutschland einen nennenswerten Teil ihrer Aufmerksamkeit.

So ist das Erscheinen der preiswerten Taschenbuchausgabe von Dorothy Parkers "New Yorker Geschichten" einerseits zu rühmen. Denn endlich werden hier die Erzählungen, deren deutsche Fassung 1986 auf zwei gebundene Bände verteilt wurde, in ihrer originalen Zusammenstellung des Formats als "Portable Dorothy Parker" aus dem Jahr 1944 auch für den hiesigen Leser vereinigt. Andererseits kommt diese Neuauflage, darin den fünfundzwanzig Jahre älteren Vorgängern gleich, ganz interesselos daher, ohne von Vor- oder Nachwort begleitet zu werden, ohne biographischen Essay oder sonst irgendeine editorische Anstrengung. Der Leser sollte wenigstens wissen, daß Dorothy Parker in den zwanziger und dreißiger Jahren in New York als Theater-und Buchkritikerin für Magazine wie "Vanity Fair" und "The New Yorker" arbeitete, daß sie Gedichte schrieb, die nie ihre Stärke wurden, und Kurzgeschichten, die zum Besten gehören, was aus jenen Jahren überliefert ist, daß sie schließlich auf der Flucht vor der Depression wie so viele ihrer Kollegen nach Hollywood ging, wo sie weiterhin viel trank und Drehbücher schrieb, für die sie gut bezahlt wurde.

Mit der lieblos kargen Präsentation wurden aus den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch die Übersetzungen von Pieke Biermann und Ursula-Maria Mössner übernommen, die damals jeweils einen der beiden Bände übertragen hatten. So finden sich nun in einem Band zwei unterschiedliche deutsche Tonlagen für die unprätentiöse Stimme der Erzählerin, ohne daß darin ein höherer Sinn als der einer Kostenersparnis zu erkennen wäre. Diese Stimme ist, im Original mehr als in den Übersetzungen, schneidend wie Spiegelscherben, immer ironisch, manchmal leicht vulgär und auf jeden Fall umgangssprachlich: Dorothy Parker brilliert in Dialogen und Monologen, weil sie hier am klarsten zeigen kann, daß Sprache allem möglichen zu dienen imstande ist, nur nicht der Verständigung. Das gleiche läßt sich vom Telefon sagen.

Dorothy Parker erzählt von Männern und Frauen. Wenn es um die Liebe geht und um Sex, traut sie beiden nicht viel zu - den Frauen nicht, weil diese mit meist geringem Erfolg versuchen, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen, den Männern nicht, weil sie sowieso nicht wissen, was fühlen jenseits kurzfristiger Lust und langfristiger Bequemlichkeit bedeuten könnte.

Diese trostlose Bestandsaufnahme führt sie in neunundzwanzig Variationen von meist nur wenigen Seiten Länge vor. Sie beschränkt sich dabei auf Situationen wie eine Taxifahrt, einen gehörig alkoholisierten Nachmittagstee unter Freundinnen, einen Abend des Wartens auf einen Anruf, der nicht kommt. Die Liebe erweist sich ausnahmslos als ziemlich stümperhaftes Strategiespiel, dessen Regeln auf den Leser ebenso stumpfsinnig unvariabel wirken, wie sie für die Figuren in den Geschichten quälend unverrückbar sind. Daß sich dennoch beim Leser keine eintönige Bitterkeit einstellt, liegt an Dorothy Parkers Witz und am Erzählgestus, der entschieden modern ist - nichts löst sich im Ende, und vor allem in den Monologen folgt sie den Bewußtseinsströmen ihrer Figuren wie ihre berühmteren Zeitgenossen Djuna Barnes oder, wiewohl erheblich radikaler, Gertrude Stein.

In gleichem Maße wie ihre männlichen Kollegen O. Henry oder Salinger, hat Dorothy Parker mit diesen Geschichten mitgeformt, was wir im Rückblick als die klassische "New Yorker"-Kurzgeschichte erkennen - knapp, präzise beobachtet und ohne Verschnörkelung geschrieben, kritisch und satirisch, ohne Anbiederung ans Publikum, das sich heute, wenn es ehrlich ist, in diesen Geschichten wiedererkennen wird.

Es sind Großstadtgeschichten, die nur an einem Schauplatz geschrieben werden konnten: New York in jenen Jahren. Daß die Liebe immer wieder scheitert, ist ohne Tragik. Eine neue wird kommen und ebenfalls scheitern. Und so weiter in einem steten Fluß neuer Versprechen, Hoffnungen und Enttäuschungen, der so selbstverständlich durch die Seelen strömt wie der Verkehr über die Fifth Avenue.

Dorothy Parker: "New Yorker Geschichten". Gesammelte Erzählungen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Pieke Biermann und Ursula-Maria Mössner. Diana Verlag, München, Zürich 2002. 383 S., br., 9,- [Euro].

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